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Die Grenzboten. Jg. 33, 1874, I. Semester. I. Band.

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unablässig und wieder. Nun bleibt mir ihn kein Wunsch übrig, als auch
Sie, meine gute liebenswürdige Auguste persönlich zu kennen, damit ich mich
an einem frischen Sprößling des lang bewährten Stammes in später Zeit
noch erfreuen möge. Indessen wollen wir den ersten mißlungenen Versuch
als eine günstige Vorahnung deuten.

So viel für diesmal, mit tausend und abertausend Grüßen an die Glieder
der theuren Familie, der ein beiderseitig wohlwollendes Geschick Sie glücklich
zugeführt hat.


Treuverwandt
I. W. Goethe.

Weimar 2 Juni 1824.


Goethe an ?

Sie sagten einmal, theuerster Freund. Sie könnten Marienbad nicht ohne
mich denken und Sie sind überzeugt, daß ich gerade jetzt in dem Fall bin,
mich nicht ohne Marienbad denken zu können. Die ersten schönen Tage des
Monats lassen mich nicht im Hause verweilen und wenn man einmal drausen
ist, so möchte man denn auch über alle Berge und ich weiß recht gut über
welche.

Sollen denn nun meine lieben schlanken Gestalten quer über die Terrasse
hüpfen, oder der Länge nach hin und her wandeln und ich soll weder Zeuge
des einen noch Geselle des andern seyn.

Alle meine Freunde wollen mich von hier weg: denn sie merken wohl
daß mir etwas fehlt, das ich auswärts suchen sollte; treten die Aerzte nun
gar hinzu und rathen das Gleiche, so können Sie denken, daß ich unruhig
und ungeduldig werde.

Ganz sicher sind Sie nicht vor mir; denn käm' ich auch nur zum Besuch
auf wenige Tage, so sollten das schon Festtage werden, wenn sie sich an die
schönen vom goldnen Straus anschließen wollten, von meiner Seite würde
es sich alles finden, wie damals und hofft man nicht Erwiederung, die man
wünscht.

Allzu hinderlich sind aber tägliche Forderungen, die von allen Seiten an
mich ergehen, die ich nicht ablehnen und kaum übertragen kann, mich be¬
stürmet gar Vieles und Bedeutendes, das mich und andere betrifft. Oeffentliches,
und Häusliches, Herkömmliches und Unerwartetes. Ueberdies müssen wir alle vor
Augen haben das Jubiläum unseres gnädigsten Herren, das am dritten Sep¬
tember eintritt. Die wenigen Wochen bis dahin, wie leicht und schnell ver¬
gehen sie! und so werd ich denn zwischen Wollen und Hoffen, zwischen Noth¬
wendigen und Zufälligen dergestalt hingehalten, daß ich so leicht nicht einen
Entschluß fassen und mich doch auch nicht entschieden resigniren kann.

Nun aber wünsche höchlich, sie mögen meiner fleißigst gedenken, daß


unablässig und wieder. Nun bleibt mir ihn kein Wunsch übrig, als auch
Sie, meine gute liebenswürdige Auguste persönlich zu kennen, damit ich mich
an einem frischen Sprößling des lang bewährten Stammes in später Zeit
noch erfreuen möge. Indessen wollen wir den ersten mißlungenen Versuch
als eine günstige Vorahnung deuten.

So viel für diesmal, mit tausend und abertausend Grüßen an die Glieder
der theuren Familie, der ein beiderseitig wohlwollendes Geschick Sie glücklich
zugeführt hat.


Treuverwandt
I. W. Goethe.

Weimar 2 Juni 1824.


Goethe an ?

Sie sagten einmal, theuerster Freund. Sie könnten Marienbad nicht ohne
mich denken und Sie sind überzeugt, daß ich gerade jetzt in dem Fall bin,
mich nicht ohne Marienbad denken zu können. Die ersten schönen Tage des
Monats lassen mich nicht im Hause verweilen und wenn man einmal drausen
ist, so möchte man denn auch über alle Berge und ich weiß recht gut über
welche.

Sollen denn nun meine lieben schlanken Gestalten quer über die Terrasse
hüpfen, oder der Länge nach hin und her wandeln und ich soll weder Zeuge
des einen noch Geselle des andern seyn.

Alle meine Freunde wollen mich von hier weg: denn sie merken wohl
daß mir etwas fehlt, das ich auswärts suchen sollte; treten die Aerzte nun
gar hinzu und rathen das Gleiche, so können Sie denken, daß ich unruhig
und ungeduldig werde.

Ganz sicher sind Sie nicht vor mir; denn käm' ich auch nur zum Besuch
auf wenige Tage, so sollten das schon Festtage werden, wenn sie sich an die
schönen vom goldnen Straus anschließen wollten, von meiner Seite würde
es sich alles finden, wie damals und hofft man nicht Erwiederung, die man
wünscht.

Allzu hinderlich sind aber tägliche Forderungen, die von allen Seiten an
mich ergehen, die ich nicht ablehnen und kaum übertragen kann, mich be¬
stürmet gar Vieles und Bedeutendes, das mich und andere betrifft. Oeffentliches,
und Häusliches, Herkömmliches und Unerwartetes. Ueberdies müssen wir alle vor
Augen haben das Jubiläum unseres gnädigsten Herren, das am dritten Sep¬
tember eintritt. Die wenigen Wochen bis dahin, wie leicht und schnell ver¬
gehen sie! und so werd ich denn zwischen Wollen und Hoffen, zwischen Noth¬
wendigen und Zufälligen dergestalt hingehalten, daß ich so leicht nicht einen
Entschluß fassen und mich doch auch nicht entschieden resigniren kann.

Nun aber wünsche höchlich, sie mögen meiner fleißigst gedenken, daß


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 33, 1874, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341819_130643/210>, abgerufen am 27.04.2024.