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Die Grenzboten. Jg. 32, 1873, I. Semester. I. Band.

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türkischen Eisenbahnnetzes, welches reiche Provinzen zu beleben und zu er¬
schließen bestimmt ist. Jene Vermehrung der Reisen ist aber nicht allein von
Vortheil für die Rheder und vorzüglich für die großen Dampfschifffahrts-Ge-
sellschaften, unter denen der Oesterreichische Lloyd eine hervorragende Stellung
einnimmt, sondern selbstverständlich auch für die Zollstätten in den Häfen der
Levante, welche commercielle Beziehungen mit den Hafenplätzen des Westens
unterhalten und vies versa,. Daraus ergiebt sich dann, daß die Einnahmen
der Douanen von Marseille, Trieft und Konstantinopel z. B. in analoger
Weise sich steigern würden, wenn der Kanal in Benutzung genommen würde.
Das Geld also, welches die Mächte, deren Schiffe den Handel des Mittel¬
meeres vermitteln, für eine Verbindung des Busens von Korinth mit dem
Busen von Angina ausgeben, muß indirect in ihre Kassen zurückfließen, ohne
der unbestreitbaren Vortheile zu gedenken, welche damit für ihren Handel und
ihre Rhederei erworben werden -- Vortheile, welche von Lefseps und seinen
Freunden, wie uns scheint, einigermaßen übertrieben werden, aber auch nach
Abzug solcher Gründerzierrathen bedeutend und der Beachtung werth bleiben.

Schließlich würde man die Schiffe, welche den Kanal passiren, ein mä¬
ßiges Durchgangsgeld (dasselbe müßte sehr mäßig sein, wenn die neue See¬
straße auch von Segelschiffen passirt werden soll) zahlen lassen, und der Er¬
trag dieser Abgabe würde unter die Mächte zu vertheilen sein, welche ihre
Kapitalien zu diesem Unternehmen hergegeben hätten. Die hiesige Regierung
sollte, wenn erst die leidige Laurionsrage mit der Verstimmung, die sie in Rom
und Versailles hervorgerufen hat, wieder von der Bühne verschwunden sein
wird, die Initiative in dieser Angelegenheit ergreifen und den Mittelmeer¬
mächten einen Plan in Betreff derselben vorlegen. Ich habe Grund zu dem
Glauben, daß eine solche Anregung wenigstens in Wien und Konstantinopel
günstiger Aufnahme begegnen würde. Dagegen ist nicht daran zu denken, daß
das griechische Gouvernement allein im Stande und Willens sein könnte, sich
an der Ausführung des Lessepsschen Gedankens in dem Maße zu betheiligen,
welches eine Verwirklichung desselben erfordert, und eine Privatgesellschaft
wird sich ohne Zinsengarantie niemals an die Sache machen.


9>.


KeisesKizzen aus Aelgien.

Wer gleich uns Jahre lang den Bau der "großen Pferdebahn" vom
Berliner Dönhofsplatz nach den klassischen Gefilden von Schöneberg in einer


Grenzboten 187J. i. 19

türkischen Eisenbahnnetzes, welches reiche Provinzen zu beleben und zu er¬
schließen bestimmt ist. Jene Vermehrung der Reisen ist aber nicht allein von
Vortheil für die Rheder und vorzüglich für die großen Dampfschifffahrts-Ge-
sellschaften, unter denen der Oesterreichische Lloyd eine hervorragende Stellung
einnimmt, sondern selbstverständlich auch für die Zollstätten in den Häfen der
Levante, welche commercielle Beziehungen mit den Hafenplätzen des Westens
unterhalten und vies versa,. Daraus ergiebt sich dann, daß die Einnahmen
der Douanen von Marseille, Trieft und Konstantinopel z. B. in analoger
Weise sich steigern würden, wenn der Kanal in Benutzung genommen würde.
Das Geld also, welches die Mächte, deren Schiffe den Handel des Mittel¬
meeres vermitteln, für eine Verbindung des Busens von Korinth mit dem
Busen von Angina ausgeben, muß indirect in ihre Kassen zurückfließen, ohne
der unbestreitbaren Vortheile zu gedenken, welche damit für ihren Handel und
ihre Rhederei erworben werden — Vortheile, welche von Lefseps und seinen
Freunden, wie uns scheint, einigermaßen übertrieben werden, aber auch nach
Abzug solcher Gründerzierrathen bedeutend und der Beachtung werth bleiben.

