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Die Grenzboten. Jg. 32, 1873, II. Semester. I. Band.

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Kirche und Staat in den Hereinigten Staaten von
Amerika.
Von Prof. H. Jacoby.

Die protestantischen Kirchen Europas haben fast allgemein einen engen
Zusammenhang mit den Organen der Staatsverwaltung bewahrt. Nur die
freie Kirche in Schottland und Waadtland und die Sekten stehen außerhalb
dieser Verbindung. Dagegen haben die Vereinigten Staaten von Amerika
Principiell alle Religionsgesellschaften sich selbst überlassen, keine bevorzugt,
keine zurückgesetzt, alle Einmischung des Staates in kirchliche, der Kirche in
staatliche Angelegenheiten ausgeschlossen. Das Ideal der vom Staat ge¬
trennten Kirche, des von der Kirche getrennten Staates ist hier verwirklicht.
Vergegenwärtigen wir uns die Regelung des Verhältnisses zwischen beiden,
wie sie sich gemäß diesem Grundsatze dort gestaltet hat. Wir folgen einem
kundigen, nur mitunter etwas redekargen Führer/) dem wir es gern ver¬
zeihen wollen, daß er die Zustände seines Vaterlandes in rosenfarbnem Lichte
schaut, zumal die religiöse Gesammtanschauung der baptistischer Gemeinschaft,
welcher er früher als Geistlicher gedient hat, die Beziehung zwischen Staat
und Kirche begünstigt, welche in den Vereinigten Staaten zur Geltung ge¬
kommen ist. Wir behalten uns nur vor, gegen eine Anschauung zu prote¬
stier,, welche in dem amerikanischen System das normale und vorbildliche
zu erkennen glaubt und uns zumuthet, es auch für uns zu adoptiren, und
auch der Legitimation zu gedenken, welche die Ordnung des Verhältnisses der
einen Institution zur anderen in der europäischen Heimath schützt-

"Die Verfassung der Vereinigten Staaten bestimmt, daß keinerlei Ne-
ligionsbekenntniß als Qualification zur Erlangung eines Staatsamts im Be¬
reiche der Vereinigten Staaten gefordert werden dürfe und ebenso, daß der Congreß
kein Gesetz bezüglich der Gründung einer Religion oder Behinderung in der freien
Ausübung einer solchen erlassen soll." Diese Paragraphen sind aber noch nicht
zur allgemeinen Geltung gelangt, denn wenn auch kein Einzelstaat irgend eine
Religionsgesellschaft privilegirt oder benachteiligt, so ist die Praxis manches



") Kirche und Staat in den vereinigten Staaten von Amerika, von Joseph P. Thompson,
Vr. tlinol. "t,jm-!s aus New^Mk, Berlin. Verlag von Bernhard Simion. S. U".
Grenzboten III. 187^. 66
Kirche und Staat in den Hereinigten Staaten von
Amerika.
Von Prof. H. Jacoby.

Die protestantischen Kirchen Europas haben fast allgemein einen engen
Zusammenhang mit den Organen der Staatsverwaltung bewahrt. Nur die
freie Kirche in Schottland und Waadtland und die Sekten stehen außerhalb
dieser Verbindung. Dagegen haben die Vereinigten Staaten von Amerika
Principiell alle Religionsgesellschaften sich selbst überlassen, keine bevorzugt,
keine zurückgesetzt, alle Einmischung des Staates in kirchliche, der Kirche in
staatliche Angelegenheiten ausgeschlossen. Das Ideal der vom Staat ge¬
trennten Kirche, des von der Kirche getrennten Staates ist hier verwirklicht.
Vergegenwärtigen wir uns die Regelung des Verhältnisses zwischen beiden,
wie sie sich gemäß diesem Grundsatze dort gestaltet hat. Wir folgen einem
kundigen, nur mitunter etwas redekargen Führer/) dem wir es gern ver¬
zeihen wollen, daß er die Zustände seines Vaterlandes in rosenfarbnem Lichte
schaut, zumal die religiöse Gesammtanschauung der baptistischer Gemeinschaft,
welcher er früher als Geistlicher gedient hat, die Beziehung zwischen Staat
und Kirche begünstigt, welche in den Vereinigten Staaten zur Geltung ge¬
kommen ist. Wir behalten uns nur vor, gegen eine Anschauung zu prote¬
stier,, welche in dem amerikanischen System das normale und vorbildliche
zu erkennen glaubt und uns zumuthet, es auch für uns zu adoptiren, und
auch der Legitimation zu gedenken, welche die Ordnung des Verhältnisses der
einen Institution zur anderen in der europäischen Heimath schützt-

