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Die Grenzboten. Jg. 33, 1874, I. Semester. I. Band.

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Die Jelagermg von Metz unter dem Kaiser Karl V.
Von Max Jähns. II.

Der Friede von Crespy war im Grunde genommen auch nur ein Waffen¬
stillstand. Sobald der Zusammenstoß drohte zwischen dem Kaiser und der
schmalkaldischen Union, da hatte auch Frankreich wieder die gleißnerische Hand
im Spiel; bereitwillig ergriffen sie die bethörten deutschen Fürsten, so zornig
sich auch Martin Luther noch kurz vor seinem Tode darüber ausgelassen und
so dringend auch der Kurfürst von Brandenburg, Joachim II., davon abge-
rathen hat. So lange der Kaiser triumphirte, war freilich Deutschland ge¬
schützt; als sich aber Moritz von Sachsen gegen ihn wendete, da schlug die
Stunde, von der an sich die französische Krone mit Edelsteinen zu schmücken
begann, welche deutsche Fürsten vom Diademe ihres Kaisers lösten und dem
Erbfeinde in die Hände spielten. Vergeblich schrieb ein der evangelischen Sache
so treu ergebener Mann wie Melanchthon dem Kurfürsten: "Er möge doch
betrachten, ob ein solcher Krieg mit ungewissen und gefährlichen Leuten, wel¬
cher Zerstörung des ganzen Reiches bringen möchte, zu erregen sei, und be¬
denken, was es sei, ordentliche Hoheit und ein gefaßtes Reich mit Kur- und
Fürsten in einen Haufen zu werfen und eine Zerrüttung und Confusion zu
machen, deren Niemand ein Ende sehen könne." Trotz dieser dringenden Abmah¬
nung und trotz der Vorstellungen der sächsischen Stände schlossen Kurfürst Moritz
und die Fürsten von Mecklenburg, Anspach und Hessen-Cassel mit dem Könige
Heinrich II. von Frankreich, "der sich gegen uns Deutsche in dieser Sache
mit Hülfe und Beistand nicht nur als Freund, sondern als liebreicher Vater
verhält," am 13. Jan. 1SS2 zu Chambord ein Schutz- und Trutzbündniß
gegen ihren "gemeinschaftlichen Feind", den deutschen Kaiser, um "dessen ty¬
rannisches Joch bestialischer Knechtschaft von den Häuptern zu schütteln", und
zugleich jenen traurigen Vertrag, durch welchen Cambray, Metz. Toul und
Verdun an Frankreich überlassen wurden. Heinrich sollte diese Städte, "welche
zum Reich gehören, aber doch nicht deutscher Sprache sind," als "Vicarius"


Grenzten I. 1874. <!
Die Jelagermg von Metz unter dem Kaiser Karl V.
Von Max Jähns. II.

