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Die Grenzboten. Jg. 30, 1871, I. Semester. II. Band.

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reiner Stratege setzt Rüstow unsern Waffenthaten zwar eine bis an die Zähne
bewaffnete Neutralität als "eidgenössischer Oberst und Ehrenmitglied der K.
schwedischen Akademie der Kriegswissenschaften" entgegen und urtheilt kühl
bis ans Herz hinan -- nur öfters, wie namentlich in den Schlachten um
Metz, gibt er zu Ungunsten unserer Leistungen die Massen und Zahlen des
Feindes bis auf das Doppelte zu gering an, und die Schlacht von Wörth ist
ihm einfach "das Treffen von Wörth," der Tag von Weißenburg "das Ge¬
fecht bei Weißenburg," während die Eidgenossen die Scharmützel ihres Son¬
derbundskriegs dreist mit der "Schlacht von Gislikon" u. se w. benennen.
Aber die "politische" Darstellung der Ereignisse durch Rüstow wäre, im In¬
teresse des Buchs selbst, besser weggeblieben. Hier spricht nicht mehr der neu¬
trale eidgenössische Oberst, sondern der malcontente deutsche Selbstverbannte,
dem auf dem nicht mehr ungewöhnlichen Wege der Weltgeschichte abermals
die eigene Schulweisheit durchkreuzt wird, und der deßhalb zu den wunder¬
lichsten Behauptungen gedrängt wird. So hat z. B. nach Rüstow an dem
eigentlichen Ausbruch des Krieges das biedere französische Volk natürlich gar
keine Schuld, ebenso wenig der Kaiser, Ollivier, Benedetti u. s. w., sondern
einzig und allein die anonyme französische Kriegspartei, die von heut auf
morgen Kaiser, Minister und Volk trotz ihrer rührenden Friedensliebe in den
Krieg reißt. Wie viel richtiger und unparteiischer als Rüstow urtheilt doch
"Eine Stimme aus Schweden" über den Krieg zwischen Deutschland und
Frankreich, seine nächsten Ursachen und Folgen, von General I. A. Hazelius,
Chef des Kgl. schwed. topographischen Corps, also ein Mann, der sich an
Neutralität und strategischen Wissen in jeder Hinsicht mit Rüstow messen
kann, und von einem "deutschen Professor," deren Titel schon Rüstow's Galle
aufregt, gar nichts an sich hat. Im Gegentheil, aus jeder Zeile spricht
Hazelius' vollste Unabhängigkeit und Erhabenheit über den Parteien. Aber
er ist im Größten und Kleinsten gerecht, objectiv und äußerst klar, vielleicht
die werthvollste und in keiner Sammlung der Zeitgeschichte zu entbehrende
Stimme eines neutralen Fachmannes über unsern großen Krieg. Eine deutsche
Uebersetzung ist in der Allg. D. Verlagsanstalt (Sigismund Wolff, Berlin,
1871) erschienen. (Schluß folgt.)




Die Grenzboten beginnen am A. April das S. Quartal
des AO. Jahrgangs und nehmen Buchhandlungen und Post¬
ämter Bestellungen aus dasselbe an. Um freundliche Berücksichtigung
bittet die Verlagshandlung.




Verantwortlicher Redacteur: Dr. Haus Blum.
Vertan, von F. L. Hcrliig. -- Druck von Hüthcl "c Legler in Leipzig.

reiner Stratege setzt Rüstow unsern Waffenthaten zwar eine bis an die Zähne
bewaffnete Neutralität als „eidgenössischer Oberst und Ehrenmitglied der K.
schwedischen Akademie der Kriegswissenschaften" entgegen und urtheilt kühl
bis ans Herz hinan — nur öfters, wie namentlich in den Schlachten um
Metz, gibt er zu Ungunsten unserer Leistungen die Massen und Zahlen des
Feindes bis auf das Doppelte zu gering an, und die Schlacht von Wörth ist
ihm einfach „das Treffen von Wörth," der Tag von Weißenburg „das Ge¬
fecht bei Weißenburg," während die Eidgenossen die Scharmützel ihres Son¬
derbundskriegs dreist mit der „Schlacht von Gislikon" u. se w. benennen.
Aber die „politische" Darstellung der Ereignisse durch Rüstow wäre, im In¬
teresse des Buchs selbst, besser weggeblieben. Hier spricht nicht mehr der neu¬
trale eidgenössische Oberst, sondern der malcontente deutsche Selbstverbannte,
dem auf dem nicht mehr ungewöhnlichen Wege der Weltgeschichte abermals
die eigene Schulweisheit durchkreuzt wird, und der deßhalb zu den wunder¬
lichsten Behauptungen gedrängt wird. So hat z. B. nach Rüstow an dem
eigentlichen Ausbruch des Krieges das biedere französische Volk natürlich gar
keine Schuld, ebenso wenig der Kaiser, Ollivier, Benedetti u. s. w., sondern
einzig und allein die anonyme französische Kriegspartei, die von heut auf
morgen Kaiser, Minister und Volk trotz ihrer rührenden Friedensliebe in den
Krieg reißt. Wie viel richtiger und unparteiischer als Rüstow urtheilt doch
„Eine Stimme aus Schweden" über den Krieg zwischen Deutschland und
Frankreich, seine nächsten Ursachen und Folgen, von General I. A. Hazelius,
Chef des Kgl. schwed. topographischen Corps, also ein Mann, der sich an
Neutralität und strategischen Wissen in jeder Hinsicht mit Rüstow messen
kann, und von einem „deutschen Professor," deren Titel schon Rüstow's Galle
aufregt, gar nichts an sich hat. Im Gegentheil, aus jeder Zeile spricht
Hazelius' vollste Unabhängigkeit und Erhabenheit über den Parteien. Aber
er ist im Größten und Kleinsten gerecht, objectiv und äußerst klar, vielleicht
die werthvollste und in keiner Sammlung der Zeitgeschichte zu entbehrende
Stimme eines neutralen Fachmannes über unsern großen Krieg. Eine deutsche
Uebersetzung ist in der Allg. D. Verlagsanstalt (Sigismund Wolff, Berlin,
1871) erschienen. (Schluß folgt.)




Die Grenzboten beginnen am A. April das S. Quartal
des AO. Jahrgangs und nehmen Buchhandlungen und Post¬
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bittet die Verlagshandlung.




Verantwortlicher Redacteur: Dr. Haus Blum.
Vertan, von F. L. Hcrliig. — Druck von Hüthcl «c Legler in Leipzig.
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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 30, 1871, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341813_125781/48>, abgerufen am 30.04.2024.