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Die Grenzboten. Jg. 30, 1871, I. Semester. II. Band.

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hatte. Der Conflict wird in der nächsten Session schärfer und für die Par¬
--o -- -- teibildung bestimmender hervortreten.




Vom deutschen Aeichstag.

So liegt denn die erste Session des ersten deutschen Reichstages hinter
uns. Der Streitpunkt, der über eine in das Militärpensionsgesetz vom Reichs¬
tag aufgenommene Bestimmung sich schon zu erheben schien, ist durch Nach¬
giebigkeit der Reichsregierung wieder verschwunden. Dagegen hat der Reichs¬
tag seinerseits die vier zur Dotation verdienter Heerführer und Staatsmänner
bestimmten Millionen dem Kaiser mit großer Mehrheit zur Verfügung ge¬
stellt. Die Neichsregierung ihrerseits hat außerdem vier Millionen zur Unter¬
stützung der in ihrem Erwerb gestörten Wehrmänner vom Reichstag verlangt
und erhalten, und damit die Absicht des Bunsen'schen Antrages, welchen der
Reichstag sich angeeignet hatte, dem Inhalt nach zur Erfüllung gebracht.
In der Form waltet allerdings ein erheblicher Unterschied ob gegen den
Bunsen'schen Antrag, ein Unterschied jedoch, der nur als eine Verbesserung
zu betrachten ist. Bunsen hatte verlangt, das Reich solle eine Darlehns-
kassenverwaltung einrichten. Der nunmehr zum Reichsgesetz gewordene Antrag
des Bundesrathes dagegen gibt dem Bundesrath die Vollmacht, von demje¬
nigen Theil der französischen Kriegsentschädigung, welcher eines Tages den
Einzelstaaten zufallen soll, jetzt bereits vier Millionen Thaler unter die Bundes¬
regierungen zu vertheilen, damit diese unter Verantwortlichkeit vor ihren be¬
züglichen Landesvertretungen von dem für die Einzelstaaten erworbenen Gute
nach Befinden den Gebrauch machen, ihre durch Erfüllung der Wehrpflicht im
Erwerb gestörten Bürger aus dem jeder Regierung angemessen erscheinenden
Wege zu unterstützen.

Gewiß hat die Reichsregierung wohl gethan, daß sie das Pensionsgesetz
nicht zurückzog, ungeachtet der unzweckmäßigen Bestimmung, daß die Inva¬
liden über den Grund der Erwerbsunfähigkeit und damit über die ihnen ge¬
bührende Pensionsklasse bei den Gerichtshöfen des Privatrechts klagbar zu
werden in den Stand gesetzt worden. Denn daraus entstehen nur überflüs¬
sige Processe, willkürliche, weil Einzelfalle außer Zusammenhang treffende
Entscheidungen und schließlich Schädigung des sachlich competenten Verfahrens.
Aber es ist eine Folge des parlamentarischen Lebens, daß Lieblingsmeinungen


hatte. Der Conflict wird in der nächsten Session schärfer und für die Par¬
—o — — teibildung bestimmender hervortreten.




Vom deutschen Aeichstag.

So liegt denn die erste Session des ersten deutschen Reichstages hinter
uns. Der Streitpunkt, der über eine in das Militärpensionsgesetz vom Reichs¬
tag aufgenommene Bestimmung sich schon zu erheben schien, ist durch Nach¬
giebigkeit der Reichsregierung wieder verschwunden. Dagegen hat der Reichs¬
tag seinerseits die vier zur Dotation verdienter Heerführer und Staatsmänner
bestimmten Millionen dem Kaiser mit großer Mehrheit zur Verfügung ge¬
stellt. Die Neichsregierung ihrerseits hat außerdem vier Millionen zur Unter¬
stützung der in ihrem Erwerb gestörten Wehrmänner vom Reichstag verlangt
und erhalten, und damit die Absicht des Bunsen'schen Antrages, welchen der
Reichstag sich angeeignet hatte, dem Inhalt nach zur Erfüllung gebracht.
In der Form waltet allerdings ein erheblicher Unterschied ob gegen den
Bunsen'schen Antrag, ein Unterschied jedoch, der nur als eine Verbesserung
zu betrachten ist. Bunsen hatte verlangt, das Reich solle eine Darlehns-
kassenverwaltung einrichten. Der nunmehr zum Reichsgesetz gewordene Antrag
des Bundesrathes dagegen gibt dem Bundesrath die Vollmacht, von demje¬
nigen Theil der französischen Kriegsentschädigung, welcher eines Tages den
Einzelstaaten zufallen soll, jetzt bereits vier Millionen Thaler unter die Bundes¬
regierungen zu vertheilen, damit diese unter Verantwortlichkeit vor ihren be¬
züglichen Landesvertretungen von dem für die Einzelstaaten erworbenen Gute
nach Befinden den Gebrauch machen, ihre durch Erfüllung der Wehrpflicht im
Erwerb gestörten Bürger aus dem jeder Regierung angemessen erscheinenden
Wege zu unterstützen.

