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Die Grenzboten. Jg. 33, 1874, I. Semester. I. Band.

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verstanden worden sind. Daß in diesem großen Plane die harmlosen und
liebenswürdigen patriotischen Phantasien, die die Sinne der Andern umgaukel-
ten, nicht stimmten, begreift sich, aber daß der Erzeuger dieses Planes in seiner
Art ein ebenso guter Patriot war, wie jene, soll erst noch begriffen werden.


H. Rückert.


Lamannora's Auch.
(Schluß.)

Der Zusammentritt eines Congresses war sehr zweifelhaft. Man ver¬
gesse aber nicht, daß es Lamarmora darauf auch gar nicht ankam, daß es sich
für ihn nur darum handelte, Napoleon nicht vor den Kopf zu stoßen. Wem
es mit dem Gelingen des Congresses Ernst war, wie z. B. dem englischen
Ministerium, der mußte als erste Vorbedingung eine allgemeine gleichzeitige
Entwaffnung fordern. Lamarmora fürchtete denn auch, daß dieser Vorschlag
kommen werde. Ihn zu erfüllen wäre aber gerade für ihn schlechterdings
unmöglich gewesen; jedes Zeichen von Nachgiebigkeit mußte unvermeidlich
seinen Sturz herbeiführen. Deshalb erklärte er denn auch sofort am 8. Mai
"Allen, welche zu ihm kamen ihn zu consultiren", daß Italien den Congreß
annehme, aber ohne Abrüstung, und machte seinen Gesandten diesen Ent¬
schluß am 11. Mai durch ein Rundschreiben bekannt. Seltsamer Weise hielt
er es jedoch nicht für nöthig, auch der preußischen Regierung oder ihrem Ge¬
sandten in Florenz Kenntniß davon zu geben. Erst als Usedom ihn am
17. Mai fragte, was Italien thun werde, wenn die Mächte es zur Ent¬
waffnung aufforderten, gab er zur Antwort, daß er schon seit dem 8. Stellung
zu dieser Frage genommen. Usedom erklärte sich sachlich damit sehr einver¬
standen; aber, so fügte er beißend genug hinzu, ich war nicht im Stande
dem Grafen Bismarck Aufklärung darüber zu geben, warum diese Eröffnung
allen Vertretern von und an den europäischen Höfen gemacht wurde, während
Preußen zehn Tage lang Nichts davon wußte. Lamarmora will diesen Sar-
kasmus mit einem andern vergelten, und meint, die einzige Aufklärung, die
Usedom hätte geben können, wäre die gewesen, daß er Bismarck gestanden,
Preußen sei in Florenz sehr schlecht vertreten. Also der preußische Gesandte
mußte fragen, alle andern bekamen ohne Fragen die Nachricht; alle andern
italienischen Vertreter machten den Höfen, bei welchen sie beglaubigt waren,


verstanden worden sind. Daß in diesem großen Plane die harmlosen und
liebenswürdigen patriotischen Phantasien, die die Sinne der Andern umgaukel-
ten, nicht stimmten, begreift sich, aber daß der Erzeuger dieses Planes in seiner
Art ein ebenso guter Patriot war, wie jene, soll erst noch begriffen werden.


H. Rückert.


Lamannora's Auch.
(Schluß.)

