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Die Grenzboten. Jg. 33, 1874, I. Semester. I. Band.

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Geschichtliche und Kunstgeschichtliche Literatur.

Von drei unsrer hervorragendsten geschichtlichen und culturgeschichtlichen Werke
haben wir neue Ausgaben zur Anzeige zu bringen: von M. Duncker's Geschichte
des Alterthums, Schnaase's Kunstgeschichte und Jul, Braun's Geschichte der
alten Kunst. Duncker's Geschichte des Alterthums wird, wenn sie
erst einmal das sein wird, was ihr Name sagt, nämlich eine Geschichte der
orientalischen Völker, der Griechen und der Römer, in unsrer geschichtlichen
Literatur einzig in ihrer Art dastehen; nicht bloß äußerlich, insofern sie das
einzige Werk ist, welches mitten inne steht zwischen allgemeinen Weltge¬
schichten wie der Schlosser'schen und Specialdarstellungen wie Ewald's Ge¬
schichte Israels, Curtius' griechischer und Mommsen's römischer Geschichte,
sondern vor allem auch innerlich, insofern sich in ihr eine Selbständigkeit
der Forschung, Auffassung und Kritik offenbart, wie man sie bei einem
Werke von solcher Anlage und solchem Umfange kaum erwarten sollte. Aber
nicht nur ein eminent wissenschaftliches, sie ist auch ein eminent populäres
Buch, und während sie für den Historiker von Fach unentbehrlich ist, bildet
sie zugleich durch ihre schlichte, klare und geschmackvolle Darstellung eines
der genußreichsten Geschichtswerke für jeden gebildeten Laien. Bisher lagen
vier Bände davon vor, von denen die beiden ersten -- in dritter Auflage --
die Geschichte der orientalischen Völker, die beiden übrigen -- in zweiter
Auflage --- die griechische Geschichte bis zu den Perserkriegen behandeln. Mit
der neuen, wiederum sorgfältig berichtigten Auflage, die also zum Theil eine
vierte, zum Theil eine dritte ist, erscheint der Stoff der bisherigen vier Bände
auf sieben vertheilt zum ersten Male in einer Gesammtausgabe. Die An¬
schaffung wird durch die Verlagshandlung (Duncker & Humblot) wesentlich
erleichtert, da sie das Werk in 10--12 Bogen starken Lieferungen (-1 1 Thlr.)
ausgiebt. Die erste Lieferung liegt uns in sehr schöner Ausstattung vor. --
Auch Schnaase's Kunstgeschichte ist eine der bewunderungswürdigsten
Leistungen der deutschen Geschichtsschreibung. Dem hohen Ziele, welches seit
Herder als das Ideal aller Kunstgeschichtsbetrachtung dasteht, die Eigenart
jeder künstlerischen Erscheinung aus ihrer Zeit und ihrem Volksthume heraus
zu begreifen, sie im Zusammenhange mit den staatlichen und gesellschaftlichen
Institutionen, den kirchlichen und religiösen Zuständen, den sittlichen und in-
tellectuellen Eigenthümlichkeiten der Zeiten und Völker aufzufassen, diesem
hohen Ziele hat Schnaase unablässig zugestrebt. Und alles, was er giebt,
ist ausgezeichnet durch die durchsichtige Klarheit und die einfache, anspruchs¬
lose Schönheit der Darstellung. Wenn solch ein Werk als Torso in unsrer
Literatur stehen bliebe, es wäre ewig zu beklagen. Zur Bearbeitung der
zweiten Auflage hat der Verfasser, um nicht in der Wetterführung der ersten


Geschichtliche und Kunstgeschichtliche Literatur.

