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Die Grenzboten. Jg. 32, 1873, II. Semester. II. Band.

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Mit Ser. 4" beginnt diese Zeitschrift ein neues Quartal, welches
durch alle Buchhandlungen und Postämter des In- und Auslandes
zu beziehen ist.
Privatpersonen, gesellige Vereine, Lesegesellschaften,
Kaffeehäuser und Couvitoreieu werden um gefällige Berücksichtigung
derselben freundlichst gebeten.
Leipzig, September 1873. Die Verlagshandlung.

Julian Schmidt's Inder aus dem geistigen Leben
unsrer Zeit.

Seitdem die Feuilletons unsrer großen Zeitungen zum Arbeitsfeld für
die hervorragendsten Schriftsteller unsrer Nation geworden sind, ist der Wunsch
immer allgemeiner geworden, daß die besten dieser Publicationen "unterm
Strich" durch Sonderabdruck ausgenommen werden möchten von dem uner¬
bittlichen Schicksal schneller Vergessenheit, das allem Inhalt der Tageszeitungen
beschicken ist. Diesem Wunsche wird je länger je mehr Rechnung getragen.
Romane und Novellen, Kritiken und Essays, wirthschaftliche, literarische und
kulturpolitische Arbeiten, welche die Feuilletons unsrer Zeitungen zierten,
grüßen uns häufig einige Zeit später in Buchform als alte liebe Bekannte.
Nicht selten gibt der bis dahin unbekannte Vater erst dann dem Kinde sei¬
nen legitimen Namen, wenn es im losen Gewände des Journals soviel
Glück gemacht hat, daß es nun als stattlicher Band auf dem Markte des
deutschen Buchhandels wettwerbend auftreten kann. Wenn man die Novi¬
täten des Meßkatalogs darauf hin prüfen wollte, wie viel von dieser geistigen
Arbeit bereits einmal in Zeitungen sein Publikum gefunden hatte, nicht der
kleinste und unbedeutenste Theil unserer jährlichen schriftstellerischen Production
würde in diese Kategorie einzureihen sein.

Im Grunde vollzieht sich auf diese Weise eine Correctur zahlreicher Mi߬
stände, an denen der deutsche Buchhandel mit vollem Bewußtsein krankt,
ohne in sich selbst die Mittel und Kraft zur Heilung zu finden. Vor allem
kann das Feuilleton unsrer Zeitungen Interessen gerecht werden, welche der
heutige Tag, die heutige Stunde in den Vordergrund drängt, und die den¬
noch in späteren Zeiten noch ruhigere Aufmerksamkeit finden, weil sie aus dem
unendlichen Meere der gemeinsamen Kultur und der Geschichtserfahrung der
Menschheit geschöpft wurden. Tag und Stunde hat sie an die glänzend
bewegte Oberfläche dieser Fluth getragen. Sie würden für immer verrauschen
in der drängenden Fluth des Tages, wenn uns der Kenner nicht zur Stunde
sagte, was sie bedeuten, von wannen sie kommen, wohin sie gehen. Der
deutsche Buchhandel kann mit dieser lebhaften, immer wechselnden Fluth der
Tagesinteressen unmöglich Schritt halten. In welcher Form sollte er es


Grenzboten IV. 1873, 6

Mit Ser. 4« beginnt diese Zeitschrift ein neues Quartal, welches
durch alle Buchhandlungen und Postämter des In- und Auslandes
zu beziehen ist.
Privatpersonen, gesellige Vereine, Lesegesellschaften,
Kaffeehäuser und Couvitoreieu werden um gefällige Berücksichtigung
derselben freundlichst gebeten.
Leipzig, September 1873. Die Verlagshandlung.

Julian Schmidt's Inder aus dem geistigen Leben
unsrer Zeit.

Seitdem die Feuilletons unsrer großen Zeitungen zum Arbeitsfeld für
die hervorragendsten Schriftsteller unsrer Nation geworden sind, ist der Wunsch
immer allgemeiner geworden, daß die besten dieser Publicationen „unterm
Strich" durch Sonderabdruck ausgenommen werden möchten von dem uner¬
bittlichen Schicksal schneller Vergessenheit, das allem Inhalt der Tageszeitungen
beschicken ist. Diesem Wunsche wird je länger je mehr Rechnung getragen.
Romane und Novellen, Kritiken und Essays, wirthschaftliche, literarische und
kulturpolitische Arbeiten, welche die Feuilletons unsrer Zeitungen zierten,
grüßen uns häufig einige Zeit später in Buchform als alte liebe Bekannte.
Nicht selten gibt der bis dahin unbekannte Vater erst dann dem Kinde sei¬
nen legitimen Namen, wenn es im losen Gewände des Journals soviel
Glück gemacht hat, daß es nun als stattlicher Band auf dem Markte des
deutschen Buchhandels wettwerbend auftreten kann. Wenn man die Novi¬
täten des Meßkatalogs darauf hin prüfen wollte, wie viel von dieser geistigen
Arbeit bereits einmal in Zeitungen sein Publikum gefunden hatte, nicht der
kleinste und unbedeutenste Theil unserer jährlichen schriftstellerischen Production
würde in diese Kategorie einzureihen sein.

Im Grunde vollzieht sich auf diese Weise eine Correctur zahlreicher Mi߬
stände, an denen der deutsche Buchhandel mit vollem Bewußtsein krankt,
ohne in sich selbst die Mittel und Kraft zur Heilung zu finden. Vor allem
kann das Feuilleton unsrer Zeitungen Interessen gerecht werden, welche der
heutige Tag, die heutige Stunde in den Vordergrund drängt, und die den¬
noch in späteren Zeiten noch ruhigere Aufmerksamkeit finden, weil sie aus dem
unendlichen Meere der gemeinsamen Kultur und der Geschichtserfahrung der
Menschheit geschöpft wurden. Tag und Stunde hat sie an die glänzend
bewegte Oberfläche dieser Fluth getragen. Sie würden für immer verrauschen
in der drängenden Fluth des Tages, wenn uns der Kenner nicht zur Stunde
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deutsche Buchhandel kann mit dieser lebhaften, immer wechselnden Fluth der
Tagesinteressen unmöglich Schritt halten. In welcher Form sollte er es


Grenzboten IV. 1873, 6
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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 32, 1873, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341817_130059/49>, abgerufen am 03.05.2024.