Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 30, 1871, I. Semester. II. Band.

Bild:
<< vorherige Seite
Jogumil Hoch.
(Schluß.)

Habe ich früher gesagt, daß Goltz seine Borbereitungen zu höhern wissen¬
schaftlichen Studien hier getroffen hat, fo kann der Thorner mit noch weit
mehr berechtigtem Stolze hervorheben, daß auch seine schriftstellerische Thätig¬
keit hier ihren Anfang nahm. Nicht nur, daß zwei oder drei der einzelnen
Aufsätze, die sein Buch der Kindheit umfaßt, zuerst in einer hier unternommenen
Zeitschrift, von der freilich nur wenige Nummern erschienen, abgedruckt wur¬
den, auch die erste, von ihm verfaßte besondere Schrift ist in Thorrs Mauern
geschrieben.

Kurz bevor Goltz zu einem der erwähnten Besuche nach Thorn kam, war
der erste Brief von Johannes Norge gegen den Bischof Arnoldi und den
heiligen Rock von Trier erschienen; bald nachher stand in allen Zeitungen
ein zweiter Brief Ronges gegen Arnoldi zu lesen. Fast ohne Ausnahme
riefen von allen Seiten von Freisinnigkeit erfüllte Protestanten, und auch
Katholiken, dem neuen Hütten ihren Beifall zu, nicht aber Goltz, -- die Ge¬
sinnung, aus der ein Angriff auf Dinge hervorging, die Millionen heilig
sind und einen, wenn auch auf Wahn beruhenden, Trost gewähren, widerte
ihn an; die Anmaßung prahlender, und nicht einmal eigner, sondern alten
Römeranekdoten entnommener Phrasen erregte seinen Unwillen, dem er Luft
machte indem er an meinem Arbeitstisch die 1845 in Leipzig gedruckte Broschüre,
"Der heilige Rock und der Brief des Herrn Johannes Ronge," in
wenigen Tagen schrieb.

Die kleine Schrift machte Aufsehn und erregte namentlich in Thorn viel
abfällige Urtheile gegen den Verfasser, ja sogar eine weitere literarische Fehde;
denn nicht bloß die protestantischen Lichtfreunde, sondern auch ein hiesiger
katholischer Geistlicher erhoben sich gegen Goltz; der Pfarrer und Dekan Hunt
erließ eine heftige Entgegnung Wider den Urheber, dessen sich dann der da¬
mals hier lebende, mit Goltz befreundete Graf Wartensleben annahm, und in
einer dritten Flugschrift wider den katholischen Gegner von Goltz auftrat.

Der erste Erfolg seines Eintritts in die literarische Oeffentlichkeit war
nicht eben ermuthigend, aber die Bahn war gebrochen; das kleine, nur einige
vierzig Seiten enthaltende Werkchen hatte zwar wenig Beifall gefunden, aber
weithin Sensation erregt, ebenso durch die Eigenthümlichkeit der Ansichten,
als der Darstellung und Ausdrucksweise.

Aber auch die Aufmerksamkeit und Anerkennung fernlebender Menschen
wurde ihm noch während seines Aufenthaltes in Gollub zu Theil; denn,


Grenzboten I. 1871. 128
Jogumil Hoch.
(Schluß.)

Habe ich früher gesagt, daß Goltz seine Borbereitungen zu höhern wissen¬
schaftlichen Studien hier getroffen hat, fo kann der Thorner mit noch weit
mehr berechtigtem Stolze hervorheben, daß auch seine schriftstellerische Thätig¬
keit hier ihren Anfang nahm. Nicht nur, daß zwei oder drei der einzelnen
Aufsätze, die sein Buch der Kindheit umfaßt, zuerst in einer hier unternommenen
Zeitschrift, von der freilich nur wenige Nummern erschienen, abgedruckt wur¬
den, auch die erste, von ihm verfaßte besondere Schrift ist in Thorrs Mauern
geschrieben.

