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Die Grenzboten. Jg. 31, 1872, I. Semester. I. Band.

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Felde nach den bei den letzten schwedischen Feldmanövern gemachten Erfahrungen
bezog, und die der König von Schweden kurz vorher eigenhändig "n seine
Generale und seine militärischen Freunde im Auslande vertheilt, respective ver¬
sandt hatte.

Das gab zu denken, und es sollen Leute vorkommen, die das Dementi
beinahe für eine solche Fabel zu halten geneigt sind, wie der obengedachte
Brief unserer wohlbegründeten Meinung nach ist. Wir gehören zu diesen
Zweiflern allerdings nicht, aber unsre Freude, daß Schweden keine unum¬
schränkte Monarchie mehr ist, wird durch jene Erklärung des Baron Hochschildt
in der "Times" nicht gemindert.




So widerspruchsvoll die württembergische Politik der letzten Zeit dem
Außenstehenden erscheinen mag, so leicht verständlich ist sie für Jeden, der die
leitenden Persönlichkeiten in Stuttgart und die Triebfedern ihres Handelns
näher ins Auge faßt. Wir haben früher die Stimmung in den Negierungs-
kreisen vor der Katastrophe des Jahres 1870 geschildert, wir haben auf den
tiefen Widerwillen des Hoff gegen die neue politische Gestaltung, auf den
gerade hier immer noch nicht gebrochenen Einfluß der ultramontanen und
großdeutschen Partei hingewiesen und haben die eigenthümlichen Schwierig¬
keiten angedeutet, welche die specifischen Residenzinteressen der Durchführung
des nationalen Programms in Stuttgart in den Weg legen. Selbst ein Mi¬
nisterium von rein nationaler Herkunft hätte diesen Hindernissen gegenüber
einen schwierigen Stand, wie viel mehr ein Ministerium, in welchem nicht
alle Glieder mit der Vergangenheit völlig gebrochen haben, mit jenen Tagend
wo man ehedem, um sich bei Hose zu insinuiren, mit den Ultramontanen
und Particularisten unter dem Ruf: "Hie gut Württemberg allewege!" gegen
die Vertheidiger der Reichsinteressen in die Trompete stieß, und man dagegen
heute, wo man die Wirkungen dieses früheren Gebahrens überschaut, aufs
eifrigste bemüht ist, durch Unterstützung der nationalen Sache das vorhandene
Mißtrauen zu zerstreuen? Das Reich hat, da man in Berlin stets auf der
Wache steht -- die Rede des Reichskanzlers über die Nothwendigkeit der
Preußischen Gesandtschaften bei den Mittelstaaten ließ hierüber keinen Zweifel
-- von diesen Velleitäten nichts zu befürchten: im Gegentheil, die nationale
Sache hat seit 1866 ihre wichtigsten Erfolge diesem frühern System zu ver¬
danken, sie hat Siege errungen, welche ihr ungleich schwerer zu erringen ge¬
wesen wäre, wenn nicht der ernstliche Wille der leitenden Staatsmänner, mit


Felde nach den bei den letzten schwedischen Feldmanövern gemachten Erfahrungen
bezog, und die der König von Schweden kurz vorher eigenhändig «n seine
Generale und seine militärischen Freunde im Auslande vertheilt, respective ver¬
sandt hatte.

Das gab zu denken, und es sollen Leute vorkommen, die das Dementi
beinahe für eine solche Fabel zu halten geneigt sind, wie der obengedachte
Brief unserer wohlbegründeten Meinung nach ist. Wir gehören zu diesen
Zweiflern allerdings nicht, aber unsre Freude, daß Schweden keine unum¬
schränkte Monarchie mehr ist, wird durch jene Erklärung des Baron Hochschildt
in der „Times" nicht gemindert.




So widerspruchsvoll die württembergische Politik der letzten Zeit dem
Außenstehenden erscheinen mag, so leicht verständlich ist sie für Jeden, der die
leitenden Persönlichkeiten in Stuttgart und die Triebfedern ihres Handelns
näher ins Auge faßt. Wir haben früher die Stimmung in den Negierungs-
kreisen vor der Katastrophe des Jahres 1870 geschildert, wir haben auf den
tiefen Widerwillen des Hoff gegen die neue politische Gestaltung, auf den
gerade hier immer noch nicht gebrochenen Einfluß der ultramontanen und
großdeutschen Partei hingewiesen und haben die eigenthümlichen Schwierig¬
keiten angedeutet, welche die specifischen Residenzinteressen der Durchführung
des nationalen Programms in Stuttgart in den Weg legen. Selbst ein Mi¬
nisterium von rein nationaler Herkunft hätte diesen Hindernissen gegenüber
einen schwierigen Stand, wie viel mehr ein Ministerium, in welchem nicht
alle Glieder mit der Vergangenheit völlig gebrochen haben, mit jenen Tagend
wo man ehedem, um sich bei Hose zu insinuiren, mit den Ultramontanen
und Particularisten unter dem Ruf: „Hie gut Württemberg allewege!" gegen
die Vertheidiger der Reichsinteressen in die Trompete stieß, und man dagegen
heute, wo man die Wirkungen dieses früheren Gebahrens überschaut, aufs
eifrigste bemüht ist, durch Unterstützung der nationalen Sache das vorhandene
Mißtrauen zu zerstreuen? Das Reich hat, da man in Berlin stets auf der
Wache steht — die Rede des Reichskanzlers über die Nothwendigkeit der
Preußischen Gesandtschaften bei den Mittelstaaten ließ hierüber keinen Zweifel
— von diesen Velleitäten nichts zu befürchten: im Gegentheil, die nationale
Sache hat seit 1866 ihre wichtigsten Erfolge diesem frühern System zu ver¬
danken, sie hat Siege errungen, welche ihr ungleich schwerer zu erringen ge¬
wesen wäre, wenn nicht der ernstliche Wille der leitenden Staatsmänner, mit


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 31, 1872, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341815_126853/399>, abgerufen am 07.05.2024.