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Die Grenzboten. Jg. 33, 1874, I. Semester. I. Band.

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der letzte Fehlschlag des Kaisers im Reich. "Fortuna ist eine Metze!" rief
Karl jammernd aus, als er in Brüssel mit seinen Vertrauten zusammen traf.
"Dem Jungen wirft sie sich an den Hals, den Alternden verläßt sie!" Unter
dem Eindruck dieser Niederlage vor Metz soll Karl V. schon beschlossen haben,
abzudanken und ins Kloster zu gehen.

Metz aber war dem deutschen Reiche verloren und hörte auf Metz 1a,
rielie zu sein. Gleich nach der Belagerung war die Bevölkerung von 60 auf
20,000 gesunken und auch diese schmachteten lange Jahrzehnte unter uner^
hörter militärischer Willkürherrschaft und baten abwechselnd den Kaiser wie
den König vergeblich um Erlösung.*) Das Protectorat der französischen
Krone verwandelte sich natürlich schnell genug in souveraine Herrschaft, und
der westfälische Frieden riß die weiland freie Stadt, in der einst Karl IV.
das Grundgesetz des deutschen Reiches, die goldne Bulle, proclamiren ließ,
auch völkerrechtlich von Deutschland los, mit dem sie 800 Jahre lang ver¬
bunden gewesen. -- Gott Lob, daß wir sie wieder haben!




pariser Maudereien.

Wenn Sie jetzt einen Kaufmann fragen, ob die Neujahrsgeschäfte gut
gingen, da wird er Ihnen unfehlbar antworten: "Ganz erbärmlich, ich mache
nicht halb so viel wie voriges Jahr", und wird Ihnen dies je nach seiner
politischen Farbe entweder damit erklären, daß wir immer noch in der Republik
leben, oder damit, daß besagte Republik noch nicht genügend proklamirt wor¬
den sei. Man möchte hiernach glauben, daß es den Parisern recht schlecht
ginge, aber da es mich däucht. alle Jahre dieselben Klagen gehört zu haben,
so habe ich mich nach einem anderen Barometer umgesehen, um mir eine



") Noch 1588 klagten die Bürger in einer Bittschrift an den König, "I^es oppressions
et violsvoes Se vos soläats food plus que tiirrvirres sur nos mi"ni'g,bis8, "u lieu ä'sstrv
reeompsuses (!) nous reoepvons un tiaitemvnt xlem es toute inüixvito et pir que les vri-
miuels as L. Ki. --" Der König antwortete, daß er apres K rernnor tous wo^eus sei, um
ihnen, wenigstens in ihren Häusern Ruhe zu verschaffen. -- Für die Zustände unmittelbar
nach der Belagerung bieten die Schilderungen in Vieilleville's Memoiren die interessantesten
Züge, da dieser Marschall noch i, Z. 1553 selbst Commandant von Metz wurde. (Vergl.
Schiller's Werke 11. Band.) Diese militärische Occupation änderte die Sitte und spaltete die
Familien; sehr viele Patrizierfamilien, ja ganze Paraigcs wanderten aus. Die Verwaltung,
namentlich die der Finanzen kam ganz in Verfall. Der Bau der Citadelle, welchen Vieilleville
unternahm, sowie die Errichtung des Arsenals, entvölkerten Metz noch mehr.

der letzte Fehlschlag des Kaisers im Reich. „Fortuna ist eine Metze!" rief
Karl jammernd aus, als er in Brüssel mit seinen Vertrauten zusammen traf.
„Dem Jungen wirft sie sich an den Hals, den Alternden verläßt sie!" Unter
dem Eindruck dieser Niederlage vor Metz soll Karl V. schon beschlossen haben,
abzudanken und ins Kloster zu gehen.

Metz aber war dem deutschen Reiche verloren und hörte auf Metz 1a,
rielie zu sein. Gleich nach der Belagerung war die Bevölkerung von 60 auf
20,000 gesunken und auch diese schmachteten lange Jahrzehnte unter uner^
hörter militärischer Willkürherrschaft und baten abwechselnd den Kaiser wie
den König vergeblich um Erlösung.*) Das Protectorat der französischen
Krone verwandelte sich natürlich schnell genug in souveraine Herrschaft, und
der westfälische Frieden riß die weiland freie Stadt, in der einst Karl IV.
das Grundgesetz des deutschen Reiches, die goldne Bulle, proclamiren ließ,
auch völkerrechtlich von Deutschland los, mit dem sie 800 Jahre lang ver¬
bunden gewesen. — Gott Lob, daß wir sie wieder haben!




pariser Maudereien.

Wenn Sie jetzt einen Kaufmann fragen, ob die Neujahrsgeschäfte gut
gingen, da wird er Ihnen unfehlbar antworten: „Ganz erbärmlich, ich mache
nicht halb so viel wie voriges Jahr", und wird Ihnen dies je nach seiner
politischen Farbe entweder damit erklären, daß wir immer noch in der Republik
leben, oder damit, daß besagte Republik noch nicht genügend proklamirt wor¬
den sei. Man möchte hiernach glauben, daß es den Parisern recht schlecht
ginge, aber da es mich däucht. alle Jahre dieselben Klagen gehört zu haben,
so habe ich mich nach einem anderen Barometer umgesehen, um mir eine



") Noch 1588 klagten die Bürger in einer Bittschrift an den König, „I^es oppressions
et violsvoes Se vos soläats food plus que tiirrvirres sur nos mi»ni'g,bis8, »u lieu ä'sstrv
reeompsuses (!) nous reoepvons un tiaitemvnt xlem es toute inüixvito et pir que les vri-
miuels as L. Ki. —" Der König antwortete, daß er apres K rernnor tous wo^eus sei, um
ihnen, wenigstens in ihren Häusern Ruhe zu verschaffen. — Für die Zustände unmittelbar
nach der Belagerung bieten die Schilderungen in Vieilleville's Memoiren die interessantesten
Züge, da dieser Marschall noch i, Z. 1553 selbst Commandant von Metz wurde. (Vergl.
Schiller's Werke 11. Band.) Diese militärische Occupation änderte die Sitte und spaltete die
Familien; sehr viele Patrizierfamilien, ja ganze Paraigcs wanderten aus. Die Verwaltung,
namentlich die der Finanzen kam ganz in Verfall. Der Bau der Citadelle, welchen Vieilleville
unternahm, sowie die Errichtung des Arsenals, entvölkerten Metz noch mehr.
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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 33, 1874, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341819_130643/109>, abgerufen am 28.04.2024.