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Die Grenzboten. Jg. 30, 1871, II. Semester. II. Band.

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Jeroimno der Katholische.
Von Wilhelm Maurenbrecher.
I.

Die Geschichte Spaniens im Mittelalter ist von dem Gegensatz der alten
eingesessener christlichen Landesbewohner gegen die eingedrungenen Araber
islamitischen Bekenntnisses beherrscht. Das ganze Leben der spanischen Nation
wird auf allen Gebieten durch diesen. Streit erfüllt, der beides Nacenkampf,
und Religionskrieg, bedeutet. Im 8. Jahrhundert unserer Zeitrechnung er-
gossen sich die Fluthen des arabischen Völkerstromes tief in die pyrenäische
Halbinsel hinein: bis in die nördlichsten Gebirge wurden die Trümmer des
gothischen Reiches zurückgeworfen; und erst von diesen äußersten Zufluchts¬
stätten aus begannen die Nachkommen der Gothen sich Stück für Stück von
dem islamitischen Herrschaftsgebiete zurückzuerobern. Christliche Könige und
christliche Kriegerschaaren rangen sieben Jahrhunderte lang mit den Mauren
um den Besitz dieses herrlichen Landes: oft siegreich, oft zurückgeworfen, ein¬
mal einen mächtigen Schritt vorwärts, um dann wieder das Eroberte fahren
zu lassen, jedesmal aber in erneuertem Aufschwünge vorwärts, -- durch glän¬
zende Siege und tragische Niederlagen, durch Erhebungen und Unfälle hin¬
durch : so ist ihnen endlich gelungen, dem Islam den größten Theil der Halb¬
insel wieder abzugewinnen. Aber wen will es wundern, daß ein solcher
Kampf siebenhundertjähriger Dauer auf den Charakter und die Geschicke der
spanischen Nation bleibende Eindrücke hinterlassen?

Es ist leicht zu verstehen, wie ein heißblütiges Volk, das unausgesetzt für
Haus und Heerd und Glauben zu kämpfen sich gewöhnt hat, nach und nach
in fanatischem Kriegseifer sich berauscht. Man hatte gelernt, Krieg und
Abenteuer aufzusuchen, allein in militärischen Erfolgen die Ehre des Ein¬
zelnen zu sehen: ein Leben voll Gefahren, voll unruhiger Aufregung und
romantischer Ritterlichkeit war für den Spanier allein anziehend geblieben:
an bürgerlicher, ruhiger und stätiger Arbeit fand er wenig Gefallen. Aber
damit verband sich nun auch sofort eine andere Seite seines Charakters, die
ebenso durch die Geschichte des spanischen Mittelalters ihre volle Ausbildung


Grmzlwten II, 1871. 8et
Jeroimno der Katholische.
Von Wilhelm Maurenbrecher.
I.

Die Geschichte Spaniens im Mittelalter ist von dem Gegensatz der alten
eingesessener christlichen Landesbewohner gegen die eingedrungenen Araber
islamitischen Bekenntnisses beherrscht. Das ganze Leben der spanischen Nation
wird auf allen Gebieten durch diesen. Streit erfüllt, der beides Nacenkampf,
und Religionskrieg, bedeutet. Im 8. Jahrhundert unserer Zeitrechnung er-
gossen sich die Fluthen des arabischen Völkerstromes tief in die pyrenäische
Halbinsel hinein: bis in die nördlichsten Gebirge wurden die Trümmer des
gothischen Reiches zurückgeworfen; und erst von diesen äußersten Zufluchts¬
stätten aus begannen die Nachkommen der Gothen sich Stück für Stück von
dem islamitischen Herrschaftsgebiete zurückzuerobern. Christliche Könige und
christliche Kriegerschaaren rangen sieben Jahrhunderte lang mit den Mauren
um den Besitz dieses herrlichen Landes: oft siegreich, oft zurückgeworfen, ein¬
mal einen mächtigen Schritt vorwärts, um dann wieder das Eroberte fahren
zu lassen, jedesmal aber in erneuertem Aufschwünge vorwärts, — durch glän¬
zende Siege und tragische Niederlagen, durch Erhebungen und Unfälle hin¬
durch : so ist ihnen endlich gelungen, dem Islam den größten Theil der Halb¬
insel wieder abzugewinnen. Aber wen will es wundern, daß ein solcher
Kampf siebenhundertjähriger Dauer auf den Charakter und die Geschicke der
spanischen Nation bleibende Eindrücke hinterlassen?

