Die Grenzboten. Jg. 30, 1871, II. Semester. I. Band.Lujo Arentano. Zur Geschichte der englischen Gewerkvereine. Leipzig, Duncker und Humblot, 1871. Es gibt wenig Wissenschaften, die seit Beginn des Jahrhunderts so we¬ Wozu diese Bemerkungen da, wo wir uns anschicken, eine Schrift zu Lujo Arentano. Zur Geschichte der englischen Gewerkvereine. Leipzig, Duncker und Humblot, 1871. Es gibt wenig Wissenschaften, die seit Beginn des Jahrhunderts so we¬ Wozu diese Bemerkungen da, wo wir uns anschicken, eine Schrift zu <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0308" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/126584"/> </div> <div n="1"> <head> Lujo Arentano.<lb/> Zur Geschichte der englischen Gewerkvereine.</head><lb/> <p xml:id="ID_944"> Leipzig, Duncker und Humblot, 1871.</p><lb/> <p xml:id="ID_945"> Es gibt wenig Wissenschaften, die seit Beginn des Jahrhunderts so we¬<lb/> nig unbestreitbare und unbestrittene Wahrheiten zu Tage gefördert, so wenig<lb/> epochemachende Fortschritte zu verzeichnen gehabt haben, wie die Wirthschafts¬<lb/> lehre. Solche Zeiten des Stillstandes pflegen immer besonders reich an un¬<lb/> fruchtbaren Schulstreitigkeiten zu sein. Die Zahl der über den Streit erha¬<lb/> benen und zugleich schöpferischen Geister ist gering und die Kräfte der Anderen<lb/> werden nicht/genügend durch die Verarbeitung neuentdeckter großer Wahr¬<lb/> heiten in Anspruch genommen; ihr Tummelplatz''ist der Schulstreit — oft<lb/> genug ein Streit um des Kaisers Bart. Nach zweierlei Richtungen sehen<lb/> wir — der kleineren Geplänkel um einzelne „Grundbegriffe" zu geschweigen —<lb/> die Parteien sich spalten. Einmal streitet man über die Methode der For¬<lb/> schung und über die Aufgabe der Wissenschaft und dann, auf dem Gebiete<lb/> der angewandten Theorie, streitet man über die Berechtigung gewisser leiten¬<lb/> der Maximen. Ob die Aufgabe der Wissenschaft in der Auffindung soge¬<lb/> nannter wirthschaftlicher Naturgesetze, die ewig unwandelbar und überall die<lb/> gleichen, oder in der systematischen Darstellung der Entwickelung und des<lb/> Wesens der wirthschaftlichen Erscheinungen zu verschiedenen Zeiten, an ver¬<lb/> schiedenen Orten bestehe, ob die inductive oder die deductive Methode dem<lb/> Ziele, der Wahrheit, sicherer zuführe — darum streitet man in dem einen<lb/> Lager; das andere beschäftigt die große Streitfrage, ob das Wirthschaftsleben<lb/> sich glücklicher gestalte, wenn die Staatsgewalt ihm ganz freie Bahn lasse,<lb/> oder wenn sie es nach ihren — und nach welchen? — Grundsätzen regete,<lb/> hier eindämmend, dort fördernd, hier organisirend, dort bestehende Organi¬<lb/> sationen überwachend oder beseitigend. Und auch in diesem Lager stehen sich<lb/> noch außerdem die Vertreter der allgemein gültigen Doctrin und die der<lb/> adaptirenden Mannigfaltigkeit gegenüber.</p><lb/> <p xml:id="ID_946" next="#ID_947"> Wozu diese Bemerkungen da, wo wir uns anschicken, eine Schrift zu<lb/> würdigen, die auf den ersten Blick mit jenen Schulstreitigkeiten nicht das<lb/> Mindeste zu schaffen hat? Diese Schrift enthält nur schwache Andeutungen<lb/> über die Stellung, welche der Verf. in den Streitigkeiten beider Richtungen<lb/> einnimmt; aber sie enthält solche Andeutungen. Ja wir werden uns kaum<lb/> täuschen, wenn wir annehmen, daß der Verfasser unter Anderem zu der Ar¬<lb/> beit geleitet ward durch das Bestreben, seine Begeisterung los zu werden „für<lb/> eine Lehre, nach der ohne alles weitere Zuthun bei dem bloßen Waltenlassen</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0308]
Lujo Arentano.
Zur Geschichte der englischen Gewerkvereine.
Leipzig, Duncker und Humblot, 1871.
Es gibt wenig Wissenschaften, die seit Beginn des Jahrhunderts so we¬
nig unbestreitbare und unbestrittene Wahrheiten zu Tage gefördert, so wenig
epochemachende Fortschritte zu verzeichnen gehabt haben, wie die Wirthschafts¬
lehre. Solche Zeiten des Stillstandes pflegen immer besonders reich an un¬
fruchtbaren Schulstreitigkeiten zu sein. Die Zahl der über den Streit erha¬
benen und zugleich schöpferischen Geister ist gering und die Kräfte der Anderen
werden nicht/genügend durch die Verarbeitung neuentdeckter großer Wahr¬
heiten in Anspruch genommen; ihr Tummelplatz''ist der Schulstreit — oft
genug ein Streit um des Kaisers Bart. Nach zweierlei Richtungen sehen
wir — der kleineren Geplänkel um einzelne „Grundbegriffe" zu geschweigen —
die Parteien sich spalten. Einmal streitet man über die Methode der For¬
schung und über die Aufgabe der Wissenschaft und dann, auf dem Gebiete
der angewandten Theorie, streitet man über die Berechtigung gewisser leiten¬
der Maximen. Ob die Aufgabe der Wissenschaft in der Auffindung soge¬
nannter wirthschaftlicher Naturgesetze, die ewig unwandelbar und überall die
gleichen, oder in der systematischen Darstellung der Entwickelung und des
Wesens der wirthschaftlichen Erscheinungen zu verschiedenen Zeiten, an ver¬
schiedenen Orten bestehe, ob die inductive oder die deductive Methode dem
Ziele, der Wahrheit, sicherer zuführe — darum streitet man in dem einen
Lager; das andere beschäftigt die große Streitfrage, ob das Wirthschaftsleben
sich glücklicher gestalte, wenn die Staatsgewalt ihm ganz freie Bahn lasse,
oder wenn sie es nach ihren — und nach welchen? — Grundsätzen regete,
hier eindämmend, dort fördernd, hier organisirend, dort bestehende Organi¬
sationen überwachend oder beseitigend. Und auch in diesem Lager stehen sich
noch außerdem die Vertreter der allgemein gültigen Doctrin und die der
adaptirenden Mannigfaltigkeit gegenüber.
Wozu diese Bemerkungen da, wo wir uns anschicken, eine Schrift zu
würdigen, die auf den ersten Blick mit jenen Schulstreitigkeiten nicht das
Mindeste zu schaffen hat? Diese Schrift enthält nur schwache Andeutungen
über die Stellung, welche der Verf. in den Streitigkeiten beider Richtungen
einnimmt; aber sie enthält solche Andeutungen. Ja wir werden uns kaum
täuschen, wenn wir annehmen, daß der Verfasser unter Anderem zu der Ar¬
beit geleitet ward durch das Bestreben, seine Begeisterung los zu werden „für
eine Lehre, nach der ohne alles weitere Zuthun bei dem bloßen Waltenlassen
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