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Die Grenzboten. Jg. 32, 1873, I. Semester. II. Band.

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Professor Iriedrich gegen die Wortbrüchigkeit deutscher
Mschöfe.

In der alten Konzilstadt Konstanz haben gegenwärtig diejenigen süd¬
deutschen Kämpfer ihr Hauptquartier aufgeschlagen, die mit Schrift und Wort
gegen die Kurie zu Felde ziehen. Hier erscheinen wöchentlich zweimal jene
wunderbar erfolgreichen Feuilletons, die unter dem gemeinsamen Titel "der
Scheuerpurzel" der römischen Klerisei zur Verzweiflung, allen Freunden des
Lichts in Baden und in den angrenzenden deutschen Ländern zur höchsten
Freude und Erbauung gereichen, ja die bis weit in die Schweiz hinein wirken.
Seitdem Hütten die Gebildeten seiner Tage durch seine HMtolae odseurorum
virorvm mit Zorn und Spott gegen die Verderbnis? der Kirche seiner Zeit
erfüllte und Luther mit seinen markigen volksthümlichen Schriften die Massen
zur Lossage von Rom anfeuerte, ist durch die Presse eine ähnliche Wirkung in
eiyem religiös-politischen Streit wol selten mehr in so weiten Kreisenerzielt wor¬
den, als durch diese Artikel des "Scheuerpurzel". Sie sind geschrieben in volks-
thümlichster Form und Sprache, mit jener Art von Spott und Humor, Logik und
Beredsamkeit, die den Mann aus dem Volke im badischen Land anheimelt, als
ob der nächste Nachbar zu ihm spräche. Der Winzer am Oberrhein so gut
wie der Flößer des Schwarzwaldes und der Bauer der Niederung versteht
diesen echten Volkston, mit welchem der "Scheuerpurzel" wöchentlich zwei¬
mal die ganze Verwerflichkeit und UnHaltbarkeit des jesuitischen Ultramonta¬
nismus in einzelnen Bildern enthüllt. Die Wirkung ist eine ungeheure. An¬
fangs erschraken selbst freie Geister über die Kühnheit, mit welcher hier die
Axt an das Mark der afterkatholischen Kirche und Lehre, die jesuitische Er¬
ziehung und Gesinnung der Priester u. s. w. gelegt wurde. Aber heute greift
auch der bigotte Bauer des Schwarzwaldes mit Ungeduld nach den Post-
Paketen, die den "Scheuerpurzel" auf seine Höhe tragen. Der Klerus von
Mannheim bis Konstanz eifert dagegen, von der Kanzel, in der Presse und
im Beichtstuhl; neulich ward sogar eine große Priesterversammlung, gewisser¬
maßen als klerikaler Landsturm, gegen den "Scheuerpurzel" aufgeboten. Aber
sie war zu kläglich besucht, um eine auch nur im eigenen Lager beachtenswerthe


Grenzboten 1873. II. 26
Professor Iriedrich gegen die Wortbrüchigkeit deutscher
Mschöfe.

