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Die Grenzboten. Jg. 30, 1871, I. Semester. II. Band.

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Jogmnil Hoch. 5)

Bogumil Goltz war als Schriftsteller ein Original, das seines Gleichen
nicht har. ein Autor, welchen keine der zur Zeit geltenden Poetiken und Li¬
teratur-Theorien sich unterfangen sollte, in eine ihrer engen Kategorien zu
dringen, der durch keinen ihrer Maßstäbe meßbar ist. Dies muß jedem ein¬
leuchten, der auch nur einen Band von Goltz gelesen hat. Aber noch viel
schärfer und tiefer, als in seinen literarischen Producten. hob er in der Eigen¬
thümlichkeit seiner persönlichen Erscheinung, seiner mündlichen Mittheilung,
seiner Umgangsformen sich ab von der großen Menge und Masse der All¬
tagsmenschen, die er durch die Gewalt seines Eindrucks zwang, ihm nicht
etwa zu Gute zu halten und zu vergeben, sondern als sein eigenthümliches
Recht anzuerkennen, was sie ihresgleichen nimmermehr verzeihen könnten und
würden. Die Eigenthümlichkeiten und Besonderheiten, welche den Mann
nicht von andern, in gleicher Zeit und gleichem Raume mit ihm lebenden
Menschen trennten und etwa gar isolirten, wohl aber in kennbarster Weise
auszeichneten, waren jedoch eine Art Erbgut, angestammte Naturgaben, die
er freilich in geistvoller und tiefherzlicher Weise ausgebildet hat, zum Theil
von den Verhältnissen seiner Jugendzeit darin begünstigt und gefördert, zum
Theil aber auch mit der innern Kraft sich dem äußern Zwange und Drucke
entgegenstemmend und die hemmenden Schranken durchbrechend.**)




") Diese Arbeit wurde, mit geringen Veränderungen in der Form, am Jahresfest des Co-
Pernicus-Vereins in Thorn, den 19. Februar 1871, als Gediichtnißrede vorgetragen. Die
Noten find, mit Ausnahme der Bemerkungen über die Familie und Abstammung des Dichters,
neu hinzugefügt. -- Was bisher in verschiedenen Zeitschriften über die Lebensumstände von
Bogumil Goltz berichtet wurde, ist sehr lückenhaft und großentheils unrichtig. Diese Arbeit
dagegen, aus den Erinnerungen einer funfzigjährigen Bekanntschaft und den Mittheilungen der
Familie meines verstorbenen Freundes geschöpft, giebt in den Thatsachen durchaus Sicheres und
zuverlässiges, freilich aus Rücksichten des Raumes auch noch nicht ganz Vollständiges.
Der Verf.
") Ueber die früheren Vorfahren von Bogumil Goltz giebt nur eine mündliche Ueber¬
lieferung sehr unzureichende Auskunft. Der Großvater desselben ist nach dieser Tradition der
Sprößling einer preußisch-polnischen Adelsfamilie gewesen, welcher von den Eltern zur Zeit
des Krieges, den Carl Xll. v. Schweden in Polen und Westpreußen führte, in diesem letztern
Gebiete der Pflege deutscher Leute überlassen wurde und bei ihnen den Namen dieser Adels¬
familie, jedoch ohne die Bezeichnung der adligen Abstammung, behielt.
Grenzboten I. 1871. 122
Jogmnil Hoch. 5)

Bogumil Goltz war als Schriftsteller ein Original, das seines Gleichen
nicht har. ein Autor, welchen keine der zur Zeit geltenden Poetiken und Li¬
teratur-Theorien sich unterfangen sollte, in eine ihrer engen Kategorien zu
dringen, der durch keinen ihrer Maßstäbe meßbar ist. Dies muß jedem ein¬
leuchten, der auch nur einen Band von Goltz gelesen hat. Aber noch viel
schärfer und tiefer, als in seinen literarischen Producten. hob er in der Eigen¬
thümlichkeit seiner persönlichen Erscheinung, seiner mündlichen Mittheilung,
seiner Umgangsformen sich ab von der großen Menge und Masse der All¬
tagsmenschen, die er durch die Gewalt seines Eindrucks zwang, ihm nicht
etwa zu Gute zu halten und zu vergeben, sondern als sein eigenthümliches
Recht anzuerkennen, was sie ihresgleichen nimmermehr verzeihen könnten und
würden. Die Eigenthümlichkeiten und Besonderheiten, welche den Mann
nicht von andern, in gleicher Zeit und gleichem Raume mit ihm lebenden
Menschen trennten und etwa gar isolirten, wohl aber in kennbarster Weise
auszeichneten, waren jedoch eine Art Erbgut, angestammte Naturgaben, die
er freilich in geistvoller und tiefherzlicher Weise ausgebildet hat, zum Theil
von den Verhältnissen seiner Jugendzeit darin begünstigt und gefördert, zum
Theil aber auch mit der innern Kraft sich dem äußern Zwange und Drucke
entgegenstemmend und die hemmenden Schranken durchbrechend.**)




