Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 30, 1871, I. Semester. II. Band.

Bild:
<< vorherige Seite
Das deutsche Kaisertum.

In freudig gehobener Stimmung feiern wir heute das 73. Geburtsfest
unseres erhabenen Monarchen, Wilhelm des Ersten, des siebenten Königs von
Preußen, des ersten Kaisers von Deutschland. Und wenn jemals die Herzen
unseres Volkes an solchen Festtagen ihrem Fürsten warm entgegengeschlagen,
heute erfüllen uns Alle ganz besonders lebhafte Gefühle des Dankes, der
Verehrung, der Hingebung. Ist doch das eben verflossene Lebensjahr unseres
Königs ein unvergleichlich herrliches gewesen, ein unermeßlich reiches, nicht
allein für ihn selbst, weit mehr noch für fein ganzes Volk.

Großes ist in diesem Jahre durch unseren König und durch unser Volk
geschehen: einen welthistorischen Inhalt hat das 74. Lebensjahr König Wilhelms
erhalten. An einem Wendepunkte ist heute die Geschichte Deutschlands und
Europas angelangt; eine neue Entwickelung hat begonnen, deren Folgen wir
noch nicht übersehen, deren gewaltiger Anfang aber alle Welt schon mit
Staunen und Bewunderung erfüllt hat.

Im tiefsten Frieden von einem rauflustigen und friedlosen Nachbarn
plötzlich überfallen, haben wir Deutsche einen siebenmonatlichen gewaltigen
Krieg durchzukämpfen gehabt. Es ist ein Krieg gewesen, ganz wunderbarer
Art: im ganzen Verlaufe der bekannten Weltgeschichte vermag der Historiker
nur Weniges aufzufinden, das sich mit diesem Ereigniß unserer Gegenwart
vergleichen läßt, nichts das an Größe, Energie, allseitiger Leistung über¬
ragte. In diesem Kriege hat unser Volk und unser Staat seine Gesundheit
bewährt. Ungeheuere Opfer an Gut und Blut und Thatkraft sind gebracht
-- aber das Ziel, das wir endlich erreicht, ist der Opfer werth.

Wir danken die Früchte dieses Krieges dem Opfermuthe unseres Heeres,
der unerschöpflichen Leistungsfähigkeit unseres Volkes in Waffen. Wir danken
sie aber nicht minder der genialen, kühnen und sicheren, vorschauenden und
überlegender Führung im Felde gleichwie im Rathe: von seinen Rathgebern
treu und beharrlich unterstützt hat König Wilhelm unsere nationale Sache



") Festrede, gehalten im Namen der Nlbcrtus-Universität zu Königsberg am 22. März 1871.
Grenzboten I. 1871. 77
Das deutsche Kaisertum.

In freudig gehobener Stimmung feiern wir heute das 73. Geburtsfest
unseres erhabenen Monarchen, Wilhelm des Ersten, des siebenten Königs von
Preußen, des ersten Kaisers von Deutschland. Und wenn jemals die Herzen
unseres Volkes an solchen Festtagen ihrem Fürsten warm entgegengeschlagen,
heute erfüllen uns Alle ganz besonders lebhafte Gefühle des Dankes, der
Verehrung, der Hingebung. Ist doch das eben verflossene Lebensjahr unseres
Königs ein unvergleichlich herrliches gewesen, ein unermeßlich reiches, nicht
allein für ihn selbst, weit mehr noch für fein ganzes Volk.

Großes ist in diesem Jahre durch unseren König und durch unser Volk
geschehen: einen welthistorischen Inhalt hat das 74. Lebensjahr König Wilhelms
erhalten. An einem Wendepunkte ist heute die Geschichte Deutschlands und
Europas angelangt; eine neue Entwickelung hat begonnen, deren Folgen wir
noch nicht übersehen, deren gewaltiger Anfang aber alle Welt schon mit
Staunen und Bewunderung erfüllt hat.

Im tiefsten Frieden von einem rauflustigen und friedlosen Nachbarn
plötzlich überfallen, haben wir Deutsche einen siebenmonatlichen gewaltigen
Krieg durchzukämpfen gehabt. Es ist ein Krieg gewesen, ganz wunderbarer
Art: im ganzen Verlaufe der bekannten Weltgeschichte vermag der Historiker
nur Weniges aufzufinden, das sich mit diesem Ereigniß unserer Gegenwart
vergleichen läßt, nichts das an Größe, Energie, allseitiger Leistung über¬
ragte. In diesem Kriege hat unser Volk und unser Staat seine Gesundheit
bewährt. Ungeheuere Opfer an Gut und Blut und Thatkraft sind gebracht
— aber das Ziel, das wir endlich erreicht, ist der Opfer werth.

Wir danken die Früchte dieses Krieges dem Opfermuthe unseres Heeres,
der unerschöpflichen Leistungsfähigkeit unseres Volkes in Waffen. Wir danken
sie aber nicht minder der genialen, kühnen und sicheren, vorschauenden und
überlegender Führung im Felde gleichwie im Rathe: von seinen Rathgebern
treu und beharrlich unterstützt hat König Wilhelm unsere nationale Sache



