Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 30, 1871, II. Semester. I. Band.

Bild:
<< vorherige Seite

legenheiten selbstständig und bleibt im Besitz und Genuß der für ihre Cultus-,
Unterrichts- und Wohlthätigkeitszwecke bestimmten Anstalten, Stiftungen und
Fonds") hervorgegangen sind, einer Revision unterwerfen. Der Artikel XV
der Verfassung ist bekanntlich nur der katholischen Kirche zu Gut gekommen
und nur von dieser benützt worden. Da an eine Aenderung der Verfassung
sicher nicht gedacht wird, kann es sich nur darum handeln, die Interpretation,
welche ihm die katholische Kirche gegeben und welche die Regierung stillschwei¬
gend geduldet hat, einer Prüfung zu unterziehen -- eine langwierige und
-- o. ^V. -- wahrscheinlich ziemlich fruchtlose Aufgabe!




Die Aorness-Universität.

Auch in diesem Kriege mit Frankreich ist unser Sieg nicht zum gering¬
sten Theile ein Sieg des deutschen Schulmeisters über den französischen, wir
verdanken ihn zum guten Theil unserem überlegenen Unterrichtswesen. Künf¬
tig wird nun der linksrheinische Nachbar uns hierin nacheifern: Leon Gautier
z. B. fordert zur Gründung von zwanzig neuen Hochschulen auf, in Nancy
soll eine Universität emporblühen, die Unwissenheit in der Geographie mit
ihren militärischen Nachtheilen wird in französischen Zeitschriften gegeißelt.
Frankreich giebt sich wenigstens den Anschein, für die Tage seiner Rache an
Deutschland aus der allgemeinen Dienstpflicht und einem verbesserten Schul¬
wesen anders nachhaltige Kräfte zu erziehen als diejenigen waren, welche wir
jüngst bezwangen. Darum ist gegenwärtig eine patriotische Aufgabe für uns,
nach neuen Mitteln auszuschauen, um die Tüchtigkeit unserer Nation zu stei¬
gern. Wollten wir stehen bleiben und auf unseren Lorbeer" ruhen, wie es
der Gegner Jahre lang gethan, dann würde uns dasselbe Schicksal drohen,
das ihn so eben ereilt hat, und auch wir hätten dann unser Schicksal ver¬
dient.

So weisen wir denn heute auf einen Weg, der jüngst in den Vereinigten
Staaten kräftigen Schrittes betreten ward, um die Schätze von Bildungs¬
fähigkeit und Tüchtigkeit zu heben, die in den ärmeren Volksschichten so oft
verloren gehen. Jenseit des Oceans hat man endlich dem Grundsatz Bahn
gebrochen: daß Pflicht und Interesse der Gesellschaft die Forderung stellen, den
jungen Bürgern, welche sich auf Gymnasien oder Realschulen in hervorragen¬
dem Maße ausgezeichnet haben, die aber der Mittel ermangeln, ihre Anlagen


legenheiten selbstständig und bleibt im Besitz und Genuß der für ihre Cultus-,
Unterrichts- und Wohlthätigkeitszwecke bestimmten Anstalten, Stiftungen und
Fonds") hervorgegangen sind, einer Revision unterwerfen. Der Artikel XV
der Verfassung ist bekanntlich nur der katholischen Kirche zu Gut gekommen
und nur von dieser benützt worden. Da an eine Aenderung der Verfassung
sicher nicht gedacht wird, kann es sich nur darum handeln, die Interpretation,
welche ihm die katholische Kirche gegeben und welche die Regierung stillschwei¬
gend geduldet hat, einer Prüfung zu unterziehen — eine langwierige und
— o. ^V. — wahrscheinlich ziemlich fruchtlose Aufgabe!




Die Aorness-Universität.

