Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 31, 1872, II. Semester. I. Band.

Bild:
<< vorherige Seite

gerundeten Glieder, schöngeformten Gestalten, kleinen Hände und Füße nicht
ändern. Aber sie mußten sich doch putzen; und das thun sie -- ach. die
Weibsstücker! -- indem sie sich ihre schönen weißen Zähne spitz feilen, wie
Katzenzähne. Es war entsetzlich, denn es machte ihr Lächeln, welches so viel
Gewalt über uns hat. wie das eines Krokodils. Ornamente sind selten.
Was würden unsere Damen thun, wenn sie keine hätten? Aber diese Exem¬
plare des schönen Geschlechts helfen sich damit, daß sie ihre schöne, warme
braune Haut über und über mit verschiedenen Mustern tättowiren.--
Sie sind nicht schwarz, sondern hellbraun und tragen etwas Gras als Zier¬
rath im durchbohrten Nasenknorpel. Kasembes Königin. Moari a Ngombe
mit Namen, würde entweder in London, Paris oder Newyork als eine wirk¬
liche Schönheit angesehen werden und doch hat sie ein kleines Loch durch den
Knorpel ihrer feinen, leicht adlerförmigen Nase gebohrt. Dafür hatte sie
aber nur eine Reihe ihrer wundervollen schneeweisen Zähne spitz gefeilt; und
wie sie lachen konnte."

Kurz, die Ausbeute an geographischen Thatsachen nach sechsjährigen
Reisen Livingstones ist äußerst gering. Wir zweifeln nicht daran, daß er
wirklich große Entdeckungen gemacht hat, -- aber warum wird alles syste¬
matisch vorenthalten? Warum wird nicht im Interesse der Wissenschaft das
Tagebuch veröffentlicht, wenn es wirklich in Europa ist? Nun kommt der
wissenschaftlich nicht gebildete, wohl etwas renommistische Amerikaner Stanley
hinzu, stutzt alles nach seiner Weise zurecht und macht die ohnehin confuse
Angelegenheit noch confuser und mysteriöser. Schuld daran aber ist einzig
und allein Livingstones Unklarheit und seine Schreibfaulheit. Das afrika¬
nische Klima scheint doch bedenklich auf ihn eingewirkt zu haben.




Kentralasten auf der Moskaner Industrieausstellung.

Rußland vertritt in Innerasien die Sache der Kultur. Seine Politik
ist dort so klug berechnet und weitausschauend, daß sie in der That wenig
zu wünschen übrig läßt. Neben den materiellen Hebeln weiß es vortrefflich
moralische Druckfedern spielen zu lassen, die so gut wirken, daß man sagen
kann, das Volk in den annectirten Theilen der Khanate ist zufrieden und
befindet sich wohl unter dem Scepter des Zaren an der Newa. Die reichen
Kaufherren von Taschkand waren entzückt über die Aufnahme in den russischen
Zollverband; die Gemeindeältesten der von den Persern abstammenden Sards
und Tadschiks nahmen mit Freuden Aemter aus den Händen der Russen an,


gerundeten Glieder, schöngeformten Gestalten, kleinen Hände und Füße nicht
ändern. Aber sie mußten sich doch putzen; und das thun sie — ach. die
Weibsstücker! — indem sie sich ihre schönen weißen Zähne spitz feilen, wie
Katzenzähne. Es war entsetzlich, denn es machte ihr Lächeln, welches so viel
Gewalt über uns hat. wie das eines Krokodils. Ornamente sind selten.
Was würden unsere Damen thun, wenn sie keine hätten? Aber diese Exem¬
plare des schönen Geschlechts helfen sich damit, daß sie ihre schöne, warme
braune Haut über und über mit verschiedenen Mustern tättowiren.--
Sie sind nicht schwarz, sondern hellbraun und tragen etwas Gras als Zier¬
rath im durchbohrten Nasenknorpel. Kasembes Königin. Moari a Ngombe
mit Namen, würde entweder in London, Paris oder Newyork als eine wirk¬
liche Schönheit angesehen werden und doch hat sie ein kleines Loch durch den
Knorpel ihrer feinen, leicht adlerförmigen Nase gebohrt. Dafür hatte sie
aber nur eine Reihe ihrer wundervollen schneeweisen Zähne spitz gefeilt; und
wie sie lachen konnte."