") Diese Arbeit wurde, mit geringen Veränderungen in der Form, am Jahresfest des Co-
Pernicus-Vereins in Thorn, den 19. Februar 1871, als Gediichtnißrede vorgetragen. Die
Noten find, mit Ausnahme der Bemerkungen über die Familie und Abstammung des Dichters,
neu hinzugefügt. — Was bisher in verschiedenen Zeitschriften über die Lebensumstände von
Bogumil Goltz berichtet wurde, ist sehr lückenhaft und großentheils unrichtig. Diese Arbeit
dagegen, aus den Erinnerungen einer funfzigjährigen Bekanntschaft und den Mittheilungen der
Familie meines verstorbenen Freundes geschöpft, giebt in den Thatsachen durchaus Sicheres und
zuverlässiges, freilich aus Rücksichten des Raumes auch noch nicht ganz Vollständiges.
Der Verf.
") Ueber die früheren Vorfahren von Bogumil Goltz giebt nur eine mündliche Ueber¬
lieferung sehr unzureichende Auskunft. Der Großvater desselben ist nach dieser Tradition der
Sprößling einer preußisch-polnischen Adelsfamilie gewesen, welcher von den Eltern zur Zeit
des Krieges, den Carl Xll. v. Schweden in Polen und Westpreußen führte, in diesem letztern
Gebiete der Pflege deutscher Leute überlassen wurde und bei ihnen den Namen dieser Adels¬
familie, jedoch ohne die Bezeichnung der adligen Abstammung, behielt.
Grenzboten I. 1871. 122
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[0449] Jogmnil Hoch. 5) Bogumil Goltz war als Schriftsteller ein Original, das seines Gleichen nicht har. ein Autor, welchen keine der zur Zeit geltenden Poetiken und Li¬ teratur-Theorien sich unterfangen sollte, in eine ihrer engen Kategorien zu dringen, der durch keinen ihrer Maßstäbe meßbar ist. Dies muß jedem ein¬ leuchten, der auch nur einen Band von Goltz gelesen hat. Aber noch viel schärfer und tiefer, als in seinen literarischen Producten. hob er in der Eigen¬ thümlichkeit seiner persönlichen Erscheinung, seiner mündlichen Mittheilung, seiner Umgangsformen sich ab von der großen Menge und Masse der All¬ tagsmenschen, die er durch die Gewalt seines Eindrucks zwang, ihm nicht etwa zu Gute zu halten und zu vergeben, sondern als sein eigenthümliches Recht anzuerkennen, was sie ihresgleichen nimmermehr verzeihen könnten und würden. Die Eigenthümlichkeiten und Besonderheiten, welche den Mann nicht von andern, in gleicher Zeit und gleichem Raume mit ihm lebenden Menschen trennten und etwa gar isolirten, wohl aber in kennbarster Weise auszeichneten, waren jedoch eine Art Erbgut, angestammte Naturgaben, die er freilich in geistvoller und tiefherzlicher Weise ausgebildet hat, zum Theil von den Verhältnissen seiner Jugendzeit darin begünstigt und gefördert, zum Theil aber auch mit der innern Kraft sich dem äußern Zwange und Drucke entgegenstemmend und die hemmenden Schranken durchbrechend.**) ") Diese Arbeit wurde, mit geringen Veränderungen in der Form, am Jahresfest des Co- Pernicus-Vereins in Thorn, den 19. Februar 1871, als Gediichtnißrede vorgetragen. Die Noten find, mit Ausnahme der Bemerkungen über die Familie und Abstammung des Dichters, neu hinzugefügt. — Was bisher in verschiedenen Zeitschriften über die Lebensumstände von Bogumil Goltz berichtet wurde, ist sehr lückenhaft und großentheils unrichtig. Diese Arbeit dagegen, aus den Erinnerungen einer funfzigjährigen Bekanntschaft und den Mittheilungen der Familie meines verstorbenen Freundes geschöpft, giebt in den Thatsachen durchaus Sicheres und zuverlässiges, freilich aus Rücksichten des Raumes auch noch nicht ganz Vollständiges. Der Verf. ") Ueber die früheren Vorfahren von Bogumil Goltz giebt nur eine mündliche Ueber¬ lieferung sehr unzureichende Auskunft. Der Großvater desselben ist nach dieser Tradition der Sprößling einer preußisch-polnischen Adelsfamilie gewesen, welcher von den Eltern zur Zeit des Krieges, den Carl Xll. v. Schweden in Polen und Westpreußen führte, in diesem letztern Gebiete der Pflege deutscher Leute überlassen wurde und bei ihnen den Namen dieser Adels¬ familie, jedoch ohne die Bezeichnung der adligen Abstammung, behielt. Grenzboten I. 1871. 122

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 30, 1871, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341813_125781/449>, abgerufen am 30.04.2024.