In der alten Konzilstadt Konstanz haben gegenwärtig diejenigen süd¬
deutschen Kämpfer ihr Hauptquartier aufgeschlagen, die mit Schrift und Wort
gegen die Kurie zu Felde ziehen. Hier erscheinen wöchentlich zweimal jene
wunderbar erfolgreichen Feuilletons, die unter dem gemeinsamen Titel „der
Scheuerpurzel" der römischen Klerisei zur Verzweiflung, allen Freunden des
Lichts in Baden und in den angrenzenden deutschen Ländern zur höchsten
Freude und Erbauung gereichen, ja die bis weit in die Schweiz hinein wirken.
Seitdem Hütten die Gebildeten seiner Tage durch seine HMtolae odseurorum
virorvm mit Zorn und Spott gegen die Verderbnis? der Kirche seiner Zeit
erfüllte und Luther mit seinen markigen volksthümlichen Schriften die Massen
zur Lossage von Rom anfeuerte, ist durch die Presse eine ähnliche Wirkung in
eiyem religiös-politischen Streit wol selten mehr in so weiten Kreisenerzielt wor¬
den, als durch diese Artikel des „Scheuerpurzel". Sie sind geschrieben in volks-
thümlichster Form und Sprache, mit jener Art von Spott und Humor, Logik und
Beredsamkeit, die den Mann aus dem Volke im badischen Land anheimelt, als
ob der nächste Nachbar zu ihm spräche. Der Winzer am Oberrhein so gut
wie der Flößer des Schwarzwaldes und der Bauer der Niederung versteht
diesen echten Volkston, mit welchem der „Scheuerpurzel" wöchentlich zwei¬
mal die ganze Verwerflichkeit und UnHaltbarkeit des jesuitischen Ultramonta¬
nismus in einzelnen Bildern enthüllt. Die Wirkung ist eine ungeheure. An¬
fangs erschraken selbst freie Geister über die Kühnheit, mit welcher hier die
Axt an das Mark der afterkatholischen Kirche und Lehre, die jesuitische Er¬
ziehung und Gesinnung der Priester u. s. w. gelegt wurde. Aber heute greift
auch der bigotte Bauer des Schwarzwaldes mit Ungeduld nach den Post-
Paketen, die den „Scheuerpurzel" auf seine Höhe tragen. Der Klerus von
Mannheim bis Konstanz eifert dagegen, von der Kanzel, in der Presse und
im Beichtstuhl; neulich ward sogar eine große Priesterversammlung, gewisser¬
maßen als klerikaler Landsturm, gegen den „Scheuerpurzel" aufgeboten. Aber
sie war zu kläglich besucht, um eine auch nur im eigenen Lager beachtenswerthe


Grenzboten 1873. II. 26
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[0209] Professor Iriedrich gegen die Wortbrüchigkeit deutscher Mschöfe. In der alten Konzilstadt Konstanz haben gegenwärtig diejenigen süd¬ deutschen Kämpfer ihr Hauptquartier aufgeschlagen, die mit Schrift und Wort gegen die Kurie zu Felde ziehen. Hier erscheinen wöchentlich zweimal jene wunderbar erfolgreichen Feuilletons, die unter dem gemeinsamen Titel „der Scheuerpurzel" der römischen Klerisei zur Verzweiflung, allen Freunden des Lichts in Baden und in den angrenzenden deutschen Ländern zur höchsten Freude und Erbauung gereichen, ja die bis weit in die Schweiz hinein wirken. Seitdem Hütten die Gebildeten seiner Tage durch seine HMtolae odseurorum virorvm mit Zorn und Spott gegen die Verderbnis? der Kirche seiner Zeit erfüllte und Luther mit seinen markigen volksthümlichen Schriften die Massen zur Lossage von Rom anfeuerte, ist durch die Presse eine ähnliche Wirkung in eiyem religiös-politischen Streit wol selten mehr in so weiten Kreisenerzielt wor¬ den, als durch diese Artikel des „Scheuerpurzel". Sie sind geschrieben in volks- thümlichster Form und Sprache, mit jener Art von Spott und Humor, Logik und Beredsamkeit, die den Mann aus dem Volke im badischen Land anheimelt, als ob der nächste Nachbar zu ihm spräche. Der Winzer am Oberrhein so gut wie der Flößer des Schwarzwaldes und der Bauer der Niederung versteht diesen echten Volkston, mit welchem der „Scheuerpurzel" wöchentlich zwei¬ mal die ganze Verwerflichkeit und UnHaltbarkeit des jesuitischen Ultramonta¬ nismus in einzelnen Bildern enthüllt. Die Wirkung ist eine ungeheure. An¬ fangs erschraken selbst freie Geister über die Kühnheit, mit welcher hier die Axt an das Mark der afterkatholischen Kirche und Lehre, die jesuitische Er¬ ziehung und Gesinnung der Priester u. s. w. gelegt wurde. Aber heute greift auch der bigotte Bauer des Schwarzwaldes mit Ungeduld nach den Post- Paketen, die den „Scheuerpurzel" auf seine Höhe tragen. Der Klerus von Mannheim bis Konstanz eifert dagegen, von der Kanzel, in der Presse und im Beichtstuhl; neulich ward sogar eine große Priesterversammlung, gewisser¬ maßen als klerikaler Landsturm, gegen den „Scheuerpurzel" aufgeboten. Aber sie war zu kläglich besucht, um eine auch nur im eigenen Lager beachtenswerthe Grenzboten 1873. II. 26

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 32, 1873, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341817_129525/209>, abgerufen am 08.05.2024.