Kurz bevor Goltz zu einem der erwähnten Besuche nach Thorn kam, war
der erste Brief von Johannes Norge gegen den Bischof Arnoldi und den
heiligen Rock von Trier erschienen; bald nachher stand in allen Zeitungen
ein zweiter Brief Ronges gegen Arnoldi zu lesen. Fast ohne Ausnahme
riefen von allen Seiten von Freisinnigkeit erfüllte Protestanten, und auch
Katholiken, dem neuen Hütten ihren Beifall zu, nicht aber Goltz, — die Ge¬
sinnung, aus der ein Angriff auf Dinge hervorging, die Millionen heilig
sind und einen, wenn auch auf Wahn beruhenden, Trost gewähren, widerte
ihn an; die Anmaßung prahlender, und nicht einmal eigner, sondern alten
Römeranekdoten entnommener Phrasen erregte seinen Unwillen, dem er Luft
machte indem er an meinem Arbeitstisch die 1845 in Leipzig gedruckte Broschüre,
„Der heilige Rock und der Brief des Herrn Johannes Ronge," in
wenigen Tagen schrieb.

Die kleine Schrift machte Aufsehn und erregte namentlich in Thorn viel
abfällige Urtheile gegen den Verfasser, ja sogar eine weitere literarische Fehde;
denn nicht bloß die protestantischen Lichtfreunde, sondern auch ein hiesiger
katholischer Geistlicher erhoben sich gegen Goltz; der Pfarrer und Dekan Hunt
erließ eine heftige Entgegnung Wider den Urheber, dessen sich dann der da¬
mals hier lebende, mit Goltz befreundete Graf Wartensleben annahm, und in
einer dritten Flugschrift wider den katholischen Gegner von Goltz auftrat.

Der erste Erfolg seines Eintritts in die literarische Oeffentlichkeit war
nicht eben ermuthigend, aber die Bahn war gebrochen; das kleine, nur einige
vierzig Seiten enthaltende Werkchen hatte zwar wenig Beifall gefunden, aber
weithin Sensation erregt, ebenso durch die Eigenthümlichkeit der Ansichten,
als der Darstellung und Ausdrucksweise.

Aber auch die Aufmerksamkeit und Anerkennung fernlebender Menschen
wurde ihm noch während seines Aufenthaltes in Gollub zu Theil; denn,


