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Die Grenzboten. Jg. 31, 1872, I. Semester. I. Band.

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Hauptfragen mit den nationalen und localen Vereinen erörtern. Jedes Mit¬
glied des internationalen Arbeiterbundes wird, wenn es aus einem Lande in
ein anderes reist, die brüderliche Unterstützung der vereinigten Arbeiter erhalten.
Indem sie zu einem unauflöslichen Bunde brüderlichen Zusammenwirkens
vereint sind, werden die Arbeitergenossenschaften, welche dem internationalen
Bunde beitreten, ihre gegenwärtigen Organisationen unverändert beibehalten."




Deutsche Staatsmänner und Abgeordnete"
Herr Windthorst.

Durchlaucht Bismarck und Excellenz Windthorst verhalten sich nicht bloß
äußerlich zu einander wie Riese und Zwerg: auch in ihrer geistigen Natur
herrscht ungefähr das nämliche Maßverhältniß. Indem freilich der große
Mann den kleinen unlängst sich gegenüber auf ein Piedestal von höherer
typischer Bedeutung stellte, ihm die Ehre anthat, gleichsam seinen giftigsten und
gefährlichsten Gegner in ihm erkennen zu wollen, hat sich der Unterschied der
beiden Geister für fernstehende Augen und Ohren wohl einigermaßen ver¬
wischt. Dazu kommt, daß Herrn Windthorst's Laufbahn bisher in ziemlich
stetem Aufsteigen geblieben, daß der "Perle von Meppen," wie ein entzückter
Parteigenosse ihn getauft hat, erst in den größeren Verhältnissen Preußens
ihre richtige Fassung zu Theil geworden ist. Zur Vermeidung von Mißauf-
fafsungen und späteren Enttäuschungen wird es daher gut sein, sich die kleine
schlagfertige Excellenz mit dem grotesken Haupte einmal etwas näher an¬
zusehen.

Ludwig Windthorst ist nach Hirth's Parlaments-Almanach, welchem er
ohne Zweifel eigenhändig die erforderlichen Daten geliefert haben wird, am
17. November 1812 geboren, und hat sich dann ungefähr um die Zeit, da
König Ernst August eigenmächtig das hannoversche Staatsgrundgesetz aufhob,
in der zweiten Hälfte der dreißiger Jahre also, in Osnabrück als Advocar
niedergelassen. Was aus dieser Zeit in zuverlässigen Gewährsmännern als
Erinnerung an ihn lebt, zeugt eher für die Frühreife seiner Dialektik und
Sophistik als für hervorragenden Rechtssinn. Nur der ihm eigenen glatten
Verbindlichkeit gegen Jedermann jedoch wird es zuzuschreiben sein, wenn man
gar wissen will, er sei damals nicht immer seiner Partei völlig treu geblieben.
Seine ganze Folgezeit muß ihn gegen solchen Verdacht in Schutz nehmen.
Ein Windthorst und seiner Partei abfallen! In Scherz und Ernst: an diese
niedrige Verirrung der Selbstsucht glauben wir nicht bei einem Manne, den


Hauptfragen mit den nationalen und localen Vereinen erörtern. Jedes Mit¬
glied des internationalen Arbeiterbundes wird, wenn es aus einem Lande in
ein anderes reist, die brüderliche Unterstützung der vereinigten Arbeiter erhalten.
Indem sie zu einem unauflöslichen Bunde brüderlichen Zusammenwirkens
vereint sind, werden die Arbeitergenossenschaften, welche dem internationalen
Bunde beitreten, ihre gegenwärtigen Organisationen unverändert beibehalten."




Deutsche Staatsmänner und Abgeordnete»
Herr Windthorst.

Durchlaucht Bismarck und Excellenz Windthorst verhalten sich nicht bloß
äußerlich zu einander wie Riese und Zwerg: auch in ihrer geistigen Natur
herrscht ungefähr das nämliche Maßverhältniß. Indem freilich der große
Mann den kleinen unlängst sich gegenüber auf ein Piedestal von höherer
typischer Bedeutung stellte, ihm die Ehre anthat, gleichsam seinen giftigsten und
gefährlichsten Gegner in ihm erkennen zu wollen, hat sich der Unterschied der
beiden Geister für fernstehende Augen und Ohren wohl einigermaßen ver¬
wischt. Dazu kommt, daß Herrn Windthorst's Laufbahn bisher in ziemlich
stetem Aufsteigen geblieben, daß der „Perle von Meppen," wie ein entzückter
Parteigenosse ihn getauft hat, erst in den größeren Verhältnissen Preußens
ihre richtige Fassung zu Theil geworden ist. Zur Vermeidung von Mißauf-
fafsungen und späteren Enttäuschungen wird es daher gut sein, sich die kleine
schlagfertige Excellenz mit dem grotesken Haupte einmal etwas näher an¬
zusehen.

