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Die Grenzboten. Jg. 31, 1872, I. Semester. I. Band.

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Handelsfreiheit hätte. Zwanzig Jahre später aber las man in der Schrift
des Grafen von Paris: "Wenn die englischen Fabrikanten ihren Arbeitern
vorwerfen, sie richteten die Industrie und sie richteten sich selbst zu Grunde,
indem sie eine Lohnerhöhung forderten, welche die Concurrenz des Auslandes
begünstigte, so antworten diese, daß die Arbeiter des Festlandes bald auch
ihrerseits diese Erhöhung erlangen, daß sie dieselben, falls es nöthig, dabei
unterstützen würden, und daß die Partie auf diese Weise wieder gleichstehen
würde.

Wie kam es, daß die Lage sich so vollständig geändert hatte? Weil die
Arbeiter der verschiedenen Länder in persönliche Beziehungen zu einander ge¬
treten waren, weil sie sich verständigt hatten, einander nicht mehr Concurrenz
zu machen und statt dessen den Arbeitgebern den Krieg zu erklären. Weil
inzwischen die Internationale entstanden war.




A. Hosche's Archiv für Meraturgeschichte.^)

Eine Zeitschrift, wie die Grenzboten, welche. Literatur zu einem Haupt-
bestandtheile ihres Programmes hat, muß gewissermaßen schon aus verwandt¬
schaftlichen Rücksichten mit einem Unternehmen, wie das oben nach seinem
Titel angeführte, auf gutem Fuße zu stehen sich geneigt fühlen. Freilich giebt
es in jeder großen Familie einen oder mehre mißrathene Vettern, um nichts
schlimmeres zu sagen, und insofern schließt die verbindlichste Rücksicht doch nicht
die reservirteste Vorsicht aus. In unserem Falle aber versteht es sich von
selbst, daß wir es mit einem in jeder Art wohlgerathenen Sprößling des ge¬
meinsamen Bodens zu thun haben. Seine Besonderheit besteht darin, daß
ihm die historisch-kritische Verarbeitung des literarischen Materials Hauptaus¬
gabe ist, während die grünen Blätter nach wie vor mit der Unmittelbarkeit
des Lebens, mit der Literatur , als Bestandtheil des Empfindens, Denkens,
Wollens und Handelns der Gegenwart zu thun haben. Daß die historische
Seite auch hier nicht ausgeschlossen ist. davon legen ja eine unabsehbare Reihe
von Skizzen oder ausgeführten Bildern aus allen Theilen der Literaturge¬
schichte, welche mit Recht als ein besonderer Schmuck dieser Zeitschrift gelten,
genugsam Zeugniß ab. Sind ja doch so manche zu bedeutender Wirksamkeit
gelangte bändereiche literargeschichtliche Werke der letzten Decennien nachweis¬
lich aus dem Rahmen dieser Blätter herausgewachsen, in denen sie zuerst in



Leipzig, Teubner. 1871, bis jetzt 1. und 2. Band. (1. und 2. Heft.)

Handelsfreiheit hätte. Zwanzig Jahre später aber las man in der Schrift
des Grafen von Paris: „Wenn die englischen Fabrikanten ihren Arbeitern
vorwerfen, sie richteten die Industrie und sie richteten sich selbst zu Grunde,
indem sie eine Lohnerhöhung forderten, welche die Concurrenz des Auslandes
begünstigte, so antworten diese, daß die Arbeiter des Festlandes bald auch
ihrerseits diese Erhöhung erlangen, daß sie dieselben, falls es nöthig, dabei
unterstützen würden, und daß die Partie auf diese Weise wieder gleichstehen
würde.

Wie kam es, daß die Lage sich so vollständig geändert hatte? Weil die
Arbeiter der verschiedenen Länder in persönliche Beziehungen zu einander ge¬
treten waren, weil sie sich verständigt hatten, einander nicht mehr Concurrenz
zu machen und statt dessen den Arbeitgebern den Krieg zu erklären. Weil
inzwischen die Internationale entstanden war.




