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Die Grenzboten. Jg. 32, 1873, II. Semester. I. Band.

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Die geistliche Gerichtsbarkeit wird nicht bloß falkultativ gelassen, son¬
dern gänzlich abgeschafft und dann beigesetzt:


Die Beurkundung des bürgerlichen Standes und die Verwaltung der damit zu¬
sammenhängenden Einrichtungen steht den weltlichen Behörden zu.

Dieß in Gedrängtheit die Vorlage des Bundesrathes. Werfen wir zum
Schlüsse noch einen Blick auf den muthmaßlichen Erfolg der neuen Revision
bei der ihr bevorstehenden Abstimmung, so darf schon jetzt mit Gewißheit an¬
genommen werden, daß die Mehrheit der Bürger ihr gesichert ist. Die ö --
6000 Stimmen, die uns am 12. Mai noch gefehlt, stellt vielleicht Bern allein
wenn es sich an der Abstimmung verhältnißmäßig so stark betheiligt, wie am
Volkstag von Solothurn, wo einzig aus unserm Kanton 9000 auf dem
Platz sollen gewesen sein. Schwerer hält es, zugleich auch die Mehrzahl der
Standesstimmen auf unsere Seite herüberzubringen. Am 12. Mai standen
9 Kantone für, 13 gegen die Revision. Jene neun sind uns noch heute fest,
Se. Gallen sogar viel fester als dazumal. Bünden und Neuenburg, welche
voriges Jahr verneint haben, stellen sich seither mit aller Entschiedenheit auf
die Seite der Revisionisten. Also elf gegen elf. Wir brauchen aber zwölf.
Welcher wird der Schicksalskanton sein? Die Waadt? Nein, die revisioni¬
stische Minderheit wird zwar eine viel größere sein, aber sich kaum zur Mehr¬
heit emporzuschwingen vermögen, so sehr auch dort seit des treuen aber queren
Eytel's Tod und seit dem unsinnigen Gebahren der dortigen Regierung un¬
sere Actien gestiegen sind. Tessin? Rein unmeßbar, noch fehlt die starke
Richtung durch den Gotthard. Genf? Wohl am ehesten, nicht zum wenig¬
sten Mermillod zu leid. Mag dann der Mann auch wieder wie am 12. Mai
seine Messe lesen --


". l.


Line neue Schrift zum römisch-deutschen Streit.*)

Die Schrift , "der Staat und das allgemeine Concil", ist höchst splendid
ausgestattet, wie wir es etwa von englischen und französischen Verlegern ge¬
wohnt sind. Schönes Papier, schöne Lettern, freie Räume am Anfang und
Ende der Abschnitte. Die Belege zu den angeführten historischen Thatsachen
sind sorgfältig gesammelt und in einem besonderen Anhang übersichtlich zu
finden. Warum erwähnen wir diese Äußerlichkeiten? Einmal, weil sie bei
deutschen Büchern noch selten genug sind, daß sie eine lobende Auszeichnung
vorkommenden Falls verdienen, zweitens aber, weil man sich eben um der



^ Der Staat und das allgemeine Concil. Leipzig, 18?!!. Duncker K Humblot. Preis
Is Sgr.

Die geistliche Gerichtsbarkeit wird nicht bloß falkultativ gelassen, son¬
dern gänzlich abgeschafft und dann beigesetzt:


Die Beurkundung des bürgerlichen Standes und die Verwaltung der damit zu¬
sammenhängenden Einrichtungen steht den weltlichen Behörden zu.

Dieß in Gedrängtheit die Vorlage des Bundesrathes. Werfen wir zum
Schlüsse noch einen Blick auf den muthmaßlichen Erfolg der neuen Revision
bei der ihr bevorstehenden Abstimmung, so darf schon jetzt mit Gewißheit an¬
genommen werden, daß die Mehrheit der Bürger ihr gesichert ist. Die ö —
6000 Stimmen, die uns am 12. Mai noch gefehlt, stellt vielleicht Bern allein
wenn es sich an der Abstimmung verhältnißmäßig so stark betheiligt, wie am
Volkstag von Solothurn, wo einzig aus unserm Kanton 9000 auf dem
Platz sollen gewesen sein. Schwerer hält es, zugleich auch die Mehrzahl der
Standesstimmen auf unsere Seite herüberzubringen. Am 12. Mai standen
9 Kantone für, 13 gegen die Revision. Jene neun sind uns noch heute fest,
Se. Gallen sogar viel fester als dazumal. Bünden und Neuenburg, welche
voriges Jahr verneint haben, stellen sich seither mit aller Entschiedenheit auf
die Seite der Revisionisten. Also elf gegen elf. Wir brauchen aber zwölf.
Welcher wird der Schicksalskanton sein? Die Waadt? Nein, die revisioni¬
stische Minderheit wird zwar eine viel größere sein, aber sich kaum zur Mehr¬
heit emporzuschwingen vermögen, so sehr auch dort seit des treuen aber queren
Eytel's Tod und seit dem unsinnigen Gebahren der dortigen Regierung un¬
sere Actien gestiegen sind. Tessin? Rein unmeßbar, noch fehlt die starke
Richtung durch den Gotthard. Genf? Wohl am ehesten, nicht zum wenig¬
sten Mermillod zu leid. Mag dann der Mann auch wieder wie am 12. Mai
seine Messe lesen —


«. l.


Line neue Schrift zum römisch-deutschen Streit.*)

Die Schrift , „der Staat und das allgemeine Concil", ist höchst splendid
ausgestattet, wie wir es etwa von englischen und französischen Verlegern ge¬
wohnt sind. Schönes Papier, schöne Lettern, freie Räume am Anfang und
Ende der Abschnitte. Die Belege zu den angeführten historischen Thatsachen
sind sorgfältig gesammelt und in einem besonderen Anhang übersichtlich zu
finden. Warum erwähnen wir diese Äußerlichkeiten? Einmal, weil sie bei
deutschen Büchern noch selten genug sind, daß sie eine lobende Auszeichnung
vorkommenden Falls verdienen, zweitens aber, weil man sich eben um der



^ Der Staat und das allgemeine Concil. Leipzig, 18?!!. Duncker K Humblot. Preis
Is Sgr.
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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 32, 1873, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341817_192802/82>, abgerufen am 02.05.2024.