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Die Grenzboten. Jg. 31, 1872, I. Semester. I. Band.

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Nöthigen; ihre Fahrt nach Christiania, anfangs zu Schlitten bis Drammen,
von da mit der Eisenbahn, ward zu einem wahren Triumphzuge;*) denn bald
hatte von der,ersten Stadt aus. die sie berührten, der Telegraph die seltsame
Mähr überall hingemeldet.

Am 28. November 1870 trafen sie in Christiania ein, wo sie der franzö¬
sische Consul Mr. Hepp nach festlichem Empfange auf einem englischen
Dampfer zur Fahrt über London nach Se. Malo einschiffen ließ. Vierzehn
Tage nach der Abfahrt von Paris kamen die Reisenden endlich glücklich am
Ziele, in Tours, an. Auch der Depeschen-Sack und der Ballon mit den Brief¬
tauben sind, wie die Gothenburger Zeitung vom 1. December gemeldet hat auf¬
,
G. T. gefunden und geborgen worden.




Als Herr von Mittnacht im Herbst vorigen Jahres Namens der würt¬
tembergischen Staatsregierung in der Plenarversammlung des IX. deutschen
Juristentages die bestimmte Erwartung aussprach, daß in ganz naher Zeit
für das deutsche Reich auf dem durch die Verfassung vorgezeichneten Weg
ein einheitliches Recht erstehen werde, war die Ueberzeugung allgemein ver¬
breitet, daß unser Ministerium endlich allen Ernstes Frieden mit dem Reich
geschlossen habe, und jetzt bemüht sei, den letzten Nest des Mißtrauens, zu
welchem gewisse Antecedentien aus dem Zollparlament berechtigten, vollends
zu zerstreuen. Schien es doch, als sei Herr von Mittnacht besonders be¬
strebt, sich den nordischen Gästen um jeden Preis in günstigem Lichte dar¬
zustellen.

In sonst unterrichteten Kreisen war man übrigens schon damals in der
Auffassung seines Verhaltens nicht ganz einig. Die Einen behaupteten näm¬
lich, es handle sich jetzt gerade um die Dotation, und um 350,000 Gulden
-- denn niederer als auf 200000 Thaler glaubte man einen schwäbischen
Minister nicht wohl taxiren zu können -- durste man schon ein freundliches
Aeußere zeigen. Andere, welche besser informire sein wollten, behaupteten, er
habe das Geld bereits in der Tasche, sie wollten wissen daß Herr von Mitt-
nacht, die Gratulationen nur noch zum Schein von der Hand weise und der
eine und der andere seiner Collegen konnte sich der Eifersucht auf den so über
alles Verdienst reich gewordenen Mann nicht erwehren.

Sonderbarer Weise hört man seit dem Juristentag von der Dotation
jenes Herrn nichts mehr: im Gegentheil man soll in Berlin neuerdings etwa
folgendermaßen argumentire haben. Die Dotationen sind eine Nationalbe-



') Wi D. R. r dürfen nicht vergessen, daß wir eine französische Quelle vor uns haben.

Nöthigen; ihre Fahrt nach Christiania, anfangs zu Schlitten bis Drammen,
von da mit der Eisenbahn, ward zu einem wahren Triumphzuge;*) denn bald
hatte von der,ersten Stadt aus. die sie berührten, der Telegraph die seltsame
Mähr überall hingemeldet.

Am 28. November 1870 trafen sie in Christiania ein, wo sie der franzö¬
sische Consul Mr. Hepp nach festlichem Empfange auf einem englischen
Dampfer zur Fahrt über London nach Se. Malo einschiffen ließ. Vierzehn
Tage nach der Abfahrt von Paris kamen die Reisenden endlich glücklich am
Ziele, in Tours, an. Auch der Depeschen-Sack und der Ballon mit den Brief¬
tauben sind, wie die Gothenburger Zeitung vom 1. December gemeldet hat auf¬
,
G. T. gefunden und geborgen worden.




Als Herr von Mittnacht im Herbst vorigen Jahres Namens der würt¬
tembergischen Staatsregierung in der Plenarversammlung des IX. deutschen
Juristentages die bestimmte Erwartung aussprach, daß in ganz naher Zeit
für das deutsche Reich auf dem durch die Verfassung vorgezeichneten Weg
ein einheitliches Recht erstehen werde, war die Ueberzeugung allgemein ver¬
breitet, daß unser Ministerium endlich allen Ernstes Frieden mit dem Reich
geschlossen habe, und jetzt bemüht sei, den letzten Nest des Mißtrauens, zu
welchem gewisse Antecedentien aus dem Zollparlament berechtigten, vollends
zu zerstreuen. Schien es doch, als sei Herr von Mittnacht besonders be¬
strebt, sich den nordischen Gästen um jeden Preis in günstigem Lichte dar¬
zustellen.