Von drei unsrer hervorragendsten geschichtlichen und culturgeschichtlichen Werke
haben wir neue Ausgaben zur Anzeige zu bringen: von M. Duncker's Geschichte
des Alterthums, Schnaase's Kunstgeschichte und Jul, Braun's Geschichte der
alten Kunst. Duncker's Geschichte des Alterthums wird, wenn sie
erst einmal das sein wird, was ihr Name sagt, nämlich eine Geschichte der
orientalischen Völker, der Griechen und der Römer, in unsrer geschichtlichen
Literatur einzig in ihrer Art dastehen; nicht bloß äußerlich, insofern sie das
einzige Werk ist, welches mitten inne steht zwischen allgemeinen Weltge¬
schichten wie der Schlosser'schen und Specialdarstellungen wie Ewald's Ge¬
schichte Israels, Curtius' griechischer und Mommsen's römischer Geschichte,
sondern vor allem auch innerlich, insofern sich in ihr eine Selbständigkeit
der Forschung, Auffassung und Kritik offenbart, wie man sie bei einem
Werke von solcher Anlage und solchem Umfange kaum erwarten sollte. Aber
nicht nur ein eminent wissenschaftliches, sie ist auch ein eminent populäres
Buch, und während sie für den Historiker von Fach unentbehrlich ist, bildet
sie zugleich durch ihre schlichte, klare und geschmackvolle Darstellung eines
der genußreichsten Geschichtswerke für jeden gebildeten Laien. Bisher lagen
vier Bände davon vor, von denen die beiden ersten — in dritter Auflage —
die Geschichte der orientalischen Völker, die beiden übrigen — in zweiter
Auflage —- die griechische Geschichte bis zu den Perserkriegen behandeln. Mit
der neuen, wiederum sorgfältig berichtigten Auflage, die also zum Theil eine
vierte, zum Theil eine dritte ist, erscheint der Stoff der bisherigen vier Bände
auf sieben vertheilt zum ersten Male in einer Gesammtausgabe. Die An¬
schaffung wird durch die Verlagshandlung (Duncker & Humblot) wesentlich
erleichtert, da sie das Werk in 10—12 Bogen starken Lieferungen (-1 1 Thlr.)
ausgiebt. Die erste Lieferung liegt uns in sehr schöner Ausstattung vor. —
Auch Schnaase's Kunstgeschichte ist eine der bewunderungswürdigsten
Leistungen der deutschen Geschichtsschreibung. Dem hohen Ziele, welches seit
Herder als das Ideal aller Kunstgeschichtsbetrachtung dasteht, die Eigenart
jeder künstlerischen Erscheinung aus ihrer Zeit und ihrem Volksthume heraus
zu begreifen, sie im Zusammenhange mit den staatlichen und gesellschaftlichen
Institutionen, den kirchlichen und religiösen Zuständen, den sittlichen und in-
tellectuellen Eigenthümlichkeiten der Zeiten und Völker aufzufassen, diesem
hohen Ziele hat Schnaase unablässig zugestrebt. Und alles, was er giebt,
ist ausgezeichnet durch die durchsichtige Klarheit und die einfache, anspruchs¬
lose Schönheit der Darstellung. Wenn solch ein Werk als Torso in unsrer
Literatur stehen bliebe, es wäre ewig zu beklagen. Zur Bearbeitung der
zweiten Auflage hat der Verfasser, um nicht in der Wetterführung der ersten


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[0515] Geschichtliche und Kunstgeschichtliche Literatur. Von drei unsrer hervorragendsten geschichtlichen und culturgeschichtlichen Werke haben wir neue Ausgaben zur Anzeige zu bringen: von M. Duncker's Geschichte des Alterthums, Schnaase's Kunstgeschichte und Jul, Braun's Geschichte der alten Kunst. Duncker's Geschichte des Alterthums wird, wenn sie erst einmal das sein wird, was ihr Name sagt, nämlich eine Geschichte der orientalischen Völker, der Griechen und der Römer, in unsrer geschichtlichen Literatur einzig in ihrer Art dastehen; nicht bloß äußerlich, insofern sie das einzige Werk ist, welches mitten inne steht zwischen allgemeinen Weltge¬ schichten wie der Schlosser'schen und Specialdarstellungen wie Ewald's Ge¬ schichte Israels, Curtius' griechischer und Mommsen's römischer Geschichte, sondern vor allem auch innerlich, insofern sich in ihr eine Selbständigkeit der Forschung, Auffassung und Kritik offenbart, wie man sie bei einem Werke von solcher Anlage und solchem Umfange kaum erwarten sollte. Aber nicht nur ein eminent wissenschaftliches, sie ist auch ein eminent populäres Buch, und während sie für den Historiker von Fach unentbehrlich ist, bildet sie zugleich durch ihre schlichte, klare und geschmackvolle Darstellung eines der genußreichsten Geschichtswerke für jeden gebildeten Laien. Bisher lagen vier Bände davon vor, von denen die beiden ersten — in dritter Auflage — die Geschichte der orientalischen Völker, die beiden übrigen — in zweiter Auflage —- die griechische Geschichte bis zu den Perserkriegen behandeln. Mit der neuen, wiederum sorgfältig berichtigten Auflage, die also zum Theil eine vierte, zum Theil eine dritte ist, erscheint der Stoff der bisherigen vier Bände auf sieben vertheilt zum ersten Male in einer Gesammtausgabe. Die An¬ schaffung wird durch die Verlagshandlung (Duncker & Humblot) wesentlich erleichtert, da sie das Werk in 10—12 Bogen starken Lieferungen (-1 1 Thlr.) ausgiebt. Die erste Lieferung liegt uns in sehr schöner Ausstattung vor. — Auch Schnaase's Kunstgeschichte ist eine der bewunderungswürdigsten Leistungen der deutschen Geschichtsschreibung. Dem hohen Ziele, welches seit Herder als das Ideal aller Kunstgeschichtsbetrachtung dasteht, die Eigenart jeder künstlerischen Erscheinung aus ihrer Zeit und ihrem Volksthume heraus zu begreifen, sie im Zusammenhange mit den staatlichen und gesellschaftlichen Institutionen, den kirchlichen und religiösen Zuständen, den sittlichen und in- tellectuellen Eigenthümlichkeiten der Zeiten und Völker aufzufassen, diesem hohen Ziele hat Schnaase unablässig zugestrebt. Und alles, was er giebt, ist ausgezeichnet durch die durchsichtige Klarheit und die einfache, anspruchs¬ lose Schönheit der Darstellung. Wenn solch ein Werk als Torso in unsrer Literatur stehen bliebe, es wäre ewig zu beklagen. Zur Bearbeitung der zweiten Auflage hat der Verfasser, um nicht in der Wetterführung der ersten

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 33, 1874, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341819_130643/515>, abgerufen am 27.04.2024.