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Die Grenzboten. Jg. 33, 1874, I. Semester. I. Band.

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Ile Erinnerungen der Malerin Louise Seidler.^

Erinnerung und Leben der Malerin Louise Seidler, (geb. 1786,
5 1866). Aus handschriftlichen Nachlaß zusammengestellt und bearbeitet
von Hermann Abbe. Berlin, Verlag von Wilhelm Hertz.

Bereits durch die Hamburger Nachrichten, in welchen Bruchstücke dieses
Buches vor kurzer Zeit erschienen, sind wir auf diese Erinnerungen aufmerksam
gemacht worden. Es leidet keinen Zweifel, daß die vollständige Heraus¬
gabe dieser Memoiren ihre volle Berechtigung hat. Man wird zwar nicht
sagen können, daß die Künstlerschaft der Dahingegangenen an sich diesem
Buche ein besonderes und dauerndes Interesse verleiht, denn die Leistungen
derselben sind, obwohl von den Mitlebenden immer anerkannt, ja mitunter
gefeiert, doch nicht von der Bedeutung, daß sie auf die Dauer eine hervor¬
ragende Stelle einnehmen werden. Was das Buch interessant macht, das
sind ohne Zweifel die vielfachen Berührungspunkte mit einer Anzahl zum
Theil hervorragender Persönlichkeiten, deren Bekanntschaft Louise Setdler
ihrer künstlerischen Richtung zu verdanken hat, mitunter wirken aber auch
die Familienbeziehungen fesselnd, welche durch die Verbindung mit dem Hofe oft
einen gar wundersamen Gang des Lebens bedingen. So entrollt sich ein
hübsches Stück eines Künstlerlebens, in dem unverkennbar großes Streben
mit nicht gerade mittelmäßigen Anlagen gepaart erscheint. Aber weit über
diesen Eigenschaften steht die unendliche Herzensgüte und Reinheit der
Verstorbenen, die in einfacher gut erzählter Weise dem Leser ein farben¬
reiches Bild ihres zum Theil bewegten Lebens vorführt und Interesse abzu¬
gewinnen versteht. Man braucht nur das vom Herausgeber beigefügte Na-
mensverzeichniß zu durchmustern, um die Ueberzeugung zu gewinnen, welche
Fülle von Erinnerungen hier niedergelegt ist, die zum Theil durch eine Reihe
von quellenmäßigen Belegen namentlich durch Originalbriefe von Goethe,
Kieser u. s. w. gestützt werden und dem Buche zugleich ein dauerndes In¬
teresse sichern, weil es für die klassische Periode zugleich als Quellen- und
Nachschlagebuch dienen wird.

Bei all dem darf man nicht erwarten, daß die Memoiren tief in alle
Verhältnisse eingehen. Ehe man es gewahr wird, führt uns der leichte hübsche
Erzählungston schnell über dies und jenes weg, und fragt man -- natürlich
nicht überall, was man gewonnen und gelernt, so wird man sich gestehen
müssen, daß Multa dem Multum gar oft den Rang abgelaufen haben.



") Einen größeren Artikel über denselben Gegenstand von Prof. Heinrich Rucke re
D. Red. werden wir später folgen lassen.
Ile Erinnerungen der Malerin Louise Seidler.^

Erinnerung und Leben der Malerin Louise Seidler, (geb. 1786,
5 1866). Aus handschriftlichen Nachlaß zusammengestellt und bearbeitet
von Hermann Abbe. Berlin, Verlag von Wilhelm Hertz.

Bereits durch die Hamburger Nachrichten, in welchen Bruchstücke dieses
Buches vor kurzer Zeit erschienen, sind wir auf diese Erinnerungen aufmerksam
gemacht worden. Es leidet keinen Zweifel, daß die vollständige Heraus¬
gabe dieser Memoiren ihre volle Berechtigung hat. Man wird zwar nicht
sagen können, daß die Künstlerschaft der Dahingegangenen an sich diesem
Buche ein besonderes und dauerndes Interesse verleiht, denn die Leistungen
derselben sind, obwohl von den Mitlebenden immer anerkannt, ja mitunter
gefeiert, doch nicht von der Bedeutung, daß sie auf die Dauer eine hervor¬
ragende Stelle einnehmen werden. Was das Buch interessant macht, das
sind ohne Zweifel die vielfachen Berührungspunkte mit einer Anzahl zum
Theil hervorragender Persönlichkeiten, deren Bekanntschaft Louise Setdler
ihrer künstlerischen Richtung zu verdanken hat, mitunter wirken aber auch
die Familienbeziehungen fesselnd, welche durch die Verbindung mit dem Hofe oft
einen gar wundersamen Gang des Lebens bedingen. So entrollt sich ein
hübsches Stück eines Künstlerlebens, in dem unverkennbar großes Streben
mit nicht gerade mittelmäßigen Anlagen gepaart erscheint. Aber weit über
diesen Eigenschaften steht die unendliche Herzensgüte und Reinheit der
Verstorbenen, die in einfacher gut erzählter Weise dem Leser ein farben¬
reiches Bild ihres zum Theil bewegten Lebens vorführt und Interesse abzu¬
gewinnen versteht. Man braucht nur das vom Herausgeber beigefügte Na-
mensverzeichniß zu durchmustern, um die Ueberzeugung zu gewinnen, welche
Fülle von Erinnerungen hier niedergelegt ist, die zum Theil durch eine Reihe
von quellenmäßigen Belegen namentlich durch Originalbriefe von Goethe,
Kieser u. s. w. gestützt werden und dem Buche zugleich ein dauerndes In¬
teresse sichern, weil es für die klassische Periode zugleich als Quellen- und
Nachschlagebuch dienen wird.