Kurz, die Ausbeute an geographischen Thatsachen nach sechsjährigen
Reisen Livingstones ist äußerst gering. Wir zweifeln nicht daran, daß er
wirklich große Entdeckungen gemacht hat, — aber warum wird alles syste¬
matisch vorenthalten? Warum wird nicht im Interesse der Wissenschaft das
Tagebuch veröffentlicht, wenn es wirklich in Europa ist? Nun kommt der
wissenschaftlich nicht gebildete, wohl etwas renommistische Amerikaner Stanley
hinzu, stutzt alles nach seiner Weise zurecht und macht die ohnehin confuse
Angelegenheit noch confuser und mysteriöser. Schuld daran aber ist einzig
und allein Livingstones Unklarheit und seine Schreibfaulheit. Das afrika¬
nische Klima scheint doch bedenklich auf ihn eingewirkt zu haben.




Kentralasten auf der Moskaner Industrieausstellung.

Rußland vertritt in Innerasien die Sache der Kultur. Seine Politik
ist dort so klug berechnet und weitausschauend, daß sie in der That wenig
zu wünschen übrig läßt. Neben den materiellen Hebeln weiß es vortrefflich
moralische Druckfedern spielen zu lassen, die so gut wirken, daß man sagen
kann, das Volk in den annectirten Theilen der Khanate ist zufrieden und
befindet sich wohl unter dem Scepter des Zaren an der Newa. Die reichen
Kaufherren von Taschkand waren entzückt über die Aufnahme in den russischen
Zollverband; die Gemeindeältesten der von den Persern abstammenden Sards
und Tadschiks nahmen mit Freuden Aemter aus den Händen der Russen an,


