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Die Grenzboten. Jg. 30, 1871, II. Semester. II. Band.

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Die deutschen Universitäten und die neue Universität
in Straszburg.

Alle Welt in Deutschland betrachtet als Nothwendigkeit und zugleich als
gemeinsame deutsche Ehrensache, daß so bald als möglich eine neue deutsche
Hochschule in großem Style die Neste der alten Straßburger Universität wie¬
der aufnehme, sie erweitere und ausbaue: so soll dem wiedergewonnenen deut¬
schen Grenzlande in der neuen Universität eine neue ächt deutsche Zierde ver¬
liehen werden. Die Neugründung der Universität Straßburg ist in der That
ganz zweifellos eine der wichtigsten und nothwendigsten Maßregeln, die
im neuen Reichslande vorgenommen werden müssen. Das Beispiel von
Bonn schwebt allen diesen Wünschen vor; den unendlichen Segen, den Bonn
für die preußischen Rheinlande gewirkt, ruft man mit Recht als Bürgschaft
dafür an, daß man ähnliches am Oberrhein erwarten dürfe.

Es erhebt sich die Frage, wie soll die Neugründung eingerichtet werden.
Die Antwort darauf lautet: auf dem Fuß unserer deutschen Hochschulen hat
die neue Schwesteranstalt sich einzurichten; nach den sonst erprobten Grund¬
sätzen und Principien unseres deutschen Universitätswesens verfahre mau bei
dieser Gründung. Man soll sich an das schon bewährte halten und vor Ex¬
perimenten mit neuen Dingen hüten. Selbstverständlich schließt dieser Grund¬
satz nicht aus, daß man Einzelnes bessere, daß man in Einzelheiten auf
die ausnahmsweise anders gearteten Verhältnisse im Elsaß Rücksicht nehme.
Im Großen und Ganzen aber sollen unsere deutschen Hochschulen Vorbild
für die neue sein. Sind unsere Hochschulen wirklich so beschaffen, daß man
sie als nachahmungswerthe, als Muster bezeichnen darf? Im letzten Men¬
schenalter ist viel über diese Frage verhandelt worden, Reformprojecte sind
aufgetaucht, discutirt, ueta, gelegt. Praktisches und Unpraktisches in bun¬
tester Mischung ist zu Tage gefördert. Es wäre nicht uninteressant, diese
ganze Literatur einmal zusammenzustellen und zu besprechen. Doch das ist
heute nicht unsere Absicht. Wir wollen nur auf diese Dinge flüchtig hin¬
deuten und unsererseits theoretische Spekulationen zu vermeiden suchen. Es


Grenzboten 11. 1871. 76
Die deutschen Universitäten und die neue Universität
in Straszburg.

Alle Welt in Deutschland betrachtet als Nothwendigkeit und zugleich als
gemeinsame deutsche Ehrensache, daß so bald als möglich eine neue deutsche
Hochschule in großem Style die Neste der alten Straßburger Universität wie¬
der aufnehme, sie erweitere und ausbaue: so soll dem wiedergewonnenen deut¬
schen Grenzlande in der neuen Universität eine neue ächt deutsche Zierde ver¬
liehen werden. Die Neugründung der Universität Straßburg ist in der That
ganz zweifellos eine der wichtigsten und nothwendigsten Maßregeln, die
im neuen Reichslande vorgenommen werden müssen. Das Beispiel von
Bonn schwebt allen diesen Wünschen vor; den unendlichen Segen, den Bonn
für die preußischen Rheinlande gewirkt, ruft man mit Recht als Bürgschaft
dafür an, daß man ähnliches am Oberrhein erwarten dürfe.

Es erhebt sich die Frage, wie soll die Neugründung eingerichtet werden.
Die Antwort darauf lautet: auf dem Fuß unserer deutschen Hochschulen hat
die neue Schwesteranstalt sich einzurichten; nach den sonst erprobten Grund¬
sätzen und Principien unseres deutschen Universitätswesens verfahre mau bei
dieser Gründung. Man soll sich an das schon bewährte halten und vor Ex¬
perimenten mit neuen Dingen hüten. Selbstverständlich schließt dieser Grund¬
satz nicht aus, daß man Einzelnes bessere, daß man in Einzelheiten auf
die ausnahmsweise anders gearteten Verhältnisse im Elsaß Rücksicht nehme.
Im Großen und Ganzen aber sollen unsere deutschen Hochschulen Vorbild
für die neue sein. Sind unsere Hochschulen wirklich so beschaffen, daß man
sie als nachahmungswerthe, als Muster bezeichnen darf? Im letzten Men¬
schenalter ist viel über diese Frage verhandelt worden, Reformprojecte sind
aufgetaucht, discutirt, ueta, gelegt. Praktisches und Unpraktisches in bun¬
tester Mischung ist zu Tage gefördert. Es wäre nicht uninteressant, diese
ganze Literatur einmal zusammenzustellen und zu besprechen. Doch das ist
heute nicht unsere Absicht. Wir wollen nur auf diese Dinge flüchtig hin¬
deuten und unsererseits theoretische Spekulationen zu vermeiden suchen. Es


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[0049] Die deutschen Universitäten und die neue Universität in Straszburg. Alle Welt in Deutschland betrachtet als Nothwendigkeit und zugleich als gemeinsame deutsche Ehrensache, daß so bald als möglich eine neue deutsche Hochschule in großem Style die Neste der alten Straßburger Universität wie¬ der aufnehme, sie erweitere und ausbaue: so soll dem wiedergewonnenen deut¬ schen Grenzlande in der neuen Universität eine neue ächt deutsche Zierde ver¬ liehen werden. Die Neugründung der Universität Straßburg ist in der That ganz zweifellos eine der wichtigsten und nothwendigsten Maßregeln, die im neuen Reichslande vorgenommen werden müssen. Das Beispiel von Bonn schwebt allen diesen Wünschen vor; den unendlichen Segen, den Bonn für die preußischen Rheinlande gewirkt, ruft man mit Recht als Bürgschaft dafür an, daß man ähnliches am Oberrhein erwarten dürfe. Es erhebt sich die Frage, wie soll die Neugründung eingerichtet werden. Die Antwort darauf lautet: auf dem Fuß unserer deutschen Hochschulen hat die neue Schwesteranstalt sich einzurichten; nach den sonst erprobten Grund¬ sätzen und Principien unseres deutschen Universitätswesens verfahre mau bei dieser Gründung. Man soll sich an das schon bewährte halten und vor Ex¬ perimenten mit neuen Dingen hüten. Selbstverständlich schließt dieser Grund¬ satz nicht aus, daß man Einzelnes bessere, daß man in Einzelheiten auf die ausnahmsweise anders gearteten Verhältnisse im Elsaß Rücksicht nehme. Im Großen und Ganzen aber sollen unsere deutschen Hochschulen Vorbild für die neue sein. Sind unsere Hochschulen wirklich so beschaffen, daß man sie als nachahmungswerthe, als Muster bezeichnen darf? Im letzten Men¬ schenalter ist viel über diese Frage verhandelt worden, Reformprojecte sind aufgetaucht, discutirt, ueta, gelegt. Praktisches und Unpraktisches in bun¬ tester Mischung ist zu Tage gefördert. Es wäre nicht uninteressant, diese ganze Literatur einmal zusammenzustellen und zu besprechen. Doch das ist heute nicht unsere Absicht. Wir wollen nur auf diese Dinge flüchtig hin¬ deuten und unsererseits theoretische Spekulationen zu vermeiden suchen. Es Grenzboten 11. 1871. 76

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 30, 1871, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341813_192299/49>, abgerufen am 08.05.2024.