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Die Grenzboten. Jg. 31, 1872, I. Semester. I. Band.

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Me "Irivilegirung der Werke Hoethe's, Schillers, We-
land's und Kerder's
von
C. A. H, Burkhardt.

Als Goethe im Jahre 1825 an die Herstellung einer Gesammtausgabe
seiner Werke ging, erfüllte ihn vor allem die Sorge, daß ihm der Nachdruck
sein Verdienst verkümmern werde. Denn damals bestanden nur in wenigen
Ländern Deutschlands Gesetze gegen diese Unsitte und es stellten sich unge¬
ahnte Schwierigkeiten ein, wenn diesem Unwesen allseitig und nachdrücklich
gesteuert werden sollte. Streng genommen blieb für ihn nach damaliger Lage
der Dinge nur der eine Weg übrig, jedem Fürsten oder dessen Regierung
seine Angelegenheit zu empfehlen und um ein Privilegium gegen den Nach¬
druck seiner Werke zu bitten. Goethe betrat diesen Weg nicht, obwohl die
Bedeutung seiner Persönlichkeit ohne Zweifel ins Gewicht gefallen wäre, und
er eines vollständigen Erfolges hätte sicher sein dürfen. Ganz gegen das Her¬
kommen tauchte plötzlich im Schoose der Bundesversammlung sein Gesuch um
Gewährung eines Privilegiums auf, welches billig befremden durfte, da Goethe
als Weimarischer Staatsminister die Jncompetenz der Bundesversammlung,
überhaupt xer in^ors. ein allgemein gültiges Privilegium für den Umfang
der deutschen Bundesstaaten zu beschließen, kennen mußte.

Dieser Schritt Goethe's war nun eben so denkwürdig, wie für die Ge¬
setzgebung, in so weit es sich um den Schutz des geistigen Eigenthums han¬
delte, verhängnisvoll. Wie wir aus den gedruckten Verhandlungen des Bun¬
destages wissen, betonte man wohl in seiner Weise die Jncompetenz der-
Versammlung und zeigte sich nur mit Rücksicht auf die hervorragenden Ver¬
dienste des Dichters willfährig, aus sein Gesuch nach Kräften einzugehen.
Indessen der Beschluß des Bundestages, auf den wir noch zurückkommen
werden, war doch von eminenter Tragweite. Zunächst freilich ließen sich die
Folgen dieses Schrittes nicht bemessen. Denn wer dachte damals im Schoose
der Bundesversammlung daran, daß die Privilegirung die deutsche Na¬
tion schädigen, allmählig mit dem Bedürfnisse der Zeit in Widerspruch ge¬
rathen werde, und auch die Erben der übrigen Koryphäen Weimars den


Wrenzbotm l. 1872. 21
Me "Irivilegirung der Werke Hoethe's, Schillers, We-
land's und Kerder's
von
C. A. H, Burkhardt.

Als Goethe im Jahre 1825 an die Herstellung einer Gesammtausgabe
seiner Werke ging, erfüllte ihn vor allem die Sorge, daß ihm der Nachdruck
sein Verdienst verkümmern werde. Denn damals bestanden nur in wenigen
Ländern Deutschlands Gesetze gegen diese Unsitte und es stellten sich unge¬
ahnte Schwierigkeiten ein, wenn diesem Unwesen allseitig und nachdrücklich
gesteuert werden sollte. Streng genommen blieb für ihn nach damaliger Lage
der Dinge nur der eine Weg übrig, jedem Fürsten oder dessen Regierung
seine Angelegenheit zu empfehlen und um ein Privilegium gegen den Nach¬
druck seiner Werke zu bitten. Goethe betrat diesen Weg nicht, obwohl die
Bedeutung seiner Persönlichkeit ohne Zweifel ins Gewicht gefallen wäre, und
er eines vollständigen Erfolges hätte sicher sein dürfen. Ganz gegen das Her¬
kommen tauchte plötzlich im Schoose der Bundesversammlung sein Gesuch um
Gewährung eines Privilegiums auf, welches billig befremden durfte, da Goethe
als Weimarischer Staatsminister die Jncompetenz der Bundesversammlung,
überhaupt xer in^ors. ein allgemein gültiges Privilegium für den Umfang
der deutschen Bundesstaaten zu beschließen, kennen mußte.