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0309" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/128237"/>
          <p xml:id="ID_1045" prev="#ID_1044"> gerundeten Glieder, schöngeformten Gestalten, kleinen Hände und Füße nicht<lb/>
ändern. Aber sie mußten sich doch putzen; und das thun sie &#x2014; ach. die<lb/>
Weibsstücker! &#x2014; indem sie sich ihre schönen weißen Zähne spitz feilen, wie<lb/>
Katzenzähne. Es war entsetzlich, denn es machte ihr Lächeln, welches so viel<lb/>
Gewalt über uns hat. wie das eines Krokodils. Ornamente sind selten.<lb/>
Was würden unsere Damen thun, wenn sie keine hätten? Aber diese Exem¬<lb/>
plare des schönen Geschlechts helfen sich damit, daß sie ihre schöne, warme<lb/>
braune Haut über und über mit verschiedenen Mustern tättowiren.--<lb/>
Sie sind nicht schwarz, sondern hellbraun und tragen etwas Gras als Zier¬<lb/>
rath im durchbohrten Nasenknorpel. Kasembes Königin. Moari a Ngombe<lb/>
mit Namen, würde entweder in London, Paris oder Newyork als eine wirk¬<lb/>
liche Schönheit angesehen werden und doch hat sie ein kleines Loch durch den<lb/>
Knorpel ihrer feinen, leicht adlerförmigen Nase gebohrt. Dafür hatte sie<lb/>
aber nur eine Reihe ihrer wundervollen schneeweisen Zähne spitz gefeilt; und<lb/>
wie sie lachen konnte."</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1046"> Kurz, die Ausbeute an geographischen Thatsachen nach sechsjährigen<lb/>
Reisen Livingstones ist äußerst gering. Wir zweifeln nicht daran, daß er<lb/>
wirklich große Entdeckungen gemacht hat, &#x2014; aber warum wird alles syste¬<lb/>
matisch vorenthalten? Warum wird nicht im Interesse der Wissenschaft das<lb/>
Tagebuch veröffentlicht, wenn es wirklich in Europa ist? Nun kommt der<lb/>
wissenschaftlich nicht gebildete, wohl etwas renommistische Amerikaner Stanley<lb/>
hinzu, stutzt alles nach seiner Weise zurecht und macht die ohnehin confuse<lb/>
Angelegenheit noch confuser und mysteriöser. Schuld daran aber ist einzig<lb/>
und allein Livingstones Unklarheit und seine Schreibfaulheit. Das afrika¬<lb/>
nische Klima scheint doch bedenklich auf ihn eingewirkt zu haben.</p><lb/>
          <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
        </div>
        <div n="1">
          <head> Kentralasten auf der Moskaner Industrieausstellung.</head><lb/>
          <p xml:id="ID_1047" next="#ID_1048"> Rußland vertritt in Innerasien die Sache der Kultur. Seine Politik<lb/>
ist dort so klug berechnet und weitausschauend, daß sie in der That wenig<lb/>
zu wünschen übrig läßt. Neben den materiellen Hebeln weiß es vortrefflich<lb/>
moralische Druckfedern spielen zu lassen, die so gut wirken, daß man sagen<lb/>
kann, das Volk in den annectirten Theilen der Khanate ist zufrieden und<lb/>
befindet sich wohl unter dem Scepter des Zaren an der Newa. Die reichen<lb/>
Kaufherren von Taschkand waren entzückt über die Aufnahme in den russischen<lb/>
Zollverband; die Gemeindeältesten der von den Persern abstammenden Sards<lb/>
und Tadschiks nahmen mit Freuden Aemter aus den Händen der Russen an,</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0309] gerundeten Glieder, schöngeformten Gestalten, kleinen Hände und Füße nicht ändern. Aber sie mußten sich doch putzen; und das thun sie — ach. die Weibsstücker! — indem sie sich ihre schönen weißen Zähne spitz feilen, wie Katzenzähne. Es war entsetzlich, denn es machte ihr Lächeln, welches so viel Gewalt über uns hat. wie das eines Krokodils. Ornamente sind selten. Was würden unsere Damen thun, wenn sie keine hätten? Aber diese Exem¬ plare des schönen Geschlechts helfen sich damit, daß sie ihre schöne, warme braune Haut über und über mit verschiedenen Mustern tättowiren.-- Sie sind nicht schwarz, sondern hellbraun und tragen etwas Gras als Zier¬ rath im durchbohrten Nasenknorpel. Kasembes Königin. Moari a Ngombe mit Namen, würde entweder in London, Paris oder Newyork als eine wirk¬ liche Schönheit angesehen werden und doch hat sie ein kleines Loch durch den Knorpel ihrer feinen, leicht adlerförmigen Nase gebohrt. Dafür hatte sie aber nur eine Reihe ihrer wundervollen schneeweisen Zähne spitz gefeilt; und wie sie lachen konnte." Kurz, die Ausbeute an geographischen Thatsachen nach sechsjährigen Reisen Livingstones ist äußerst gering. Wir zweifeln nicht daran, daß er wirklich große Entdeckungen gemacht hat, — aber warum wird alles syste¬ matisch vorenthalten? Warum wird nicht im Interesse der Wissenschaft das Tagebuch veröffentlicht, wenn es wirklich in Europa ist? Nun kommt der wissenschaftlich nicht gebildete, wohl etwas renommistische Amerikaner Stanley hinzu, stutzt alles nach seiner Weise zurecht und macht die ohnehin confuse Angelegenheit noch confuser und mysteriöser. Schuld daran aber ist einzig und allein Livingstones Unklarheit und seine Schreibfaulheit. Das afrika¬ nische Klima scheint doch bedenklich auf ihn eingewirkt zu haben. Kentralasten auf der Moskaner Industrieausstellung. Rußland vertritt in Innerasien die Sache der Kultur. Seine Politik ist dort so klug berechnet und weitausschauend, daß sie in der That wenig zu wünschen übrig läßt. Neben den materiellen Hebeln weiß es vortrefflich moralische Druckfedern spielen zu lassen, die so gut wirken, daß man sagen kann, das Volk in den annectirten Theilen der Khanate ist zufrieden und befindet sich wohl unter dem Scepter des Zaren an der Newa. Die reichen Kaufherren von Taschkand waren entzückt über die Aufnahme in den russischen Zollverband; die Gemeindeältesten der von den Persern abstammenden Sards und Tadschiks nahmen mit Freuden Aemter aus den Händen der Russen an,

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341815_127927
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341815_127927/309
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 31, 1872, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341815_127927/309>, abgerufen am 04.05.2024.