Schließlich würde man die Schiffe, welche den Kanal passiren, ein mä¬
ßiges Durchgangsgeld (dasselbe müßte sehr mäßig sein, wenn die neue See¬
straße auch von Segelschiffen passirt werden soll) zahlen lassen, und der Er¬
trag dieser Abgabe würde unter die Mächte zu vertheilen sein, welche ihre
Kapitalien zu diesem Unternehmen hergegeben hätten. Die hiesige Regierung
sollte, wenn erst die leidige Laurionsrage mit der Verstimmung, die sie in Rom
und Versailles hervorgerufen hat, wieder von der Bühne verschwunden sein
wird, die Initiative in dieser Angelegenheit ergreifen und den Mittelmeer¬
mächten einen Plan in Betreff derselben vorlegen. Ich habe Grund zu dem
Glauben, daß eine solche Anregung wenigstens in Wien und Konstantinopel
günstiger Aufnahme begegnen würde. Dagegen ist nicht daran zu denken, daß
das griechische Gouvernement allein im Stande und Willens sein könnte, sich
an der Ausführung des Lessepsschen Gedankens in dem Maße zu betheiligen,
welches eine Verwirklichung desselben erfordert, und eine Privatgesellschaft
wird sich ohne Zinsengarantie niemals an die Sache machen.


9>.


KeisesKizzen aus Aelgien.

Wer gleich uns Jahre lang den Bau der „großen Pferdebahn" vom
Berliner Dönhofsplatz nach den klassischen Gefilden von Schöneberg in einer


Grenzboten 187J. i. 19
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[0153] türkischen Eisenbahnnetzes, welches reiche Provinzen zu beleben und zu er¬ schließen bestimmt ist. Jene Vermehrung der Reisen ist aber nicht allein von Vortheil für die Rheder und vorzüglich für die großen Dampfschifffahrts-Ge- sellschaften, unter denen der Oesterreichische Lloyd eine hervorragende Stellung einnimmt, sondern selbstverständlich auch für die Zollstätten in den Häfen der Levante, welche commercielle Beziehungen mit den Hafenplätzen des Westens unterhalten und vies versa,. Daraus ergiebt sich dann, daß die Einnahmen der Douanen von Marseille, Trieft und Konstantinopel z. B. in analoger Weise sich steigern würden, wenn der Kanal in Benutzung genommen würde. Das Geld also, welches die Mächte, deren Schiffe den Handel des Mittel¬ meeres vermitteln, für eine Verbindung des Busens von Korinth mit dem Busen von Angina ausgeben, muß indirect in ihre Kassen zurückfließen, ohne der unbestreitbaren Vortheile zu gedenken, welche damit für ihren Handel und ihre Rhederei erworben werden — Vortheile, welche von Lefseps und seinen Freunden, wie uns scheint, einigermaßen übertrieben werden, aber auch nach Abzug solcher Gründerzierrathen bedeutend und der Beachtung werth bleiben. Schließlich würde man die Schiffe, welche den Kanal passiren, ein mä¬ ßiges Durchgangsgeld (dasselbe müßte sehr mäßig sein, wenn die neue See¬ straße auch von Segelschiffen passirt werden soll) zahlen lassen, und der Er¬ trag dieser Abgabe würde unter die Mächte zu vertheilen sein, welche ihre Kapitalien zu diesem Unternehmen hergegeben hätten. Die hiesige Regierung sollte, wenn erst die leidige Laurionsrage mit der Verstimmung, die sie in Rom und Versailles hervorgerufen hat, wieder von der Bühne verschwunden sein wird, die Initiative in dieser Angelegenheit ergreifen und den Mittelmeer¬ mächten einen Plan in Betreff derselben vorlegen. Ich habe Grund zu dem Glauben, daß eine solche Anregung wenigstens in Wien und Konstantinopel günstiger Aufnahme begegnen würde. Dagegen ist nicht daran zu denken, daß das griechische Gouvernement allein im Stande und Willens sein könnte, sich an der Ausführung des Lessepsschen Gedankens in dem Maße zu betheiligen, welches eine Verwirklichung desselben erfordert, und eine Privatgesellschaft wird sich ohne Zinsengarantie niemals an die Sache machen. 9>. KeisesKizzen aus Aelgien. Wer gleich uns Jahre lang den Bau der „großen Pferdebahn" vom Berliner Dönhofsplatz nach den klassischen Gefilden von Schöneberg in einer Grenzboten 187J. i. 19

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 32, 1873, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341817_128991/153>, abgerufen am 05.05.2024.