Dieser Schritt Goethe's war nun eben so denkwürdig, wie für die Ge¬
setzgebung, in so weit es sich um den Schutz des geistigen Eigenthums han¬
delte, verhängnisvoll. Wie wir aus den gedruckten Verhandlungen des Bun¬
destages wissen, betonte man wohl in seiner Weise die Jncompetenz der-
Versammlung und zeigte sich nur mit Rücksicht auf die hervorragenden Ver¬
dienste des Dichters willfährig, aus sein Gesuch nach Kräften einzugehen.
Indessen der Beschluß des Bundestages, auf den wir noch zurückkommen
werden, war doch von eminenter Tragweite. Zunächst freilich ließen sich die
Folgen dieses Schrittes nicht bemessen. Denn wer dachte damals im Schoose
der Bundesversammlung daran, daß die Privilegirung die deutsche Na¬
tion schädigen, allmählig mit dem Bedürfnisse der Zeit in Widerspruch ge¬
rathen werde, und auch die Erben der übrigen Koryphäen Weimars den


Wrenzbotm l. 1872. 21
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[0169] Me "Irivilegirung der Werke Hoethe's, Schillers, We- land's und Kerder's von C. A. H, Burkhardt. Als Goethe im Jahre 1825 an die Herstellung einer Gesammtausgabe seiner Werke ging, erfüllte ihn vor allem die Sorge, daß ihm der Nachdruck sein Verdienst verkümmern werde. Denn damals bestanden nur in wenigen Ländern Deutschlands Gesetze gegen diese Unsitte und es stellten sich unge¬ ahnte Schwierigkeiten ein, wenn diesem Unwesen allseitig und nachdrücklich gesteuert werden sollte. Streng genommen blieb für ihn nach damaliger Lage der Dinge nur der eine Weg übrig, jedem Fürsten oder dessen Regierung seine Angelegenheit zu empfehlen und um ein Privilegium gegen den Nach¬ druck seiner Werke zu bitten. Goethe betrat diesen Weg nicht, obwohl die Bedeutung seiner Persönlichkeit ohne Zweifel ins Gewicht gefallen wäre, und er eines vollständigen Erfolges hätte sicher sein dürfen. Ganz gegen das Her¬ kommen tauchte plötzlich im Schoose der Bundesversammlung sein Gesuch um Gewährung eines Privilegiums auf, welches billig befremden durfte, da Goethe als Weimarischer Staatsminister die Jncompetenz der Bundesversammlung, überhaupt xer in^ors. ein allgemein gültiges Privilegium für den Umfang der deutschen Bundesstaaten zu beschließen, kennen mußte. Dieser Schritt Goethe's war nun eben so denkwürdig, wie für die Ge¬ setzgebung, in so weit es sich um den Schutz des geistigen Eigenthums han¬ delte, verhängnisvoll. Wie wir aus den gedruckten Verhandlungen des Bun¬ destages wissen, betonte man wohl in seiner Weise die Jncompetenz der- Versammlung und zeigte sich nur mit Rücksicht auf die hervorragenden Ver¬ dienste des Dichters willfährig, aus sein Gesuch nach Kräften einzugehen. Indessen der Beschluß des Bundestages, auf den wir noch zurückkommen werden, war doch von eminenter Tragweite. Zunächst freilich ließen sich die Folgen dieses Schrittes nicht bemessen. Denn wer dachte damals im Schoose der Bundesversammlung daran, daß die Privilegirung die deutsche Na¬ tion schädigen, allmählig mit dem Bedürfnisse der Zeit in Widerspruch ge¬ rathen werde, und auch die Erben der übrigen Koryphäen Weimars den Wrenzbotm l. 1872. 21

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 31, 1872, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341815_126853/169>, abgerufen am 08.05.2024.