Ludwig Windthorst ist nach Hirth's Parlaments-Almanach, welchem er
ohne Zweifel eigenhändig die erforderlichen Daten geliefert haben wird, am
17. November 1812 geboren, und hat sich dann ungefähr um die Zeit, da
König Ernst August eigenmächtig das hannoversche Staatsgrundgesetz aufhob,
in der zweiten Hälfte der dreißiger Jahre also, in Osnabrück als Advocar
niedergelassen. Was aus dieser Zeit in zuverlässigen Gewährsmännern als
Erinnerung an ihn lebt, zeugt eher für die Frühreife seiner Dialektik und
Sophistik als für hervorragenden Rechtssinn. Nur der ihm eigenen glatten
Verbindlichkeit gegen Jedermann jedoch wird es zuzuschreiben sein, wenn man
gar wissen will, er sei damals nicht immer seiner Partei völlig treu geblieben.
Seine ganze Folgezeit muß ihn gegen solchen Verdacht in Schutz nehmen.
Ein Windthorst und seiner Partei abfallen! In Scherz und Ernst: an diese
niedrige Verirrung der Selbstsucht glauben wir nicht bei einem Manne, den


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[0512] Hauptfragen mit den nationalen und localen Vereinen erörtern. Jedes Mit¬ glied des internationalen Arbeiterbundes wird, wenn es aus einem Lande in ein anderes reist, die brüderliche Unterstützung der vereinigten Arbeiter erhalten. Indem sie zu einem unauflöslichen Bunde brüderlichen Zusammenwirkens vereint sind, werden die Arbeitergenossenschaften, welche dem internationalen Bunde beitreten, ihre gegenwärtigen Organisationen unverändert beibehalten." Deutsche Staatsmänner und Abgeordnete» Herr Windthorst. Durchlaucht Bismarck und Excellenz Windthorst verhalten sich nicht bloß äußerlich zu einander wie Riese und Zwerg: auch in ihrer geistigen Natur herrscht ungefähr das nämliche Maßverhältniß. Indem freilich der große Mann den kleinen unlängst sich gegenüber auf ein Piedestal von höherer typischer Bedeutung stellte, ihm die Ehre anthat, gleichsam seinen giftigsten und gefährlichsten Gegner in ihm erkennen zu wollen, hat sich der Unterschied der beiden Geister für fernstehende Augen und Ohren wohl einigermaßen ver¬ wischt. Dazu kommt, daß Herrn Windthorst's Laufbahn bisher in ziemlich stetem Aufsteigen geblieben, daß der „Perle von Meppen," wie ein entzückter Parteigenosse ihn getauft hat, erst in den größeren Verhältnissen Preußens ihre richtige Fassung zu Theil geworden ist. Zur Vermeidung von Mißauf- fafsungen und späteren Enttäuschungen wird es daher gut sein, sich die kleine schlagfertige Excellenz mit dem grotesken Haupte einmal etwas näher an¬ zusehen. Ludwig Windthorst ist nach Hirth's Parlaments-Almanach, welchem er ohne Zweifel eigenhändig die erforderlichen Daten geliefert haben wird, am 17. November 1812 geboren, und hat sich dann ungefähr um die Zeit, da König Ernst August eigenmächtig das hannoversche Staatsgrundgesetz aufhob, in der zweiten Hälfte der dreißiger Jahre also, in Osnabrück als Advocar niedergelassen. Was aus dieser Zeit in zuverlässigen Gewährsmännern als Erinnerung an ihn lebt, zeugt eher für die Frühreife seiner Dialektik und Sophistik als für hervorragenden Rechtssinn. Nur der ihm eigenen glatten Verbindlichkeit gegen Jedermann jedoch wird es zuzuschreiben sein, wenn man gar wissen will, er sei damals nicht immer seiner Partei völlig treu geblieben. Seine ganze Folgezeit muß ihn gegen solchen Verdacht in Schutz nehmen. Ein Windthorst und seiner Partei abfallen! In Scherz und Ernst: an diese niedrige Verirrung der Selbstsucht glauben wir nicht bei einem Manne, den

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 31, 1872, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341815_126853/512>, abgerufen am 07.05.2024.