„Die Verfassung der Vereinigten Staaten bestimmt, daß keinerlei Ne-
ligionsbekenntniß als Qualification zur Erlangung eines Staatsamts im Be¬
reiche der Vereinigten Staaten gefordert werden dürfe und ebenso, daß der Congreß
kein Gesetz bezüglich der Gründung einer Religion oder Behinderung in der freien
Ausübung einer solchen erlassen soll." Diese Paragraphen sind aber noch nicht
zur allgemeinen Geltung gelangt, denn wenn auch kein Einzelstaat irgend eine
Religionsgesellschaft privilegirt oder benachteiligt, so ist die Praxis manches



") Kirche und Staat in den vereinigten Staaten von Amerika, von Joseph P. Thompson,
Vr. tlinol. «t,jm-!s aus New^Mk, Berlin. Verlag von Bernhard Simion. S. U».
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[0449] Kirche und Staat in den Hereinigten Staaten von Amerika. Von Prof. H. Jacoby. Die protestantischen Kirchen Europas haben fast allgemein einen engen Zusammenhang mit den Organen der Staatsverwaltung bewahrt. Nur die freie Kirche in Schottland und Waadtland und die Sekten stehen außerhalb dieser Verbindung. Dagegen haben die Vereinigten Staaten von Amerika Principiell alle Religionsgesellschaften sich selbst überlassen, keine bevorzugt, keine zurückgesetzt, alle Einmischung des Staates in kirchliche, der Kirche in staatliche Angelegenheiten ausgeschlossen. Das Ideal der vom Staat ge¬ trennten Kirche, des von der Kirche getrennten Staates ist hier verwirklicht. Vergegenwärtigen wir uns die Regelung des Verhältnisses zwischen beiden, wie sie sich gemäß diesem Grundsatze dort gestaltet hat. Wir folgen einem kundigen, nur mitunter etwas redekargen Führer/) dem wir es gern ver¬ zeihen wollen, daß er die Zustände seines Vaterlandes in rosenfarbnem Lichte schaut, zumal die religiöse Gesammtanschauung der baptistischer Gemeinschaft, welcher er früher als Geistlicher gedient hat, die Beziehung zwischen Staat und Kirche begünstigt, welche in den Vereinigten Staaten zur Geltung ge¬ kommen ist. Wir behalten uns nur vor, gegen eine Anschauung zu prote¬ stier,, welche in dem amerikanischen System das normale und vorbildliche zu erkennen glaubt und uns zumuthet, es auch für uns zu adoptiren, und auch der Legitimation zu gedenken, welche die Ordnung des Verhältnisses der einen Institution zur anderen in der europäischen Heimath schützt- „Die Verfassung der Vereinigten Staaten bestimmt, daß keinerlei Ne- ligionsbekenntniß als Qualification zur Erlangung eines Staatsamts im Be¬ reiche der Vereinigten Staaten gefordert werden dürfe und ebenso, daß der Congreß kein Gesetz bezüglich der Gründung einer Religion oder Behinderung in der freien Ausübung einer solchen erlassen soll." Diese Paragraphen sind aber noch nicht zur allgemeinen Geltung gelangt, denn wenn auch kein Einzelstaat irgend eine Religionsgesellschaft privilegirt oder benachteiligt, so ist die Praxis manches ") Kirche und Staat in den vereinigten Staaten von Amerika, von Joseph P. Thompson, Vr. tlinol. «t,jm-!s aus New^Mk, Berlin. Verlag von Bernhard Simion. S. U». Grenzboten III. 187^. 66

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 32, 1873, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341817_192802/449>, abgerufen am 03.05.2024.