Der Friede von Crespy war im Grunde genommen auch nur ein Waffen¬
stillstand. Sobald der Zusammenstoß drohte zwischen dem Kaiser und der
schmalkaldischen Union, da hatte auch Frankreich wieder die gleißnerische Hand
im Spiel; bereitwillig ergriffen sie die bethörten deutschen Fürsten, so zornig
sich auch Martin Luther noch kurz vor seinem Tode darüber ausgelassen und
so dringend auch der Kurfürst von Brandenburg, Joachim II., davon abge-
rathen hat. So lange der Kaiser triumphirte, war freilich Deutschland ge¬
schützt; als sich aber Moritz von Sachsen gegen ihn wendete, da schlug die
Stunde, von der an sich die französische Krone mit Edelsteinen zu schmücken
begann, welche deutsche Fürsten vom Diademe ihres Kaisers lösten und dem
Erbfeinde in die Hände spielten. Vergeblich schrieb ein der evangelischen Sache
so treu ergebener Mann wie Melanchthon dem Kurfürsten: „Er möge doch
betrachten, ob ein solcher Krieg mit ungewissen und gefährlichen Leuten, wel¬
cher Zerstörung des ganzen Reiches bringen möchte, zu erregen sei, und be¬
denken, was es sei, ordentliche Hoheit und ein gefaßtes Reich mit Kur- und
Fürsten in einen Haufen zu werfen und eine Zerrüttung und Confusion zu
machen, deren Niemand ein Ende sehen könne." Trotz dieser dringenden Abmah¬
nung und trotz der Vorstellungen der sächsischen Stände schlossen Kurfürst Moritz
und die Fürsten von Mecklenburg, Anspach und Hessen-Cassel mit dem Könige
Heinrich II. von Frankreich, „der sich gegen uns Deutsche in dieser Sache
mit Hülfe und Beistand nicht nur als Freund, sondern als liebreicher Vater
verhält," am 13. Jan. 1SS2 zu Chambord ein Schutz- und Trutzbündniß
gegen ihren „gemeinschaftlichen Feind", den deutschen Kaiser, um „dessen ty¬
rannisches Joch bestialischer Knechtschaft von den Häuptern zu schütteln", und
zugleich jenen traurigen Vertrag, durch welchen Cambray, Metz. Toul und
Verdun an Frankreich überlassen wurden. Heinrich sollte diese Städte, „welche
zum Reich gehören, aber doch nicht deutscher Sprache sind," als „Vicarius"


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[0047] Die Jelagermg von Metz unter dem Kaiser Karl V. Von Max Jähns. II. Der Friede von Crespy war im Grunde genommen auch nur ein Waffen¬ stillstand. Sobald der Zusammenstoß drohte zwischen dem Kaiser und der schmalkaldischen Union, da hatte auch Frankreich wieder die gleißnerische Hand im Spiel; bereitwillig ergriffen sie die bethörten deutschen Fürsten, so zornig sich auch Martin Luther noch kurz vor seinem Tode darüber ausgelassen und so dringend auch der Kurfürst von Brandenburg, Joachim II., davon abge- rathen hat. So lange der Kaiser triumphirte, war freilich Deutschland ge¬ schützt; als sich aber Moritz von Sachsen gegen ihn wendete, da schlug die Stunde, von der an sich die französische Krone mit Edelsteinen zu schmücken begann, welche deutsche Fürsten vom Diademe ihres Kaisers lösten und dem Erbfeinde in die Hände spielten. Vergeblich schrieb ein der evangelischen Sache so treu ergebener Mann wie Melanchthon dem Kurfürsten: „Er möge doch betrachten, ob ein solcher Krieg mit ungewissen und gefährlichen Leuten, wel¬ cher Zerstörung des ganzen Reiches bringen möchte, zu erregen sei, und be¬ denken, was es sei, ordentliche Hoheit und ein gefaßtes Reich mit Kur- und Fürsten in einen Haufen zu werfen und eine Zerrüttung und Confusion zu machen, deren Niemand ein Ende sehen könne." Trotz dieser dringenden Abmah¬ nung und trotz der Vorstellungen der sächsischen Stände schlossen Kurfürst Moritz und die Fürsten von Mecklenburg, Anspach und Hessen-Cassel mit dem Könige Heinrich II. von Frankreich, „der sich gegen uns Deutsche in dieser Sache mit Hülfe und Beistand nicht nur als Freund, sondern als liebreicher Vater verhält," am 13. Jan. 1SS2 zu Chambord ein Schutz- und Trutzbündniß gegen ihren „gemeinschaftlichen Feind", den deutschen Kaiser, um „dessen ty¬ rannisches Joch bestialischer Knechtschaft von den Häuptern zu schütteln", und zugleich jenen traurigen Vertrag, durch welchen Cambray, Metz. Toul und Verdun an Frankreich überlassen wurden. Heinrich sollte diese Städte, „welche zum Reich gehören, aber doch nicht deutscher Sprache sind," als „Vicarius" Grenzten I. 1874. <!

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 33, 1874, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341819_130643/47>, abgerufen am 28.04.2024.