») Festrede, gehalten im Namen der Nlbcrtus-Universität zu Königsberg am 22. März 1871.
Grenzboten I. 1871. 77
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div type="corrigenda" n="1">
          <pb facs="#f0089" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/125871"/>
        </div>
        <div n="1">
          <head> Das deutsche Kaisertum.</head><lb/>
          <p xml:id="ID_256"> In freudig gehobener Stimmung feiern wir heute das 73. Geburtsfest<lb/>
unseres erhabenen Monarchen, Wilhelm des Ersten, des siebenten Königs von<lb/>
Preußen, des ersten Kaisers von Deutschland. Und wenn jemals die Herzen<lb/>
unseres Volkes an solchen Festtagen ihrem Fürsten warm entgegengeschlagen,<lb/>
heute erfüllen uns Alle ganz besonders lebhafte Gefühle des Dankes, der<lb/>
Verehrung, der Hingebung. Ist doch das eben verflossene Lebensjahr unseres<lb/>
Königs ein unvergleichlich herrliches gewesen, ein unermeßlich reiches, nicht<lb/>
allein für ihn selbst, weit mehr noch für fein ganzes Volk.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_257"> Großes ist in diesem Jahre durch unseren König und durch unser Volk<lb/>
geschehen: einen welthistorischen Inhalt hat das 74. Lebensjahr König Wilhelms<lb/>
erhalten. An einem Wendepunkte ist heute die Geschichte Deutschlands und<lb/>
Europas angelangt; eine neue Entwickelung hat begonnen, deren Folgen wir<lb/>
noch nicht übersehen, deren gewaltiger Anfang aber alle Welt schon mit<lb/>
Staunen und Bewunderung erfüllt hat.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_258"> Im tiefsten Frieden von einem rauflustigen und friedlosen Nachbarn<lb/>
plötzlich überfallen, haben wir Deutsche einen siebenmonatlichen gewaltigen<lb/>
Krieg durchzukämpfen gehabt. Es ist ein Krieg gewesen, ganz wunderbarer<lb/>
Art: im ganzen Verlaufe der bekannten Weltgeschichte vermag der Historiker<lb/>
nur Weniges aufzufinden, das sich mit diesem Ereigniß unserer Gegenwart<lb/>
vergleichen läßt, nichts das an Größe, Energie, allseitiger Leistung über¬<lb/>
ragte. In diesem Kriege hat unser Volk und unser Staat seine Gesundheit<lb/>
bewährt. Ungeheuere Opfer an Gut und Blut und Thatkraft sind gebracht<lb/>
&#x2014; aber das Ziel, das wir endlich erreicht, ist der Opfer werth.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_259" next="#ID_260"> Wir danken die Früchte dieses Krieges dem Opfermuthe unseres Heeres,<lb/>
der unerschöpflichen Leistungsfähigkeit unseres Volkes in Waffen. Wir danken<lb/>
sie aber nicht minder der genialen, kühnen und sicheren, vorschauenden und<lb/>
überlegender Führung im Felde gleichwie im Rathe: von seinen Rathgebern<lb/>
treu und beharrlich unterstützt hat König Wilhelm unsere nationale Sache</p><lb/>
          <note xml:id="FID_27" place="foot"> ») Festrede, gehalten im Namen der Nlbcrtus-Universität zu Königsberg am 22. März 1871.</note><lb/>
          <fw type="sig" place="bottom"> Grenzboten I. 1871. 77</fw><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0089] Das deutsche Kaisertum. In freudig gehobener Stimmung feiern wir heute das 73. Geburtsfest unseres erhabenen Monarchen, Wilhelm des Ersten, des siebenten Königs von Preußen, des ersten Kaisers von Deutschland. Und wenn jemals die Herzen unseres Volkes an solchen Festtagen ihrem Fürsten warm entgegengeschlagen, heute erfüllen uns Alle ganz besonders lebhafte Gefühle des Dankes, der Verehrung, der Hingebung. Ist doch das eben verflossene Lebensjahr unseres Königs ein unvergleichlich herrliches gewesen, ein unermeßlich reiches, nicht allein für ihn selbst, weit mehr noch für fein ganzes Volk. Großes ist in diesem Jahre durch unseren König und durch unser Volk geschehen: einen welthistorischen Inhalt hat das 74. Lebensjahr König Wilhelms erhalten. An einem Wendepunkte ist heute die Geschichte Deutschlands und Europas angelangt; eine neue Entwickelung hat begonnen, deren Folgen wir noch nicht übersehen, deren gewaltiger Anfang aber alle Welt schon mit Staunen und Bewunderung erfüllt hat. Im tiefsten Frieden von einem rauflustigen und friedlosen Nachbarn plötzlich überfallen, haben wir Deutsche einen siebenmonatlichen gewaltigen Krieg durchzukämpfen gehabt. Es ist ein Krieg gewesen, ganz wunderbarer Art: im ganzen Verlaufe der bekannten Weltgeschichte vermag der Historiker nur Weniges aufzufinden, das sich mit diesem Ereigniß unserer Gegenwart vergleichen läßt, nichts das an Größe, Energie, allseitiger Leistung über¬ ragte. In diesem Kriege hat unser Volk und unser Staat seine Gesundheit bewährt. Ungeheuere Opfer an Gut und Blut und Thatkraft sind gebracht — aber das Ziel, das wir endlich erreicht, ist der Opfer werth. Wir danken die Früchte dieses Krieges dem Opfermuthe unseres Heeres, der unerschöpflichen Leistungsfähigkeit unseres Volkes in Waffen. Wir danken sie aber nicht minder der genialen, kühnen und sicheren, vorschauenden und überlegender Führung im Felde gleichwie im Rathe: von seinen Rathgebern treu und beharrlich unterstützt hat König Wilhelm unsere nationale Sache ») Festrede, gehalten im Namen der Nlbcrtus-Universität zu Königsberg am 22. März 1871. Grenzboten I. 1871. 77

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341813_125781
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341813_125781/89
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 30, 1871, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341813_125781/89>, abgerufen am 30.04.2024.