A. Hosche's Archiv für Meraturgeschichte.^)

Eine Zeitschrift, wie die Grenzboten, welche. Literatur zu einem Haupt-
bestandtheile ihres Programmes hat, muß gewissermaßen schon aus verwandt¬
schaftlichen Rücksichten mit einem Unternehmen, wie das oben nach seinem
Titel angeführte, auf gutem Fuße zu stehen sich geneigt fühlen. Freilich giebt
es in jeder großen Familie einen oder mehre mißrathene Vettern, um nichts
schlimmeres zu sagen, und insofern schließt die verbindlichste Rücksicht doch nicht
die reservirteste Vorsicht aus. In unserem Falle aber versteht es sich von
selbst, daß wir es mit einem in jeder Art wohlgerathenen Sprößling des ge¬
meinsamen Bodens zu thun haben. Seine Besonderheit besteht darin, daß
ihm die historisch-kritische Verarbeitung des literarischen Materials Hauptaus¬
gabe ist, während die grünen Blätter nach wie vor mit der Unmittelbarkeit
des Lebens, mit der Literatur , als Bestandtheil des Empfindens, Denkens,
Wollens und Handelns der Gegenwart zu thun haben. Daß die historische
Seite auch hier nicht ausgeschlossen ist. davon legen ja eine unabsehbare Reihe
von Skizzen oder ausgeführten Bildern aus allen Theilen der Literaturge¬
schichte, welche mit Recht als ein besonderer Schmuck dieser Zeitschrift gelten,
genugsam Zeugniß ab. Sind ja doch so manche zu bedeutender Wirksamkeit
gelangte bändereiche literargeschichtliche Werke der letzten Decennien nachweis¬
lich aus dem Rahmen dieser Blätter herausgewachsen, in denen sie zuerst in



Leipzig, Teubner. 1871, bis jetzt 1. und 2. Band. (1. und 2. Heft.)
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[0472] Handelsfreiheit hätte. Zwanzig Jahre später aber las man in der Schrift des Grafen von Paris: „Wenn die englischen Fabrikanten ihren Arbeitern vorwerfen, sie richteten die Industrie und sie richteten sich selbst zu Grunde, indem sie eine Lohnerhöhung forderten, welche die Concurrenz des Auslandes begünstigte, so antworten diese, daß die Arbeiter des Festlandes bald auch ihrerseits diese Erhöhung erlangen, daß sie dieselben, falls es nöthig, dabei unterstützen würden, und daß die Partie auf diese Weise wieder gleichstehen würde. Wie kam es, daß die Lage sich so vollständig geändert hatte? Weil die Arbeiter der verschiedenen Länder in persönliche Beziehungen zu einander ge¬ treten waren, weil sie sich verständigt hatten, einander nicht mehr Concurrenz zu machen und statt dessen den Arbeitgebern den Krieg zu erklären. Weil inzwischen die Internationale entstanden war. A. Hosche's Archiv für Meraturgeschichte.^) Eine Zeitschrift, wie die Grenzboten, welche. Literatur zu einem Haupt- bestandtheile ihres Programmes hat, muß gewissermaßen schon aus verwandt¬ schaftlichen Rücksichten mit einem Unternehmen, wie das oben nach seinem Titel angeführte, auf gutem Fuße zu stehen sich geneigt fühlen. Freilich giebt es in jeder großen Familie einen oder mehre mißrathene Vettern, um nichts schlimmeres zu sagen, und insofern schließt die verbindlichste Rücksicht doch nicht die reservirteste Vorsicht aus. In unserem Falle aber versteht es sich von selbst, daß wir es mit einem in jeder Art wohlgerathenen Sprößling des ge¬ meinsamen Bodens zu thun haben. Seine Besonderheit besteht darin, daß ihm die historisch-kritische Verarbeitung des literarischen Materials Hauptaus¬ gabe ist, während die grünen Blätter nach wie vor mit der Unmittelbarkeit des Lebens, mit der Literatur , als Bestandtheil des Empfindens, Denkens, Wollens und Handelns der Gegenwart zu thun haben. Daß die historische Seite auch hier nicht ausgeschlossen ist. davon legen ja eine unabsehbare Reihe von Skizzen oder ausgeführten Bildern aus allen Theilen der Literaturge¬ schichte, welche mit Recht als ein besonderer Schmuck dieser Zeitschrift gelten, genugsam Zeugniß ab. Sind ja doch so manche zu bedeutender Wirksamkeit gelangte bändereiche literargeschichtliche Werke der letzten Decennien nachweis¬ lich aus dem Rahmen dieser Blätter herausgewachsen, in denen sie zuerst in Leipzig, Teubner. 1871, bis jetzt 1. und 2. Band. (1. und 2. Heft.)

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 31, 1872, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341815_126853/472>, abgerufen am 07.05.2024.