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Die Grenzboten. Jg. 32, 1873, II. Semester. I. Band.

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Klassische Jindttnge.
Nach den Originalen mitgetheilt von
C. A. H. Burkhardt.
1. Goethe an Zelter")
Ueber Tancred.

Aus Ihrem Briefe, werthgeschätztester Herr Zelter, bin ich Ihnen leider schon
zu lange Antwort und für die überschickten Compositionen, die mir und mei¬
nen Freunden viel Vergnügen gemacht haben, Dank schuldig. Meine Ab¬
sicht war nicht eher zu schreiben, bis ich etwas zweckmäßiges melden könnte.

Von musikalischen Dramen, an deren Ausführung ich noch denken möchte,
liegen nur zwei Anfänge unter meinen Papieren. Zu einem conisch heroi¬
schen, der zweyte Theil der Zauberflöte, zu einem tragischen die Danai-
den; doch würde ich kaum Lust und Muth eins oder das andere auszuführen
finden, wenn ich nicht einer Composition und Aufführung versichert und mit
dem Theater, auf welchem sie zuerst aufgeführt werden sollten, in unmittel¬
barer Verbindung stünde, um den ersten Eintritt durch Benutzung aller in¬
dividuellen und localen recht brillant zu machen.

Im Frühjahr schien es, als wenn Hofrath Schiller ein Trauerspiel aus¬
arbeiten würde, wozu Chöre nöthig wären; worüber ich Ihre Gedanken zu
vernehmen gedachte. Nun zieht sich dieser Plan ins Weite und ich habe da¬
gegen den Tancred des Voltaire vorgenommen, dem ich in den Zwischen¬
acten Chöre geben möchte, da das Sujet als öffentliche Handlung und Be¬
gebenheit, sie zuläßt, ja fordert.

Mögen Sie das Stück wohl im Original selbst lesen? indem ich an dem
Gang desselben weder ändern will noch darf, sondern die Darstellung blos
belebter geben möchte. Denken Sie sich die Chöre zwischen den Acten wie
sie sich von selbst geben und sagen Sie mir Ihre Gedanken.

Zu schnellerer Uebersicht entwerfe ich eine leichte Skitze.

Characteristische kurze Symphonie
Nach dem ersten Act.

Syracusanische Jungfrauen treten auf mit Freude über das bevorstehende
Hochzeitfest. Euphanie^) eine aus ihnen, welche Amenaiden näher verbunden
ist, und nun die Neugierde der übrigen befriedigen soll, bringt auf einmal




Dieser undatirte Brief fällt, jedenfalls in den Juli oder August 1800. Die Rein¬
schrift ist von Goethe vielfach eigenhändig corrigirt. -- Zu vergleichen ist Goethe Schillers
Vriefw. II. 294 ff.
") So heißt bey mir die französische Faule; diesen Satz strich Goethe.
Klassische Jindttnge.
Nach den Originalen mitgetheilt von
C. A. H. Burkhardt.
1. Goethe an Zelter»)
Ueber Tancred.

Aus Ihrem Briefe, werthgeschätztester Herr Zelter, bin ich Ihnen leider schon
zu lange Antwort und für die überschickten Compositionen, die mir und mei¬
nen Freunden viel Vergnügen gemacht haben, Dank schuldig. Meine Ab¬
sicht war nicht eher zu schreiben, bis ich etwas zweckmäßiges melden könnte.

Von musikalischen Dramen, an deren Ausführung ich noch denken möchte,
liegen nur zwei Anfänge unter meinen Papieren. Zu einem conisch heroi¬
schen, der zweyte Theil der Zauberflöte, zu einem tragischen die Danai-
den; doch würde ich kaum Lust und Muth eins oder das andere auszuführen
finden, wenn ich nicht einer Composition und Aufführung versichert und mit
dem Theater, auf welchem sie zuerst aufgeführt werden sollten, in unmittel¬
barer Verbindung stünde, um den ersten Eintritt durch Benutzung aller in¬
dividuellen und localen recht brillant zu machen.