Bei all dem darf man nicht erwarten, daß die Memoiren tief in alle
Verhältnisse eingehen. Ehe man es gewahr wird, führt uns der leichte hübsche
Erzählungston schnell über dies und jenes weg, und fragt man — natürlich
nicht überall, was man gewonnen und gelernt, so wird man sich gestehen
müssen, daß Multa dem Multum gar oft den Rang abgelaufen haben.



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D. Red. werden wir später folgen lassen.
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[0045] Ile Erinnerungen der Malerin Louise Seidler.^ Erinnerung und Leben der Malerin Louise Seidler, (geb. 1786, 5 1866). Aus handschriftlichen Nachlaß zusammengestellt und bearbeitet von Hermann Abbe. Berlin, Verlag von Wilhelm Hertz. Bereits durch die Hamburger Nachrichten, in welchen Bruchstücke dieses Buches vor kurzer Zeit erschienen, sind wir auf diese Erinnerungen aufmerksam gemacht worden. Es leidet keinen Zweifel, daß die vollständige Heraus¬ gabe dieser Memoiren ihre volle Berechtigung hat. Man wird zwar nicht sagen können, daß die Künstlerschaft der Dahingegangenen an sich diesem Buche ein besonderes und dauerndes Interesse verleiht, denn die Leistungen derselben sind, obwohl von den Mitlebenden immer anerkannt, ja mitunter gefeiert, doch nicht von der Bedeutung, daß sie auf die Dauer eine hervor¬ ragende Stelle einnehmen werden. Was das Buch interessant macht, das sind ohne Zweifel die vielfachen Berührungspunkte mit einer Anzahl zum Theil hervorragender Persönlichkeiten, deren Bekanntschaft Louise Setdler ihrer künstlerischen Richtung zu verdanken hat, mitunter wirken aber auch die Familienbeziehungen fesselnd, welche durch die Verbindung mit dem Hofe oft einen gar wundersamen Gang des Lebens bedingen. So entrollt sich ein hübsches Stück eines Künstlerlebens, in dem unverkennbar großes Streben mit nicht gerade mittelmäßigen Anlagen gepaart erscheint. Aber weit über diesen Eigenschaften steht die unendliche Herzensgüte und Reinheit der Verstorbenen, die in einfacher gut erzählter Weise dem Leser ein farben¬ reiches Bild ihres zum Theil bewegten Lebens vorführt und Interesse abzu¬ gewinnen versteht. Man braucht nur das vom Herausgeber beigefügte Na- mensverzeichniß zu durchmustern, um die Ueberzeugung zu gewinnen, welche Fülle von Erinnerungen hier niedergelegt ist, die zum Theil durch eine Reihe von quellenmäßigen Belegen namentlich durch Originalbriefe von Goethe, Kieser u. s. w. gestützt werden und dem Buche zugleich ein dauerndes In¬ teresse sichern, weil es für die klassische Periode zugleich als Quellen- und Nachschlagebuch dienen wird. Bei all dem darf man nicht erwarten, daß die Memoiren tief in alle Verhältnisse eingehen. Ehe man es gewahr wird, führt uns der leichte hübsche Erzählungston schnell über dies und jenes weg, und fragt man — natürlich nicht überall, was man gewonnen und gelernt, so wird man sich gestehen müssen, daß Multa dem Multum gar oft den Rang abgelaufen haben. ") Einen größeren Artikel über denselben Gegenstand von Prof. Heinrich Rucke re D. Red. werden wir später folgen lassen.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 33, 1874, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341819_130643/45>, abgerufen am 27.04.2024.