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Die Grenzboten. Jg. 30, 1871, II. Semester. II. Band.

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Nachdem die zweite Sitzung dieser Woche durch Interpellationen ausge¬
füllt war, die sich auf militairisch-technisches Detail bezogen, legte der Reichs¬
kanzler am Mittwoch die Uebereinkunft zu dem Friedensverträge mit Frank¬
reich vor. Alsdann fand nur noch eine kurze Sitzung am Freitag statt, wo
als neuer Gegenstand das Rayon-Gesetz zur Berathung kam, dessen Details
(ü--r. wir übergehen dürfen.




JerKner Iriefe.

Allmälig hat sich der weite Raum' des neuen Reichstagssaales gefüllt
und ein paarmal hat derselbe schon von mächtigen Reden wiederhallt; die
Tribünenbillets sind so gesucht als je, aber den Mittelpunkt des öffentlichen
Interesses hat trotz alledem bis jetzt das Parlament nicht gebildet. In erster
Linie stand vielmehr, im Anfang der Woche wenigstens, die niederschlagende
Enthüllung, welche der Reichsanzeiger gegen Beneoetti und die Napoleonische
Politik brachte und die, von London nicht zu reden, selbst in Paris und
Brüssel als endgültig entscheidend angenommen worden ist. Nur am Main
und Neckar gibt es noch einige Unbestechliche, welche sich durch nichts, selbst
die Wahrheit nicht, bewegen lassen, dem Fürsten Bismarck Pardon zu er¬
theilen. Der Ruhm dieses Staatsmannes ist in den letzten Wochen riesen¬
groß gewachsen und er dankt dies seinem alten Gegner Benedetti, der es der
Welt erst recht klar gemacht hat, was dilatorisch heißt, ein Wort, welches
der strengste Purist nicht mehr aus dem deutschen Wörterbuche wird entfernen
wollen. Aber wozu wären Gründe, wenn es nicht Leute gäbe, die sich selbst
durch die besten nicht überzeugen ließen. In dem diplomatischen Kampf bis
auf's Messer, der seit dem vorigen Juli von den Unterlegenen gegen Bismarck
geführt worden ist, ist auch nicht der Schatten eines Beweises beigebracht
worden, daß er Frankreich jemals ein Versprechen gemacht hat. Wenn er
es gethan hätte - so würde ihn die Mitwelt und die Geschichte doch ent¬
schuldigen, aber er hat gethan, was Niemand für möglich gehalten hätte,


Nachdem die zweite Sitzung dieser Woche durch Interpellationen ausge¬
füllt war, die sich auf militairisch-technisches Detail bezogen, legte der Reichs¬
kanzler am Mittwoch die Uebereinkunft zu dem Friedensverträge mit Frank¬
reich vor. Alsdann fand nur noch eine kurze Sitzung am Freitag statt, wo
als neuer Gegenstand das Rayon-Gesetz zur Berathung kam, dessen Details
(ü—r. wir übergehen dürfen.




JerKner Iriefe.

Allmälig hat sich der weite Raum' des neuen Reichstagssaales gefüllt
und ein paarmal hat derselbe schon von mächtigen Reden wiederhallt; die
Tribünenbillets sind so gesucht als je, aber den Mittelpunkt des öffentlichen
Interesses hat trotz alledem bis jetzt das Parlament nicht gebildet. In erster
Linie stand vielmehr, im Anfang der Woche wenigstens, die niederschlagende
Enthüllung, welche der Reichsanzeiger gegen Beneoetti und die Napoleonische
Politik brachte und die, von London nicht zu reden, selbst in Paris und
Brüssel als endgültig entscheidend angenommen worden ist. Nur am Main
und Neckar gibt es noch einige Unbestechliche, welche sich durch nichts, selbst
die Wahrheit nicht, bewegen lassen, dem Fürsten Bismarck Pardon zu er¬
theilen. Der Ruhm dieses Staatsmannes ist in den letzten Wochen riesen¬
groß gewachsen und er dankt dies seinem alten Gegner Benedetti, der es der
Welt erst recht klar gemacht hat, was dilatorisch heißt, ein Wort, welches
der strengste Purist nicht mehr aus dem deutschen Wörterbuche wird entfernen
wollen. Aber wozu wären Gründe, wenn es nicht Leute gäbe, die sich selbst
durch die besten nicht überzeugen ließen. In dem diplomatischen Kampf bis
auf's Messer, der seit dem vorigen Juli von den Unterlegenen gegen Bismarck
geführt worden ist, ist auch nicht der Schatten eines Beweises beigebracht
worden, daß er Frankreich jemals ein Versprechen gemacht hat. Wenn er
es gethan hätte - so würde ihn die Mitwelt und die Geschichte doch ent¬
schuldigen, aber er hat gethan, was Niemand für möglich gehalten hätte,


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[0207] Nachdem die zweite Sitzung dieser Woche durch Interpellationen ausge¬ füllt war, die sich auf militairisch-technisches Detail bezogen, legte der Reichs¬ kanzler am Mittwoch die Uebereinkunft zu dem Friedensverträge mit Frank¬ reich vor. Alsdann fand nur noch eine kurze Sitzung am Freitag statt, wo als neuer Gegenstand das Rayon-Gesetz zur Berathung kam, dessen Details (ü—r. wir übergehen dürfen. JerKner Iriefe. Allmälig hat sich der weite Raum' des neuen Reichstagssaales gefüllt und ein paarmal hat derselbe schon von mächtigen Reden wiederhallt; die Tribünenbillets sind so gesucht als je, aber den Mittelpunkt des öffentlichen Interesses hat trotz alledem bis jetzt das Parlament nicht gebildet. In erster Linie stand vielmehr, im Anfang der Woche wenigstens, die niederschlagende Enthüllung, welche der Reichsanzeiger gegen Beneoetti und die Napoleonische Politik brachte und die, von London nicht zu reden, selbst in Paris und Brüssel als endgültig entscheidend angenommen worden ist. Nur am Main und Neckar gibt es noch einige Unbestechliche, welche sich durch nichts, selbst die Wahrheit nicht, bewegen lassen, dem Fürsten Bismarck Pardon zu er¬ theilen. Der Ruhm dieses Staatsmannes ist in den letzten Wochen riesen¬ groß gewachsen und er dankt dies seinem alten Gegner Benedetti, der es der Welt erst recht klar gemacht hat, was dilatorisch heißt, ein Wort, welches der strengste Purist nicht mehr aus dem deutschen Wörterbuche wird entfernen wollen. Aber wozu wären Gründe, wenn es nicht Leute gäbe, die sich selbst durch die besten nicht überzeugen ließen. In dem diplomatischen Kampf bis auf's Messer, der seit dem vorigen Juli von den Unterlegenen gegen Bismarck geführt worden ist, ist auch nicht der Schatten eines Beweises beigebracht worden, daß er Frankreich jemals ein Versprechen gemacht hat. Wenn er es gethan hätte - so würde ihn die Mitwelt und die Geschichte doch ent¬ schuldigen, aber er hat gethan, was Niemand für möglich gehalten hätte,

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 30, 1871, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341813_192299/207>, abgerufen am 08.05.2024.