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Die Grenzboten. Jg. 33, 1874, I. Semester. I. Band.

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Lmmrmora's Auch.
ii.

Die beiderseitige Stellung zu den Freunden und Gegnern der Bundes¬
genossen war nicht der einzige Punkt des Vertrages, der zwischen dem 27.
März und dem 8. April noch in nähere Ueberlegung gezogen wurde. Lamar-
mora selbst forderte Barral schon am 28. März auf, auch den Erwerb von
Welschtyrol durch Preußen garantiren zu lassen. Bismarck lehnte das aber
ab, weil er über einen Theil deutschen Bundesgebietes sich in Abmachungen
nicht einlassen dürfe; ob Italiens Wünsche in dieser Hinsicht befriedigt werden
könnten, hing nach seiner Ansicht von dem Gange des Krieges ab. Govone,
der die Verhandlungen noch immer nicht ernstlich nahm, sondern nur Zeit
zu gewinnen suchte, wollte in den Vertrag einen Artikel bringen, durch den
Italien unmittelbar nach Preußen mobil zu machen, Preußen aber
nach geschehener Mobilmachung auf jede Regelung des Schleswig - holsteinischen
Streites ohne gleichzeitige Lösung der venetianischen Frage verzichtete. "Diese
Clausel", so meinte er selbst, "hätte keine Aussicht von Preußen angenommen
zu werden; aber sie wäre ein Mittel zur Verlängerung der Verhandlungen,
wenn das Ew. Ercell. passen würde." Natürlich lehnte Lamarmora dieses
Mittel ab; denn kein Minister konnte eifersüchtiger darauf bedacht sein, in
Nebenpunkten sich von Rathschlägen seiner Agenten unbeeinflußt zu erhalten,
als er, der in der Hauptsache immer von fremden Meinungen abhängig war.
Grade weil er sich seiner Unterwürfigkeit unter Napoleon's Willen vollständig
bewußt war, empfand er eine kleinliche Scheu vor dem Eingehn in fremde
Gedankenkreise, die er nicht einmal immer richtig aufzufassen im Stande war.
So deutete er jetzt Gvvvne's Rath dahin, als ob Italien sich verpflichten
solle, nicht vor Preußen mobil zu machen, während es sich doch nur da¬
rum handelte, daß es gebunden sein solle, gleich nach Preußen diesen Schritt
zu thun. "Wehe uns", so ruft er emphatisch aus, "wehe Preußen, wenn wir
am 27. April zur Mobilmachung der italienischen Armee auf die Erlaubniß
aus Berlin hätten warten müssen. Alles wäre gefährdet gewesen!". Ob
wirklich, das werden wir später sehen.

Nicht glücklicher war Govone mit seinem Wunsche eine Militäreonven-
tion mit Preußen abzuschließen. Wenn dieses sie vorschlage, wolle er sie
prüfen, telegraphirte Lamarmora; "aber", so gesteht er selbst, "ich hätte sie
wahrscheinlich nicht angenommen, auch wenn Preußen sie uns angetragen
hätte." Weshalb nicht? Weil sie ihm, dem großen Feldherrn, jedenfalls
Beschränkungen auferlegt hätte. 1856 dem Lord Raglan, 1859 dem Kaiser
Napoleon untergeordnet, wollte Lamarmora wenigstens 1866 in voller Selbst.


Lmmrmora's Auch.
ii.

Die beiderseitige Stellung zu den Freunden und Gegnern der Bundes¬
genossen war nicht der einzige Punkt des Vertrages, der zwischen dem 27.
März und dem 8. April noch in nähere Ueberlegung gezogen wurde. Lamar-
mora selbst forderte Barral schon am 28. März auf, auch den Erwerb von
Welschtyrol durch Preußen garantiren zu lassen. Bismarck lehnte das aber
ab, weil er über einen Theil deutschen Bundesgebietes sich in Abmachungen
nicht einlassen dürfe; ob Italiens Wünsche in dieser Hinsicht befriedigt werden
könnten, hing nach seiner Ansicht von dem Gange des Krieges ab. Govone,
der die Verhandlungen noch immer nicht ernstlich nahm, sondern nur Zeit
zu gewinnen suchte, wollte in den Vertrag einen Artikel bringen, durch den
Italien unmittelbar nach Preußen mobil zu machen, Preußen aber
nach geschehener Mobilmachung auf jede Regelung des Schleswig - holsteinischen
Streites ohne gleichzeitige Lösung der venetianischen Frage verzichtete. „Diese
Clausel", so meinte er selbst, „hätte keine Aussicht von Preußen angenommen
zu werden; aber sie wäre ein Mittel zur Verlängerung der Verhandlungen,
wenn das Ew. Ercell. passen würde." Natürlich lehnte Lamarmora dieses
Mittel ab; denn kein Minister konnte eifersüchtiger darauf bedacht sein, in
Nebenpunkten sich von Rathschlägen seiner Agenten unbeeinflußt zu erhalten,
als er, der in der Hauptsache immer von fremden Meinungen abhängig war.
Grade weil er sich seiner Unterwürfigkeit unter Napoleon's Willen vollständig
bewußt war, empfand er eine kleinliche Scheu vor dem Eingehn in fremde
Gedankenkreise, die er nicht einmal immer richtig aufzufassen im Stande war.
So deutete er jetzt Gvvvne's Rath dahin, als ob Italien sich verpflichten
solle, nicht vor Preußen mobil zu machen, während es sich doch nur da¬
rum handelte, daß es gebunden sein solle, gleich nach Preußen diesen Schritt
zu thun. „Wehe uns", so ruft er emphatisch aus, „wehe Preußen, wenn wir
am 27. April zur Mobilmachung der italienischen Armee auf die Erlaubniß
aus Berlin hätten warten müssen. Alles wäre gefährdet gewesen!". Ob
wirklich, das werden wir später sehen.

