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Die Grenzboten. Jg. 32, 1873, I. Semester. II. Band.

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Art vorgekommen. Sehr häufig geschieht es zwar auch nicht, aber es kommt
doch vor, daß die Ortsvorstände von Bauerdörfern den betreffenden Antrag
machen. Bauern sind überall schwer für eine Neuerung, namentlich wenn sie
ihnen keinen materiellen Vortheil bringt, in Bewegung zu setzen.

Wenn nun noch die Art der vollzogenen Verdeutschung der Ortsnamen
einer Kennzeichnung unterworfen werden soll, so sind, von der deutschen
Schreibart polnischer Namen abgesehn, alle meine drei Klassen derselben dabei
vertreten, am wenigsten wol die beschränkte Abänderung des Namens, so daß
er bloß einen etwas deutschen Klang erhält. Das ist u. a. geschehn bei
Siemkau anstatt Siemkowo (syr. Schemkowo), Brust anstatt Brzusz, Wiesen"
wald anstatt Wisoko, auch bei den ursprünglich deutschen Namen Waldau,
Rosenau, Fronau u. a., wiederhergestellt aus Waldowo, Rosnowo, Wronie.
Häufiger hat man Uebersetzungen vorgenommen, z. B. Kaltspring, Ofen,
Weidenhof, Stuthof für Zymnisdroi, Piece, Wierzbowo, Kobyli. Ohne
Rücksicht auf die bisherigen Bezeichnungen sind vorzugsweise die Domänen¬
vorwerke umgetauft worden, z. B. im Kreise Sander auf einmal Dusznik,
Lubieniee, Mlynkowo, Senkowo und Ludowo in Kaisershos, Wilhelmshof,
Augustenhof, Albrechtshof und Preußenhof. Auffallend ist dabei die einför¬
mige Anwendung des Wortes "Hof", bei Dörfern findet sich ebenso häufig
das Endwort "Dorf". In meinen "Neun Kap." habe ich Rathschläge zur
Vermeidung solcher Einförmigkeit gegeben, indem ich auf das Vorbild der
Ortsnamen in urdeutschen Gegenden wies. Doch das ist eine Nebensache und
kann die Freude des deutschen Patrioten darüber nicht beeinträchtigen, daß
seit 10 bis 12 Jahren ein paar hundert Ortschaften in Westpreußen und
Posen ihr slawisches Obergewand abgelegt und ein deutsches angezogen haben.




Aer deutsche Uatiomlfesttag.

Zur rechten Zeit ist in Ur. 9. d. Bl. durch den trefflichen Aufsatz des
Herrn Dr. H. Eckardt "Ueber die Wahl eines nationalen Gedenktages für
den Krieg 1870/71" diese im vorigen Jahre so lebhaft behandelte Frage, welche
bis zu befriedigender Lösung von der Tagesordnung nicht wieder abgesetzt
werden kann, von Neuem in Anregung gebracht worden. Mit guten, unwi>
derleglichen Gründen wird dort noch einmal die Wahl des 2. September,
des Tages von Sedan, als die richtige empfohlen gegenüber den beiden anderen
Tagen, dem 18. Januar und dem 10. Mai, denen man von anderen Seiten,


Art vorgekommen. Sehr häufig geschieht es zwar auch nicht, aber es kommt
doch vor, daß die Ortsvorstände von Bauerdörfern den betreffenden Antrag
machen. Bauern sind überall schwer für eine Neuerung, namentlich wenn sie
ihnen keinen materiellen Vortheil bringt, in Bewegung zu setzen.

Wenn nun noch die Art der vollzogenen Verdeutschung der Ortsnamen
einer Kennzeichnung unterworfen werden soll, so sind, von der deutschen
Schreibart polnischer Namen abgesehn, alle meine drei Klassen derselben dabei
vertreten, am wenigsten wol die beschränkte Abänderung des Namens, so daß
er bloß einen etwas deutschen Klang erhält. Das ist u. a. geschehn bei
Siemkau anstatt Siemkowo (syr. Schemkowo), Brust anstatt Brzusz, Wiesen»
wald anstatt Wisoko, auch bei den ursprünglich deutschen Namen Waldau,
Rosenau, Fronau u. a., wiederhergestellt aus Waldowo, Rosnowo, Wronie.
Häufiger hat man Uebersetzungen vorgenommen, z. B. Kaltspring, Ofen,
Weidenhof, Stuthof für Zymnisdroi, Piece, Wierzbowo, Kobyli. Ohne
Rücksicht auf die bisherigen Bezeichnungen sind vorzugsweise die Domänen¬
vorwerke umgetauft worden, z. B. im Kreise Sander auf einmal Dusznik,
Lubieniee, Mlynkowo, Senkowo und Ludowo in Kaisershos, Wilhelmshof,
Augustenhof, Albrechtshof und Preußenhof. Auffallend ist dabei die einför¬
mige Anwendung des Wortes „Hof", bei Dörfern findet sich ebenso häufig
das Endwort „Dorf". In meinen „Neun Kap." habe ich Rathschläge zur
Vermeidung solcher Einförmigkeit gegeben, indem ich auf das Vorbild der
Ortsnamen in urdeutschen Gegenden wies. Doch das ist eine Nebensache und
kann die Freude des deutschen Patrioten darüber nicht beeinträchtigen, daß
seit 10 bis 12 Jahren ein paar hundert Ortschaften in Westpreußen und
Posen ihr slawisches Obergewand abgelegt und ein deutsches angezogen haben.




Aer deutsche Uatiomlfesttag.

Zur rechten Zeit ist in Ur. 9. d. Bl. durch den trefflichen Aufsatz des
Herrn Dr. H. Eckardt „Ueber die Wahl eines nationalen Gedenktages für
den Krieg 1870/71" diese im vorigen Jahre so lebhaft behandelte Frage, welche
bis zu befriedigender Lösung von der Tagesordnung nicht wieder abgesetzt
werden kann, von Neuem in Anregung gebracht worden. Mit guten, unwi>
derleglichen Gründen wird dort noch einmal die Wahl des 2. September,
des Tages von Sedan, als die richtige empfohlen gegenüber den beiden anderen
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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 32, 1873, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341817_129525/160>, abgerufen am 08.05.2024.