Grenzboten I. 1871. 128
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0497" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/126279"/>
        </div>
        <div n="1">
          <head> Jogumil Hoch.<lb/>
(Schluß.)</head><lb/>
          <p xml:id="ID_1551"> Habe ich früher gesagt, daß Goltz seine Borbereitungen zu höhern wissen¬<lb/>
schaftlichen Studien hier getroffen hat, fo kann der Thorner mit noch weit<lb/>
mehr berechtigtem Stolze hervorheben, daß auch seine schriftstellerische Thätig¬<lb/>
keit hier ihren Anfang nahm. Nicht nur, daß zwei oder drei der einzelnen<lb/>
Aufsätze, die sein Buch der Kindheit umfaßt, zuerst in einer hier unternommenen<lb/>
Zeitschrift, von der freilich nur wenige Nummern erschienen, abgedruckt wur¬<lb/>
den, auch die erste, von ihm verfaßte besondere Schrift ist in Thorrs Mauern<lb/>
geschrieben.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1552"> Kurz bevor Goltz zu einem der erwähnten Besuche nach Thorn kam, war<lb/>
der erste Brief von Johannes Norge gegen den Bischof Arnoldi und den<lb/>
heiligen Rock von Trier erschienen; bald nachher stand in allen Zeitungen<lb/>
ein zweiter Brief Ronges gegen Arnoldi zu lesen. Fast ohne Ausnahme<lb/>
riefen von allen Seiten von Freisinnigkeit erfüllte Protestanten, und auch<lb/>
Katholiken, dem neuen Hütten ihren Beifall zu, nicht aber Goltz, &#x2014; die Ge¬<lb/>
sinnung, aus der ein Angriff auf Dinge hervorging, die Millionen heilig<lb/>
sind und einen, wenn auch auf Wahn beruhenden, Trost gewähren, widerte<lb/>
ihn an; die Anmaßung prahlender, und nicht einmal eigner, sondern alten<lb/>
Römeranekdoten entnommener Phrasen erregte seinen Unwillen, dem er Luft<lb/>
machte indem er an meinem Arbeitstisch die 1845 in Leipzig gedruckte Broschüre,<lb/>
&#x201E;Der heilige Rock und der Brief des Herrn Johannes Ronge," in<lb/>
wenigen Tagen schrieb.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1553"> Die kleine Schrift machte Aufsehn und erregte namentlich in Thorn viel<lb/>
abfällige Urtheile gegen den Verfasser, ja sogar eine weitere literarische Fehde;<lb/>
denn nicht bloß die protestantischen Lichtfreunde, sondern auch ein hiesiger<lb/>
katholischer Geistlicher erhoben sich gegen Goltz; der Pfarrer und Dekan Hunt<lb/>
erließ eine heftige Entgegnung Wider den Urheber, dessen sich dann der da¬<lb/>
mals hier lebende, mit Goltz befreundete Graf Wartensleben annahm, und in<lb/>
einer dritten Flugschrift wider den katholischen Gegner von Goltz auftrat.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1554"> Der erste Erfolg seines Eintritts in die literarische Oeffentlichkeit war<lb/>
nicht eben ermuthigend, aber die Bahn war gebrochen; das kleine, nur einige<lb/>
vierzig Seiten enthaltende Werkchen hatte zwar wenig Beifall gefunden, aber<lb/>
weithin Sensation erregt, ebenso durch die Eigenthümlichkeit der Ansichten,<lb/>
als der Darstellung und Ausdrucksweise.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1555" next="#ID_1556"> Aber auch die Aufmerksamkeit und Anerkennung fernlebender Menschen<lb/>
wurde ihm noch während seines Aufenthaltes in Gollub zu Theil; denn,</p><lb/>
          <fw type="sig" place="bottom"> Grenzboten I. 1871. 128</fw><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0497] Jogumil Hoch. (Schluß.) Habe ich früher gesagt, daß Goltz seine Borbereitungen zu höhern wissen¬ schaftlichen Studien hier getroffen hat, fo kann der Thorner mit noch weit mehr berechtigtem Stolze hervorheben, daß auch seine schriftstellerische Thätig¬ keit hier ihren Anfang nahm. Nicht nur, daß zwei oder drei der einzelnen Aufsätze, die sein Buch der Kindheit umfaßt, zuerst in einer hier unternommenen Zeitschrift, von der freilich nur wenige Nummern erschienen, abgedruckt wur¬ den, auch die erste, von ihm verfaßte besondere Schrift ist in Thorrs Mauern geschrieben. Kurz bevor Goltz zu einem der erwähnten Besuche nach Thorn kam, war der erste Brief von Johannes Norge gegen den Bischof Arnoldi und den heiligen Rock von Trier erschienen; bald nachher stand in allen Zeitungen ein zweiter Brief Ronges gegen Arnoldi zu lesen. Fast ohne Ausnahme riefen von allen Seiten von Freisinnigkeit erfüllte Protestanten, und auch Katholiken, dem neuen Hütten ihren Beifall zu, nicht aber Goltz, — die Ge¬ sinnung, aus der ein Angriff auf Dinge hervorging, die Millionen heilig sind und einen, wenn auch auf Wahn beruhenden, Trost gewähren, widerte ihn an; die Anmaßung prahlender, und nicht einmal eigner, sondern alten Römeranekdoten entnommener Phrasen erregte seinen Unwillen, dem er Luft machte indem er an meinem Arbeitstisch die 1845 in Leipzig gedruckte Broschüre, „Der heilige Rock und der Brief des Herrn Johannes Ronge," in wenigen Tagen schrieb. Die kleine Schrift machte Aufsehn und erregte namentlich in Thorn viel abfällige Urtheile gegen den Verfasser, ja sogar eine weitere literarische Fehde; denn nicht bloß die protestantischen Lichtfreunde, sondern auch ein hiesiger katholischer Geistlicher erhoben sich gegen Goltz; der Pfarrer und Dekan Hunt erließ eine heftige Entgegnung Wider den Urheber, dessen sich dann der da¬ mals hier lebende, mit Goltz befreundete Graf Wartensleben annahm, und in einer dritten Flugschrift wider den katholischen Gegner von Goltz auftrat. Der erste Erfolg seines Eintritts in die literarische Oeffentlichkeit war nicht eben ermuthigend, aber die Bahn war gebrochen; das kleine, nur einige vierzig Seiten enthaltende Werkchen hatte zwar wenig Beifall gefunden, aber weithin Sensation erregt, ebenso durch die Eigenthümlichkeit der Ansichten, als der Darstellung und Ausdrucksweise. Aber auch die Aufmerksamkeit und Anerkennung fernlebender Menschen wurde ihm noch während seines Aufenthaltes in Gollub zu Theil; denn, Grenzboten I. 1871. 128

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341813_125781
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341813_125781/497
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 30, 1871, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341813_125781/497>, abgerufen am 30.04.2024.