Der Zusammentritt eines Congresses war sehr zweifelhaft. Man ver¬
gesse aber nicht, daß es Lamarmora darauf auch gar nicht ankam, daß es sich
für ihn nur darum handelte, Napoleon nicht vor den Kopf zu stoßen. Wem
es mit dem Gelingen des Congresses Ernst war, wie z. B. dem englischen
Ministerium, der mußte als erste Vorbedingung eine allgemeine gleichzeitige
Entwaffnung fordern. Lamarmora fürchtete denn auch, daß dieser Vorschlag
kommen werde. Ihn zu erfüllen wäre aber gerade für ihn schlechterdings
unmöglich gewesen; jedes Zeichen von Nachgiebigkeit mußte unvermeidlich
seinen Sturz herbeiführen. Deshalb erklärte er denn auch sofort am 8. Mai
„Allen, welche zu ihm kamen ihn zu consultiren", daß Italien den Congreß
annehme, aber ohne Abrüstung, und machte seinen Gesandten diesen Ent¬
schluß am 11. Mai durch ein Rundschreiben bekannt. Seltsamer Weise hielt
er es jedoch nicht für nöthig, auch der preußischen Regierung oder ihrem Ge¬
sandten in Florenz Kenntniß davon zu geben. Erst als Usedom ihn am
17. Mai fragte, was Italien thun werde, wenn die Mächte es zur Ent¬
waffnung aufforderten, gab er zur Antwort, daß er schon seit dem 8. Stellung
zu dieser Frage genommen. Usedom erklärte sich sachlich damit sehr einver¬
standen; aber, so fügte er beißend genug hinzu, ich war nicht im Stande
dem Grafen Bismarck Aufklärung darüber zu geben, warum diese Eröffnung
allen Vertretern von und an den europäischen Höfen gemacht wurde, während
Preußen zehn Tage lang Nichts davon wußte. Lamarmora will diesen Sar-
kasmus mit einem andern vergelten, und meint, die einzige Aufklärung, die
Usedom hätte geben können, wäre die gewesen, daß er Bismarck gestanden,
Preußen sei in Florenz sehr schlecht vertreten. Also der preußische Gesandte
mußte fragen, alle andern bekamen ohne Fragen die Nachricht; alle andern
italienischen Vertreter machten den Höfen, bei welchen sie beglaubigt waren,


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[0456] verstanden worden sind. Daß in diesem großen Plane die harmlosen und liebenswürdigen patriotischen Phantasien, die die Sinne der Andern umgaukel- ten, nicht stimmten, begreift sich, aber daß der Erzeuger dieses Planes in seiner Art ein ebenso guter Patriot war, wie jene, soll erst noch begriffen werden. H. Rückert. Lamannora's Auch. (Schluß.) Der Zusammentritt eines Congresses war sehr zweifelhaft. Man ver¬ gesse aber nicht, daß es Lamarmora darauf auch gar nicht ankam, daß es sich für ihn nur darum handelte, Napoleon nicht vor den Kopf zu stoßen. Wem es mit dem Gelingen des Congresses Ernst war, wie z. B. dem englischen Ministerium, der mußte als erste Vorbedingung eine allgemeine gleichzeitige Entwaffnung fordern. Lamarmora fürchtete denn auch, daß dieser Vorschlag kommen werde. Ihn zu erfüllen wäre aber gerade für ihn schlechterdings unmöglich gewesen; jedes Zeichen von Nachgiebigkeit mußte unvermeidlich seinen Sturz herbeiführen. Deshalb erklärte er denn auch sofort am 8. Mai „Allen, welche zu ihm kamen ihn zu consultiren", daß Italien den Congreß annehme, aber ohne Abrüstung, und machte seinen Gesandten diesen Ent¬ schluß am 11. Mai durch ein Rundschreiben bekannt. Seltsamer Weise hielt er es jedoch nicht für nöthig, auch der preußischen Regierung oder ihrem Ge¬ sandten in Florenz Kenntniß davon zu geben. Erst als Usedom ihn am 17. Mai fragte, was Italien thun werde, wenn die Mächte es zur Ent¬ waffnung aufforderten, gab er zur Antwort, daß er schon seit dem 8. Stellung zu dieser Frage genommen. Usedom erklärte sich sachlich damit sehr einver¬ standen; aber, so fügte er beißend genug hinzu, ich war nicht im Stande dem Grafen Bismarck Aufklärung darüber zu geben, warum diese Eröffnung allen Vertretern von und an den europäischen Höfen gemacht wurde, während Preußen zehn Tage lang Nichts davon wußte. Lamarmora will diesen Sar- kasmus mit einem andern vergelten, und meint, die einzige Aufklärung, die Usedom hätte geben können, wäre die gewesen, daß er Bismarck gestanden, Preußen sei in Florenz sehr schlecht vertreten. Also der preußische Gesandte mußte fragen, alle andern bekamen ohne Fragen die Nachricht; alle andern italienischen Vertreter machten den Höfen, bei welchen sie beglaubigt waren,

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 33, 1874, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341819_130643/456>, abgerufen am 27.04.2024.