Auch in diesem Kriege mit Frankreich ist unser Sieg nicht zum gering¬
sten Theile ein Sieg des deutschen Schulmeisters über den französischen, wir
verdanken ihn zum guten Theil unserem überlegenen Unterrichtswesen. Künf¬
tig wird nun der linksrheinische Nachbar uns hierin nacheifern: Leon Gautier
z. B. fordert zur Gründung von zwanzig neuen Hochschulen auf, in Nancy
soll eine Universität emporblühen, die Unwissenheit in der Geographie mit
ihren militärischen Nachtheilen wird in französischen Zeitschriften gegeißelt.
Frankreich giebt sich wenigstens den Anschein, für die Tage seiner Rache an
Deutschland aus der allgemeinen Dienstpflicht und einem verbesserten Schul¬
wesen anders nachhaltige Kräfte zu erziehen als diejenigen waren, welche wir
jüngst bezwangen. Darum ist gegenwärtig eine patriotische Aufgabe für uns,
nach neuen Mitteln auszuschauen, um die Tüchtigkeit unserer Nation zu stei¬
gern. Wollten wir stehen bleiben und auf unseren Lorbeer» ruhen, wie es
der Gegner Jahre lang gethan, dann würde uns dasselbe Schicksal drohen,
das ihn so eben ereilt hat, und auch wir hätten dann unser Schicksal ver¬
dient.

So weisen wir denn heute auf einen Weg, der jüngst in den Vereinigten
Staaten kräftigen Schrittes betreten ward, um die Schätze von Bildungs¬
fähigkeit und Tüchtigkeit zu heben, die in den ärmeren Volksschichten so oft
verloren gehen. Jenseit des Oceans hat man endlich dem Grundsatz Bahn
gebrochen: daß Pflicht und Interesse der Gesellschaft die Forderung stellen, den
jungen Bürgern, welche sich auf Gymnasien oder Realschulen in hervorragen¬
dem Maße ausgezeichnet haben, die aber der Mittel ermangeln, ihre Anlagen