Nicht glücklicher war Govone mit seinem Wunsche eine Militäreonven-
tion mit Preußen abzuschließen. Wenn dieses sie vorschlage, wolle er sie
prüfen, telegraphirte Lamarmora; „aber", so gesteht er selbst, „ich hätte sie
wahrscheinlich nicht angenommen, auch wenn Preußen sie uns angetragen
hätte." Weshalb nicht? Weil sie ihm, dem großen Feldherrn, jedenfalls
Beschränkungen auferlegt hätte. 1856 dem Lord Raglan, 1859 dem Kaiser
Napoleon untergeordnet, wollte Lamarmora wenigstens 1866 in voller Selbst.


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[0424] Lmmrmora's Auch. ii. Die beiderseitige Stellung zu den Freunden und Gegnern der Bundes¬ genossen war nicht der einzige Punkt des Vertrages, der zwischen dem 27. März und dem 8. April noch in nähere Ueberlegung gezogen wurde. Lamar- mora selbst forderte Barral schon am 28. März auf, auch den Erwerb von Welschtyrol durch Preußen garantiren zu lassen. Bismarck lehnte das aber ab, weil er über einen Theil deutschen Bundesgebietes sich in Abmachungen nicht einlassen dürfe; ob Italiens Wünsche in dieser Hinsicht befriedigt werden könnten, hing nach seiner Ansicht von dem Gange des Krieges ab. Govone, der die Verhandlungen noch immer nicht ernstlich nahm, sondern nur Zeit zu gewinnen suchte, wollte in den Vertrag einen Artikel bringen, durch den Italien unmittelbar nach Preußen mobil zu machen, Preußen aber nach geschehener Mobilmachung auf jede Regelung des Schleswig - holsteinischen Streites ohne gleichzeitige Lösung der venetianischen Frage verzichtete. „Diese Clausel", so meinte er selbst, „hätte keine Aussicht von Preußen angenommen zu werden; aber sie wäre ein Mittel zur Verlängerung der Verhandlungen, wenn das Ew. Ercell. passen würde." Natürlich lehnte Lamarmora dieses Mittel ab; denn kein Minister konnte eifersüchtiger darauf bedacht sein, in Nebenpunkten sich von Rathschlägen seiner Agenten unbeeinflußt zu erhalten, als er, der in der Hauptsache immer von fremden Meinungen abhängig war. Grade weil er sich seiner Unterwürfigkeit unter Napoleon's Willen vollständig bewußt war, empfand er eine kleinliche Scheu vor dem Eingehn in fremde Gedankenkreise, die er nicht einmal immer richtig aufzufassen im Stande war. So deutete er jetzt Gvvvne's Rath dahin, als ob Italien sich verpflichten solle, nicht vor Preußen mobil zu machen, während es sich doch nur da¬ rum handelte, daß es gebunden sein solle, gleich nach Preußen diesen Schritt zu thun. „Wehe uns", so ruft er emphatisch aus, „wehe Preußen, wenn wir am 27. April zur Mobilmachung der italienischen Armee auf die Erlaubniß aus Berlin hätten warten müssen. Alles wäre gefährdet gewesen!". Ob wirklich, das werden wir später sehen. Nicht glücklicher war Govone mit seinem Wunsche eine Militäreonven- tion mit Preußen abzuschließen. Wenn dieses sie vorschlage, wolle er sie prüfen, telegraphirte Lamarmora; „aber", so gesteht er selbst, „ich hätte sie wahrscheinlich nicht angenommen, auch wenn Preußen sie uns angetragen hätte." Weshalb nicht? Weil sie ihm, dem großen Feldherrn, jedenfalls Beschränkungen auferlegt hätte. 1856 dem Lord Raglan, 1859 dem Kaiser Napoleon untergeordnet, wollte Lamarmora wenigstens 1866 in voller Selbst.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 33, 1874, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341819_130643/424>, abgerufen am 27.04.2024.