Es ist leicht zu verstehen, wie ein heißblütiges Volk, das unausgesetzt für
Haus und Heerd und Glauben zu kämpfen sich gewöhnt hat, nach und nach
in fanatischem Kriegseifer sich berauscht. Man hatte gelernt, Krieg und
Abenteuer aufzusuchen, allein in militärischen Erfolgen die Ehre des Ein¬
zelnen zu sehen: ein Leben voll Gefahren, voll unruhiger Aufregung und
romantischer Ritterlichkeit war für den Spanier allein anziehend geblieben:
an bürgerlicher, ruhiger und stätiger Arbeit fand er wenig Gefallen. Aber
damit verband sich nun auch sofort eine andere Seite seines Charakters, die
ebenso durch die Geschichte des spanischen Mittelalters ihre volle Ausbildung


Grmzlwten II, 1871. 8et
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[0129] Jeroimno der Katholische. Von Wilhelm Maurenbrecher. I. Die Geschichte Spaniens im Mittelalter ist von dem Gegensatz der alten eingesessener christlichen Landesbewohner gegen die eingedrungenen Araber islamitischen Bekenntnisses beherrscht. Das ganze Leben der spanischen Nation wird auf allen Gebieten durch diesen. Streit erfüllt, der beides Nacenkampf, und Religionskrieg, bedeutet. Im 8. Jahrhundert unserer Zeitrechnung er- gossen sich die Fluthen des arabischen Völkerstromes tief in die pyrenäische Halbinsel hinein: bis in die nördlichsten Gebirge wurden die Trümmer des gothischen Reiches zurückgeworfen; und erst von diesen äußersten Zufluchts¬ stätten aus begannen die Nachkommen der Gothen sich Stück für Stück von dem islamitischen Herrschaftsgebiete zurückzuerobern. Christliche Könige und christliche Kriegerschaaren rangen sieben Jahrhunderte lang mit den Mauren um den Besitz dieses herrlichen Landes: oft siegreich, oft zurückgeworfen, ein¬ mal einen mächtigen Schritt vorwärts, um dann wieder das Eroberte fahren zu lassen, jedesmal aber in erneuertem Aufschwünge vorwärts, — durch glän¬ zende Siege und tragische Niederlagen, durch Erhebungen und Unfälle hin¬ durch : so ist ihnen endlich gelungen, dem Islam den größten Theil der Halb¬ insel wieder abzugewinnen. Aber wen will es wundern, daß ein solcher Kampf siebenhundertjähriger Dauer auf den Charakter und die Geschicke der spanischen Nation bleibende Eindrücke hinterlassen? Es ist leicht zu verstehen, wie ein heißblütiges Volk, das unausgesetzt für Haus und Heerd und Glauben zu kämpfen sich gewöhnt hat, nach und nach in fanatischem Kriegseifer sich berauscht. Man hatte gelernt, Krieg und Abenteuer aufzusuchen, allein in militärischen Erfolgen die Ehre des Ein¬ zelnen zu sehen: ein Leben voll Gefahren, voll unruhiger Aufregung und romantischer Ritterlichkeit war für den Spanier allein anziehend geblieben: an bürgerlicher, ruhiger und stätiger Arbeit fand er wenig Gefallen. Aber damit verband sich nun auch sofort eine andere Seite seines Charakters, die ebenso durch die Geschichte des spanischen Mittelalters ihre volle Ausbildung Grmzlwten II, 1871. 8et

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 30, 1871, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341813_192299/129>, abgerufen am 08.05.2024.