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0165" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/126441"/>
          <p xml:id="ID_477" prev="#ID_476"> legenheiten selbstständig und bleibt im Besitz und Genuß der für ihre Cultus-,<lb/>
Unterrichts- und Wohlthätigkeitszwecke bestimmten Anstalten, Stiftungen und<lb/>
Fonds") hervorgegangen sind, einer Revision unterwerfen. Der Artikel XV<lb/>
der Verfassung ist bekanntlich nur der katholischen Kirche zu Gut gekommen<lb/>
und nur von dieser benützt worden. Da an eine Aenderung der Verfassung<lb/>
sicher nicht gedacht wird, kann es sich nur darum handeln, die Interpretation,<lb/>
welche ihm die katholische Kirche gegeben und welche die Regierung stillschwei¬<lb/>
gend geduldet hat, einer Prüfung zu unterziehen &#x2014; eine langwierige und<lb/><note type="byline"> &#x2014; o. ^V. &#x2014;</note> wahrscheinlich ziemlich fruchtlose Aufgabe! </p><lb/>
          <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
        </div>
        <div n="1">
          <head> Die Aorness-Universität.</head><lb/>
          <p xml:id="ID_478"> Auch in diesem Kriege mit Frankreich ist unser Sieg nicht zum gering¬<lb/>
sten Theile ein Sieg des deutschen Schulmeisters über den französischen, wir<lb/>
verdanken ihn zum guten Theil unserem überlegenen Unterrichtswesen. Künf¬<lb/>
tig wird nun der linksrheinische Nachbar uns hierin nacheifern: Leon Gautier<lb/>
z. B. fordert zur Gründung von zwanzig neuen Hochschulen auf, in Nancy<lb/>
soll eine Universität emporblühen, die Unwissenheit in der Geographie mit<lb/>
ihren militärischen Nachtheilen wird in französischen Zeitschriften gegeißelt.<lb/>
Frankreich giebt sich wenigstens den Anschein, für die Tage seiner Rache an<lb/>
Deutschland aus der allgemeinen Dienstpflicht und einem verbesserten Schul¬<lb/>
wesen anders nachhaltige Kräfte zu erziehen als diejenigen waren, welche wir<lb/>
jüngst bezwangen. Darum ist gegenwärtig eine patriotische Aufgabe für uns,<lb/>
nach neuen Mitteln auszuschauen, um die Tüchtigkeit unserer Nation zu stei¬<lb/>
gern. Wollten wir stehen bleiben und auf unseren Lorbeer» ruhen, wie es<lb/>
der Gegner Jahre lang gethan, dann würde uns dasselbe Schicksal drohen,<lb/>
das ihn so eben ereilt hat, und auch wir hätten dann unser Schicksal ver¬<lb/>
dient.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_479" next="#ID_480"> So weisen wir denn heute auf einen Weg, der jüngst in den Vereinigten<lb/>
Staaten kräftigen Schrittes betreten ward, um die Schätze von Bildungs¬<lb/>
fähigkeit und Tüchtigkeit zu heben, die in den ärmeren Volksschichten so oft<lb/>
verloren gehen. Jenseit des Oceans hat man endlich dem Grundsatz Bahn<lb/>
gebrochen: daß Pflicht und Interesse der Gesellschaft die Forderung stellen, den<lb/>
jungen Bürgern, welche sich auf Gymnasien oder Realschulen in hervorragen¬<lb/>
dem Maße ausgezeichnet haben, die aber der Mittel ermangeln, ihre Anlagen</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0165] legenheiten selbstständig und bleibt im Besitz und Genuß der für ihre Cultus-, Unterrichts- und Wohlthätigkeitszwecke bestimmten Anstalten, Stiftungen und Fonds") hervorgegangen sind, einer Revision unterwerfen. Der Artikel XV der Verfassung ist bekanntlich nur der katholischen Kirche zu Gut gekommen und nur von dieser benützt worden. Da an eine Aenderung der Verfassung sicher nicht gedacht wird, kann es sich nur darum handeln, die Interpretation, welche ihm die katholische Kirche gegeben und welche die Regierung stillschwei¬ gend geduldet hat, einer Prüfung zu unterziehen — eine langwierige und — o. ^V. — wahrscheinlich ziemlich fruchtlose Aufgabe! Die Aorness-Universität. Auch in diesem Kriege mit Frankreich ist unser Sieg nicht zum gering¬ sten Theile ein Sieg des deutschen Schulmeisters über den französischen, wir verdanken ihn zum guten Theil unserem überlegenen Unterrichtswesen. Künf¬ tig wird nun der linksrheinische Nachbar uns hierin nacheifern: Leon Gautier z. B. fordert zur Gründung von zwanzig neuen Hochschulen auf, in Nancy soll eine Universität emporblühen, die Unwissenheit in der Geographie mit ihren militärischen Nachtheilen wird in französischen Zeitschriften gegeißelt. Frankreich giebt sich wenigstens den Anschein, für die Tage seiner Rache an Deutschland aus der allgemeinen Dienstpflicht und einem verbesserten Schul¬ wesen anders nachhaltige Kräfte zu erziehen als diejenigen waren, welche wir jüngst bezwangen. Darum ist gegenwärtig eine patriotische Aufgabe für uns, nach neuen Mitteln auszuschauen, um die Tüchtigkeit unserer Nation zu stei¬ gern. Wollten wir stehen bleiben und auf unseren Lorbeer» ruhen, wie es der Gegner Jahre lang gethan, dann würde uns dasselbe Schicksal drohen, das ihn so eben ereilt hat, und auch wir hätten dann unser Schicksal ver¬ dient. So weisen wir denn heute auf einen Weg, der jüngst in den Vereinigten Staaten kräftigen Schrittes betreten ward, um die Schätze von Bildungs¬ fähigkeit und Tüchtigkeit zu heben, die in den ärmeren Volksschichten so oft verloren gehen. Jenseit des Oceans hat man endlich dem Grundsatz Bahn gebrochen: daß Pflicht und Interesse der Gesellschaft die Forderung stellen, den jungen Bürgern, welche sich auf Gymnasien oder Realschulen in hervorragen¬ dem Maße ausgezeichnet haben, die aber der Mittel ermangeln, ihre Anlagen

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341813_126315
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341813_126315/165
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 30, 1871, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341813_126315/165>, abgerufen am 01.05.2024.