Im Frühjahr schien es, als wenn Hofrath Schiller ein Trauerspiel aus¬
arbeiten würde, wozu Chöre nöthig wären; worüber ich Ihre Gedanken zu
vernehmen gedachte. Nun zieht sich dieser Plan ins Weite und ich habe da¬
gegen den Tancred des Voltaire vorgenommen, dem ich in den Zwischen¬
acten Chöre geben möchte, da das Sujet als öffentliche Handlung und Be¬
gebenheit, sie zuläßt, ja fordert.

Mögen Sie das Stück wohl im Original selbst lesen? indem ich an dem
Gang desselben weder ändern will noch darf, sondern die Darstellung blos
belebter geben möchte. Denken Sie sich die Chöre zwischen den Acten wie
sie sich von selbst geben und sagen Sie mir Ihre Gedanken.

Zu schnellerer Uebersicht entwerfe ich eine leichte Skitze.

Characteristische kurze Symphonie
Nach dem ersten Act.

Syracusanische Jungfrauen treten auf mit Freude über das bevorstehende
Hochzeitfest. Euphanie^) eine aus ihnen, welche Amenaiden näher verbunden
ist, und nun die Neugierde der übrigen befriedigen soll, bringt auf einmal




Dieser undatirte Brief fällt, jedenfalls in den Juli oder August 1800. Die Rein¬
schrift ist von Goethe vielfach eigenhändig corrigirt. — Zu vergleichen ist Goethe Schillers
Vriefw. II. 294 ff.
") So heißt bey mir die französische Faule; diesen Satz strich Goethe.
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[0301] Klassische Jindttnge. Nach den Originalen mitgetheilt von C. A. H. Burkhardt. 1. Goethe an Zelter») Ueber Tancred. Aus Ihrem Briefe, werthgeschätztester Herr Zelter, bin ich Ihnen leider schon zu lange Antwort und für die überschickten Compositionen, die mir und mei¬ nen Freunden viel Vergnügen gemacht haben, Dank schuldig. Meine Ab¬ sicht war nicht eher zu schreiben, bis ich etwas zweckmäßiges melden könnte. Von musikalischen Dramen, an deren Ausführung ich noch denken möchte, liegen nur zwei Anfänge unter meinen Papieren. Zu einem conisch heroi¬ schen, der zweyte Theil der Zauberflöte, zu einem tragischen die Danai- den; doch würde ich kaum Lust und Muth eins oder das andere auszuführen finden, wenn ich nicht einer Composition und Aufführung versichert und mit dem Theater, auf welchem sie zuerst aufgeführt werden sollten, in unmittel¬ barer Verbindung stünde, um den ersten Eintritt durch Benutzung aller in¬ dividuellen und localen recht brillant zu machen. Im Frühjahr schien es, als wenn Hofrath Schiller ein Trauerspiel aus¬ arbeiten würde, wozu Chöre nöthig wären; worüber ich Ihre Gedanken zu vernehmen gedachte. Nun zieht sich dieser Plan ins Weite und ich habe da¬ gegen den Tancred des Voltaire vorgenommen, dem ich in den Zwischen¬ acten Chöre geben möchte, da das Sujet als öffentliche Handlung und Be¬ gebenheit, sie zuläßt, ja fordert. Mögen Sie das Stück wohl im Original selbst lesen? indem ich an dem Gang desselben weder ändern will noch darf, sondern die Darstellung blos belebter geben möchte. Denken Sie sich die Chöre zwischen den Acten wie sie sich von selbst geben und sagen Sie mir Ihre Gedanken. Zu schnellerer Uebersicht entwerfe ich eine leichte Skitze. Characteristische kurze Symphonie Nach dem ersten Act. Syracusanische Jungfrauen treten auf mit Freude über das bevorstehende Hochzeitfest. Euphanie^) eine aus ihnen, welche Amenaiden näher verbunden ist, und nun die Neugierde der übrigen befriedigen soll, bringt auf einmal Dieser undatirte Brief fällt, jedenfalls in den Juli oder August 1800. Die Rein¬ schrift ist von Goethe vielfach eigenhändig corrigirt. — Zu vergleichen ist Goethe Schillers Vriefw. II. 294 ff. ") So heißt bey mir die französische Faule; diesen Satz strich Goethe.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 32, 1873, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341817_192802/301>, abgerufen am 02.05.2024.