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Die Grenzboten. Jg. 31, 1872, II. Semester. II. Band.

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den wandermüden Forscher in Udschidschi getroffen, Hütte an Hütte mit ihm
gewohnt und beschrieb ihn als alt, mit langem grauem Bart, durch schwere
Krankheit herabgekommen und geschwächt. Aber das war schon vor sehr
langer Zeit gewesen. (Schluß folgt.)




Der letzte jesuitische Jeldzug im tiroler Landtag.

Die clericale Mehrheit des tiroler Landtags gab schon oft und viel zu
reden von ihren Sondergelüsten, ihrem wunderlichen Staatsrecht, dem Veto
der Bischöfe in Schulsachen, dem Privileg zur Ablehnung der Kriegshülfe,
ihrem Wahrspruch über die Decemberverfassung u. tgi. in. Aber ihre jüngste
Leistung hat unseres Erachtens die früheren doch fast in Schatten gestellt.

Am 8. Oktober dieses Jahres versammelte sich im Palaste des Fürsten
Salm zu Wien ein föderalistisches Kränzchen, worin auch Tirol mannhaft
vertreten war. Die Vorkämpfer der österreichischen "Rechtspartei" beschlossen
beharrlichen passiven Widerstand gegen die Decemberverfassung durch Nicht-
beschickung des Reichsrathes und seiner Delegationen, eventuell auch der Land¬
tage. Diesen parlamentarischen Strike recht drastisch in Scene zu setzen war
Niemand geschickter als der Jesuitenklub im tiroler Landtage. Im Vertrauen
auf seine mächtigen Helfer übernahm er die Initiative. Anlaß dazu gab die
Rektorwahl an der Universität Innsbruck. Damit verhielt es sich folgender-
maßen.

Das provisorische Gesetz vom 29. September 1849 verordnete, daß der
Rektor an sämmtlichen österreichischen Universitäten nur aus der Zahl der
ordentlichen Professoren, d. i. solcher, die vom Kaiser ernannt und auf die
Staatsgesetze vereidet sind, ernannt werden solle. Der Concordatsminister
Graf Leo Thun hob indessen zu Gunsten der Jesuiten, denen die neuerrichtete
theologische Fakultät in Innsbruck auf Grund einer kaiserlichen Entschließung
überantwortet wurde, diese Bestimmung auf, und bedeutete in einem an den
akademischen Senat daselbst gerichteten, aber nie veröffentlichten Erlaß vom
6. November 1867, "daß jene Priester der Gesellschaft Jesu als Professoren
der theologischen Fakultät ohne weiteres anzuerkennen sein werden, welche
der Vorstand der Ordensprovinz dem akademischen Senate als solche namhaft
machen wird," und erklärte die akademischen Gesetze auch gültig für die Wahl
des Universitätsrektors aus dieser Fakultät. Hiernach mußte das Rektorat
der Reihe nach je im dritten, und, nach Errichtung der medicinischen Fakultät


den wandermüden Forscher in Udschidschi getroffen, Hütte an Hütte mit ihm
gewohnt und beschrieb ihn als alt, mit langem grauem Bart, durch schwere
Krankheit herabgekommen und geschwächt. Aber das war schon vor sehr
langer Zeit gewesen. (Schluß folgt.)




Der letzte jesuitische Jeldzug im tiroler Landtag.

Die clericale Mehrheit des tiroler Landtags gab schon oft und viel zu
reden von ihren Sondergelüsten, ihrem wunderlichen Staatsrecht, dem Veto
der Bischöfe in Schulsachen, dem Privileg zur Ablehnung der Kriegshülfe,
ihrem Wahrspruch über die Decemberverfassung u. tgi. in. Aber ihre jüngste
Leistung hat unseres Erachtens die früheren doch fast in Schatten gestellt.

Am 8. Oktober dieses Jahres versammelte sich im Palaste des Fürsten
Salm zu Wien ein föderalistisches Kränzchen, worin auch Tirol mannhaft
vertreten war. Die Vorkämpfer der österreichischen „Rechtspartei" beschlossen
beharrlichen passiven Widerstand gegen die Decemberverfassung durch Nicht-
beschickung des Reichsrathes und seiner Delegationen, eventuell auch der Land¬
tage. Diesen parlamentarischen Strike recht drastisch in Scene zu setzen war
Niemand geschickter als der Jesuitenklub im tiroler Landtage. Im Vertrauen
auf seine mächtigen Helfer übernahm er die Initiative. Anlaß dazu gab die
Rektorwahl an der Universität Innsbruck. Damit verhielt es sich folgender-
maßen.

Das provisorische Gesetz vom 29. September 1849 verordnete, daß der
Rektor an sämmtlichen österreichischen Universitäten nur aus der Zahl der
ordentlichen Professoren, d. i. solcher, die vom Kaiser ernannt und auf die
Staatsgesetze vereidet sind, ernannt werden solle. Der Concordatsminister
Graf Leo Thun hob indessen zu Gunsten der Jesuiten, denen die neuerrichtete
theologische Fakultät in Innsbruck auf Grund einer kaiserlichen Entschließung
überantwortet wurde, diese Bestimmung auf, und bedeutete in einem an den
akademischen Senat daselbst gerichteten, aber nie veröffentlichten Erlaß vom
6. November 1867, „daß jene Priester der Gesellschaft Jesu als Professoren
der theologischen Fakultät ohne weiteres anzuerkennen sein werden, welche
der Vorstand der Ordensprovinz dem akademischen Senate als solche namhaft
machen wird," und erklärte die akademischen Gesetze auch gültig für die Wahl
des Universitätsrektors aus dieser Fakultät. Hiernach mußte das Rektorat
der Reihe nach je im dritten, und, nach Errichtung der medicinischen Fakultät


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 31, 1872, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341815_128453/475>, abgerufen am 05.05.2024.