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Die Grenzboten. Jg. 31, 1872, I. Semester. I. Band.

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Jesuiten protegirten päpstlichen Unfehlbarkeit herbeigeführt hat, im Interesse
des Staates dringend nothwendig ist, und wir unterschreiben vollständig, was
unsere Schrift gegen den Schluß hin sagt:

"Mit Temporisiren und halben Maßregeln ist einem entschiedenen Gegner
gegenüber, welcher sein Ziel stets fest und unverrückt im Auge hat, nichts ge¬
wonnen. Nur eine energische und mit starker Hand eingreifende Politik, welche
unbeirrt durch hergebrachte Rücksichten und Anschauungen die Rechte des
Staats zu wahren sucht, indem sie die katholische Kirche auf das ihr allein
gehörige Gebiet verweist und dadurch die Conflicte zwischen ihr und den Re¬
gierungen vermeidet, kann unter den obwaltenden Umständen auf Erfolg
rechnen."




Are spanische Airchen-Aeformation.
ii.

Der Entschluß der spanischen Könige hatte bis zum Ende des 15. Jahr¬
hunderts dem Verfall der spanischen Kirche schon Einhalt gethan. Nachdem
der Krone in dem Concordate von 1482 die Ernennung der höheren Geistlichen
preisgegeben war, hatte man die Möglichkeit erlangt, das Personal der Geist¬
lichen zu erneuern und zu verbessern. Die eifrigen Bemühungen des Nmenez
um einen reineren und pflichtgetreueren Clerus, seine unausgesetzten Bestrebungen
für größere Zucht und Sittlichkeit, dazu die scharf zugreifende Thätigkeit des
neuen Glaubenstribunales für den Schutz der Kirche gegen ihre Gegner --
alle diese Maßregeln hatten es allmälig dahingebracht, daß die verfallene
Kirche des Mittelalters hier hergestellt und neu aufgerichtet wurde.

Nichts Neues war mit diesen Arbeiten geschaffen. Die alte Kirche war
neu gestützt und emporgehoben: die alten Formen und Einrichtungen der
Kirche, aus denen Geist und Leben geflohen, waren aufs neue lebendig ge¬
macht: die verlorene Religion zog in die Kirche wieder ein. Darin beruht die
Bedeutung und Tragweite dieses Ereignisses: es ist der Versuch, die mittelal¬
terliche Kirche herzustellen, von ihren Flecken und Schäden sie zu reinigen,
ohne eines ihrer wesentlichen Merkmale zu berühren oder einen ihrer Grund¬
sätze zu ändern.

Eins der merkwürdigsten Momente dabei ist dies: auch die Theologie
und die Dogmatik des Mittelalters feierte ihre Auferstehung zu einem neuen
Leben; eine Nachblüthe des mittelalterlichen Geistes brach herein.


Grenzboten I. 1872. 18

Jesuiten protegirten päpstlichen Unfehlbarkeit herbeigeführt hat, im Interesse
des Staates dringend nothwendig ist, und wir unterschreiben vollständig, was
unsere Schrift gegen den Schluß hin sagt:

„Mit Temporisiren und halben Maßregeln ist einem entschiedenen Gegner
gegenüber, welcher sein Ziel stets fest und unverrückt im Auge hat, nichts ge¬
wonnen. Nur eine energische und mit starker Hand eingreifende Politik, welche
unbeirrt durch hergebrachte Rücksichten und Anschauungen die Rechte des
Staats zu wahren sucht, indem sie die katholische Kirche auf das ihr allein
gehörige Gebiet verweist und dadurch die Conflicte zwischen ihr und den Re¬
gierungen vermeidet, kann unter den obwaltenden Umständen auf Erfolg
rechnen."




Are spanische Airchen-Aeformation.
ii.

Der Entschluß der spanischen Könige hatte bis zum Ende des 15. Jahr¬
hunderts dem Verfall der spanischen Kirche schon Einhalt gethan. Nachdem
der Krone in dem Concordate von 1482 die Ernennung der höheren Geistlichen
preisgegeben war, hatte man die Möglichkeit erlangt, das Personal der Geist¬
lichen zu erneuern und zu verbessern. Die eifrigen Bemühungen des Nmenez
um einen reineren und pflichtgetreueren Clerus, seine unausgesetzten Bestrebungen
für größere Zucht und Sittlichkeit, dazu die scharf zugreifende Thätigkeit des
neuen Glaubenstribunales für den Schutz der Kirche gegen ihre Gegner —
alle diese Maßregeln hatten es allmälig dahingebracht, daß die verfallene
Kirche des Mittelalters hier hergestellt und neu aufgerichtet wurde.

Nichts Neues war mit diesen Arbeiten geschaffen. Die alte Kirche war
neu gestützt und emporgehoben: die alten Formen und Einrichtungen der
Kirche, aus denen Geist und Leben geflohen, waren aufs neue lebendig ge¬
macht: die verlorene Religion zog in die Kirche wieder ein. Darin beruht die
Bedeutung und Tragweite dieses Ereignisses: es ist der Versuch, die mittelal¬
terliche Kirche herzustellen, von ihren Flecken und Schäden sie zu reinigen,
ohne eines ihrer wesentlichen Merkmale zu berühren oder einen ihrer Grund¬
sätze zu ändern.

Eins der merkwürdigsten Momente dabei ist dies: auch die Theologie
und die Dogmatik des Mittelalters feierte ihre Auferstehung zu einem neuen
Leben; eine Nachblüthe des mittelalterlichen Geistes brach herein.


Grenzboten I. 1872. 18
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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 31, 1872, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341815_126853/145>, abgerufen am 07.05.2024.