In sonst unterrichteten Kreisen war man übrigens schon damals in der
Auffassung seines Verhaltens nicht ganz einig. Die Einen behaupteten näm¬
lich, es handle sich jetzt gerade um die Dotation, und um 350,000 Gulden
— denn niederer als auf 200000 Thaler glaubte man einen schwäbischen
Minister nicht wohl taxiren zu können — durste man schon ein freundliches
Aeußere zeigen. Andere, welche besser informire sein wollten, behaupteten, er
habe das Geld bereits in der Tasche, sie wollten wissen daß Herr von Mitt-
nacht, die Gratulationen nur noch zum Schein von der Hand weise und der
eine und der andere seiner Collegen konnte sich der Eifersucht auf den so über
alles Verdienst reich gewordenen Mann nicht erwehren.

Sonderbarer Weise hört man seit dem Juristentag von der Dotation
jenes Herrn nichts mehr: im Gegentheil man soll in Berlin neuerdings etwa
folgendermaßen argumentire haben. Die Dotationen sind eine Nationalbe-



') Wi D. R. r dürfen nicht vergessen, daß wir eine französische Quelle vor uns haben.
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[0237] Nöthigen; ihre Fahrt nach Christiania, anfangs zu Schlitten bis Drammen, von da mit der Eisenbahn, ward zu einem wahren Triumphzuge;*) denn bald hatte von der,ersten Stadt aus. die sie berührten, der Telegraph die seltsame Mähr überall hingemeldet. Am 28. November 1870 trafen sie in Christiania ein, wo sie der franzö¬ sische Consul Mr. Hepp nach festlichem Empfange auf einem englischen Dampfer zur Fahrt über London nach Se. Malo einschiffen ließ. Vierzehn Tage nach der Abfahrt von Paris kamen die Reisenden endlich glücklich am Ziele, in Tours, an. Auch der Depeschen-Sack und der Ballon mit den Brief¬ tauben sind, wie die Gothenburger Zeitung vom 1. December gemeldet hat auf¬ , G. T. gefunden und geborgen worden. Als Herr von Mittnacht im Herbst vorigen Jahres Namens der würt¬ tembergischen Staatsregierung in der Plenarversammlung des IX. deutschen Juristentages die bestimmte Erwartung aussprach, daß in ganz naher Zeit für das deutsche Reich auf dem durch die Verfassung vorgezeichneten Weg ein einheitliches Recht erstehen werde, war die Ueberzeugung allgemein ver¬ breitet, daß unser Ministerium endlich allen Ernstes Frieden mit dem Reich geschlossen habe, und jetzt bemüht sei, den letzten Nest des Mißtrauens, zu welchem gewisse Antecedentien aus dem Zollparlament berechtigten, vollends zu zerstreuen. Schien es doch, als sei Herr von Mittnacht besonders be¬ strebt, sich den nordischen Gästen um jeden Preis in günstigem Lichte dar¬ zustellen. In sonst unterrichteten Kreisen war man übrigens schon damals in der Auffassung seines Verhaltens nicht ganz einig. Die Einen behaupteten näm¬ lich, es handle sich jetzt gerade um die Dotation, und um 350,000 Gulden — denn niederer als auf 200000 Thaler glaubte man einen schwäbischen Minister nicht wohl taxiren zu können — durste man schon ein freundliches Aeußere zeigen. Andere, welche besser informire sein wollten, behaupteten, er habe das Geld bereits in der Tasche, sie wollten wissen daß Herr von Mitt- nacht, die Gratulationen nur noch zum Schein von der Hand weise und der eine und der andere seiner Collegen konnte sich der Eifersucht auf den so über alles Verdienst reich gewordenen Mann nicht erwehren. Sonderbarer Weise hört man seit dem Juristentag von der Dotation jenes Herrn nichts mehr: im Gegentheil man soll in Berlin neuerdings etwa folgendermaßen argumentire haben. Die Dotationen sind eine Nationalbe- ') Wi D. R. r dürfen nicht vergessen, daß wir eine französische Quelle vor uns haben.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 31, 1872, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341815_126853/237>, abgerufen am 07.05.2024.