Gewiß hat die Reichsregierung wohl gethan, daß sie das Pensionsgesetz
nicht zurückzog, ungeachtet der unzweckmäßigen Bestimmung, daß die Inva¬
liden über den Grund der Erwerbsunfähigkeit und damit über die ihnen ge¬
bührende Pensionsklasse bei den Gerichtshöfen des Privatrechts klagbar zu
werden in den Stand gesetzt worden. Denn daraus entstehen nur überflüs¬
sige Processe, willkürliche, weil Einzelfalle außer Zusammenhang treffende
Entscheidungen und schließlich Schädigung des sachlich competenten Verfahrens.
Aber es ist eine Folge des parlamentarischen Lebens, daß Lieblingsmeinungen


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[0522] hatte. Der Conflict wird in der nächsten Session schärfer und für die Par¬ —o — — teibildung bestimmender hervortreten. Vom deutschen Aeichstag. So liegt denn die erste Session des ersten deutschen Reichstages hinter uns. Der Streitpunkt, der über eine in das Militärpensionsgesetz vom Reichs¬ tag aufgenommene Bestimmung sich schon zu erheben schien, ist durch Nach¬ giebigkeit der Reichsregierung wieder verschwunden. Dagegen hat der Reichs¬ tag seinerseits die vier zur Dotation verdienter Heerführer und Staatsmänner bestimmten Millionen dem Kaiser mit großer Mehrheit zur Verfügung ge¬ stellt. Die Neichsregierung ihrerseits hat außerdem vier Millionen zur Unter¬ stützung der in ihrem Erwerb gestörten Wehrmänner vom Reichstag verlangt und erhalten, und damit die Absicht des Bunsen'schen Antrages, welchen der Reichstag sich angeeignet hatte, dem Inhalt nach zur Erfüllung gebracht. In der Form waltet allerdings ein erheblicher Unterschied ob gegen den Bunsen'schen Antrag, ein Unterschied jedoch, der nur als eine Verbesserung zu betrachten ist. Bunsen hatte verlangt, das Reich solle eine Darlehns- kassenverwaltung einrichten. Der nunmehr zum Reichsgesetz gewordene Antrag des Bundesrathes dagegen gibt dem Bundesrath die Vollmacht, von demje¬ nigen Theil der französischen Kriegsentschädigung, welcher eines Tages den Einzelstaaten zufallen soll, jetzt bereits vier Millionen Thaler unter die Bundes¬ regierungen zu vertheilen, damit diese unter Verantwortlichkeit vor ihren be¬ züglichen Landesvertretungen von dem für die Einzelstaaten erworbenen Gute nach Befinden den Gebrauch machen, ihre durch Erfüllung der Wehrpflicht im Erwerb gestörten Bürger aus dem jeder Regierung angemessen erscheinenden Wege zu unterstützen. Gewiß hat die Reichsregierung wohl gethan, daß sie das Pensionsgesetz nicht zurückzog, ungeachtet der unzweckmäßigen Bestimmung, daß die Inva¬ liden über den Grund der Erwerbsunfähigkeit und damit über die ihnen ge¬ bührende Pensionsklasse bei den Gerichtshöfen des Privatrechts klagbar zu werden in den Stand gesetzt worden. Denn daraus entstehen nur überflüs¬ sige Processe, willkürliche, weil Einzelfalle außer Zusammenhang treffende Entscheidungen und schließlich Schädigung des sachlich competenten Verfahrens. Aber es ist eine Folge des parlamentarischen Lebens, daß Lieblingsmeinungen

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 30, 1871, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341813_125781/522>, abgerufen am 30.04.2024.