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Die Grenzboten. Jg. 30, 1871, II. Semester. I. Band.

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<Lin deutsches Aeichsgesetz user die "Fresse.

Schneller als man erwartet hatte, wird die durch die Anschlußverträge
mit den Südstaaten in die deutsche Reichsverfassung gekommene Bestimmung
wegen einer Reichsgesetzgebung über die Presse zur Verwirklichung gelangen.
Dem Antrage des Reichstags auf Erlaß eines Neichsvreßgesetzes will, wie
zuverlässig verlautet, der Bundesrath im Sinne des dazu gestellten Brock-
haus'schen Zusatzantrags, d> h. schon in der nächsten Session des Reichstags
im Herbst entsprechen.

Der glückliche Gegensatz zwischen den Zuständen des alten bundestäg¬
lichen Deutschlands und denen des neuen deutschen Reichs macht sich auch bei
dieser Gelegenheit recht lebhaft fühlbar. Damals war man leider gewohnt,
bet jedem Anlauf zu einer allgemeinen Bundespreßgesetzgebung immer an eine
polizeiliche Beschränkung und Ueberwachung der Presse in den Einzelstaaten
von Bundeswegen zu denken. Wie Recht man mit dieser Besorgniß hatte,
bezeugte das Bundescensurgesetz von 1819, die Ausnahmegesetze von 1832
und die damit im Zusammenhange stehende Aufhebung des freisinnigen badischen
Preßgesetzes durch den Bund, endlich der Bundesbeschluß über die Presse von
18S4. Solchen Befürchtungen dürfen wir uns jetzt nicht hingeben. Im
Gegentheil steht mit Sicherheit zu hoffen, daß die Gesetzgebung des Reichs
auf diesem Gebiete ebenso befreiend, erweiternd, zeitgemäße Fortschritte an¬
bahnend oder durchführend vorgehen werde, wie sie dies auf andern Gebieten,
durch die Gewerbeordnung, das Strafgesetzbuch u. s. w. gethan hat.

Diese Hoffnung erhält verdoppelte Nahrung durch das, was man über
die Intentionen des Bundesrathes in Bezug auf das Preßgesetz hört. Der
Bundesrath, heißt es, würde gern aus den Kreisen der Betheiligten selbst, der
Schriftsteller, Buchhändler, Buchdrucker u. s. w. Gutachten, Wünsche, Bor¬
schläge in Bezug auf das zu entwerfende Preßgesetz entgegen nehmen. Ein
solches Gutachten liegt nun bereits der Oeffentlichkeit vor, zur Zeit allerdings
eine bloße Privatarbeit, aber von Einem, der eine lange und vielseitige pu-
blicistische Erfahrung hinter sich hat und daher wohl als sachkundig gelten
kann. Es ist ein Referat, welches in der auf den 9.--11. d. nach Breslau
anberaumten diesjährigen Versammlung des deutschen Journalistentags der
Redacteur der D. A. Z., Reichstagsabgeordneter Prof. Biedermann in Leipzig
erstatten soll, und welches der Ausschuß des Journalistentages im voraus als
Unterlage für die Berathungen hat drucken lassen. Biedermann war beim
letzten sächsischen Landtage (1869/70) Referent über das neue sächsische Pre߬
gesetz in der II. Kammer und seinen Anstrengungen ist damals gelungen,
manche Verbesserungen des Regierungsentwurfs durchzusetzen.


<Lin deutsches Aeichsgesetz user die "Fresse.

Schneller als man erwartet hatte, wird die durch die Anschlußverträge
mit den Südstaaten in die deutsche Reichsverfassung gekommene Bestimmung
wegen einer Reichsgesetzgebung über die Presse zur Verwirklichung gelangen.
Dem Antrage des Reichstags auf Erlaß eines Neichsvreßgesetzes will, wie
zuverlässig verlautet, der Bundesrath im Sinne des dazu gestellten Brock-
haus'schen Zusatzantrags, d> h. schon in der nächsten Session des Reichstags
im Herbst entsprechen.

Der glückliche Gegensatz zwischen den Zuständen des alten bundestäg¬
lichen Deutschlands und denen des neuen deutschen Reichs macht sich auch bei
dieser Gelegenheit recht lebhaft fühlbar. Damals war man leider gewohnt,
bet jedem Anlauf zu einer allgemeinen Bundespreßgesetzgebung immer an eine
polizeiliche Beschränkung und Ueberwachung der Presse in den Einzelstaaten
von Bundeswegen zu denken. Wie Recht man mit dieser Besorgniß hatte,
bezeugte das Bundescensurgesetz von 1819, die Ausnahmegesetze von 1832
und die damit im Zusammenhange stehende Aufhebung des freisinnigen badischen
Preßgesetzes durch den Bund, endlich der Bundesbeschluß über die Presse von
18S4. Solchen Befürchtungen dürfen wir uns jetzt nicht hingeben. Im
Gegentheil steht mit Sicherheit zu hoffen, daß die Gesetzgebung des Reichs
auf diesem Gebiete ebenso befreiend, erweiternd, zeitgemäße Fortschritte an¬
bahnend oder durchführend vorgehen werde, wie sie dies auf andern Gebieten,
durch die Gewerbeordnung, das Strafgesetzbuch u. s. w. gethan hat.

Diese Hoffnung erhält verdoppelte Nahrung durch das, was man über
die Intentionen des Bundesrathes in Bezug auf das Preßgesetz hört. Der
Bundesrath, heißt es, würde gern aus den Kreisen der Betheiligten selbst, der
Schriftsteller, Buchhändler, Buchdrucker u. s. w. Gutachten, Wünsche, Bor¬
schläge in Bezug auf das zu entwerfende Preßgesetz entgegen nehmen. Ein
solches Gutachten liegt nun bereits der Oeffentlichkeit vor, zur Zeit allerdings
eine bloße Privatarbeit, aber von Einem, der eine lange und vielseitige pu-
blicistische Erfahrung hinter sich hat und daher wohl als sachkundig gelten
kann. Es ist ein Referat, welches in der auf den 9.—11. d. nach Breslau
anberaumten diesjährigen Versammlung des deutschen Journalistentags der
Redacteur der D. A. Z., Reichstagsabgeordneter Prof. Biedermann in Leipzig
erstatten soll, und welches der Ausschuß des Journalistentages im voraus als
Unterlage für die Berathungen hat drucken lassen. Biedermann war beim
letzten sächsischen Landtage (1869/70) Referent über das neue sächsische Pre߬
gesetz in der II. Kammer und seinen Anstrengungen ist damals gelungen,
manche Verbesserungen des Regierungsentwurfs durchzusetzen.


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 30, 1871, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341813_126315/75>, abgerufen am 02.05.2024.