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Die Grenzboten. Jg. 33, 1874, I. Semester. I. Band.

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aber war es recht, mit dieser höchstpersönlichen Angelegenheit vor die Oeffent-
lichkeit zu treten? Herrn Homberger's publicistische Bedeutung in Ehren, aber
infolge seiner Veröffentlichung wurde, gewiß ohne seine eigene Absicht, ein
Skandal angezettelt, der zwei als Parlamentsmitglieder und als Schriftsteller
hochgeachtete Männer blosstellen konnte, der den politischen Gegnern will¬
kommensten Stoff zur Verhöhnung der nationalliberalen Partei überhaupt
bieten mußte! -- Nicht erquicklicher, als diese und andere dermalen in unserer
Tagesliteratur auftretende persönliche Fehden ist die Weise, wie "Kreuzzeitung",
"Spener'sche", und "Germania" ohne Unterlaß vor allem Volk schmutzige
Wäsche waschen. Leider kann dabei nicht verhehlt werden, daß der alte
Onkel Spener seit Neujahr durch eine Reihe der seltsamsten Ueberraschungen
zu dieser Procedur allerdings gegründeten Anlaß gegeben hat.

Suchen wir jedoch zum Schluß diese betrübenden Erscheinungen des
hauptstädtischen Geisteslebens durch einen erfreulichen Eindruck zu verwischen.
In Thalia's Reich erzielt zur Zeit ein Gast von der Donau, die bekannte
Tragödin Friederike Bognar bedeutende Erfolge. Frl. Bognar ist unbestreit¬
bar einer der glänzendsten Sterne am heutigen dramatischen Himmel. Sie
hat nicht die ragende Gestalt, nicht die männliche Kraft der Stimme, auch
nicht mehr das jugendlichere Alter der Clara Ziegler, aber sie ist, wenn mich
die Erinnerung nicht trügt, geistig ihrer Münchener Kunstgenossin überlegen.
Meisterhaft versteht sie es, in ihrem Mienenspiel den seelischen Kämpfen den
ergreifendsten Ausdruck zu geben. So in Grillparzer's Sappho, so in der
nicht minder schwierigen Titelrolle von Joseph Weilen's eigenthümlichem
Trauerspiel Dolores. - Was aber am wohlthuendsten berührt, ist ihr fein
durchdachtes Maßhalten. Nur selten reißt sie der Affect ein wenig über die
Grenze des künstlerisch Zulässigen hinaus; in solchen Augenblicken tritt auch
noch lautes Athemholen als störendes Element hinzu. Aber der Gesammt-
eindruck bleibt doch ein überwältigender, und wir können es dem kleinen
Stadttheater nur aufrichtig Dank wissen, daß es uns die Möglichkeit gewährt
h X> X- at, die Wiener Künstlerin zu bewundern.





In der letzten Correspondenz "Aus dem Reichslande" (Ur. 11) ist S. 469 statt "Bestäti¬
gung" der Vollmachten des Oberpräsidenten zu lesen: "Beseitigung", statt "Stimmcndruck"
"Steuerdruck", S. 47" statt "unverständlich" "unempfindlich", S. 471 statt "Reichs- und
Paßgesetzes" "Reichspreßgesetzes."




Mit Ur, 14 beginnt diese Zeitschrift ein neues Quartal, welches
durch alle Buchhandlungen und Postämter des In- und Auslandes
zu beziehen ist.
Privatpersonen, ftefellige Vereine, Lesegesellschaften,
Kaffeehäuser und Conditoreien werden um gefällige Berücksichtigung
derselben freundlichst gebeten.
Leipzig, im März 1874.Die Verlagshandlung"




Verantwortlicher Redakteur: or. Haus Blum.
Verlag von F. L. Hrrtig. -- Druck von Hiithel ü, Legler in Leipzig.

aber war es recht, mit dieser höchstpersönlichen Angelegenheit vor die Oeffent-
lichkeit zu treten? Herrn Homberger's publicistische Bedeutung in Ehren, aber
infolge seiner Veröffentlichung wurde, gewiß ohne seine eigene Absicht, ein
Skandal angezettelt, der zwei als Parlamentsmitglieder und als Schriftsteller
hochgeachtete Männer blosstellen konnte, der den politischen Gegnern will¬
kommensten Stoff zur Verhöhnung der nationalliberalen Partei überhaupt
bieten mußte! — Nicht erquicklicher, als diese und andere dermalen in unserer
Tagesliteratur auftretende persönliche Fehden ist die Weise, wie „Kreuzzeitung",
„Spener'sche", und „Germania" ohne Unterlaß vor allem Volk schmutzige
Wäsche waschen. Leider kann dabei nicht verhehlt werden, daß der alte
Onkel Spener seit Neujahr durch eine Reihe der seltsamsten Ueberraschungen
zu dieser Procedur allerdings gegründeten Anlaß gegeben hat.

Suchen wir jedoch zum Schluß diese betrübenden Erscheinungen des
hauptstädtischen Geisteslebens durch einen erfreulichen Eindruck zu verwischen.
In Thalia's Reich erzielt zur Zeit ein Gast von der Donau, die bekannte
Tragödin Friederike Bognar bedeutende Erfolge. Frl. Bognar ist unbestreit¬
bar einer der glänzendsten Sterne am heutigen dramatischen Himmel. Sie
hat nicht die ragende Gestalt, nicht die männliche Kraft der Stimme, auch
nicht mehr das jugendlichere Alter der Clara Ziegler, aber sie ist, wenn mich
die Erinnerung nicht trügt, geistig ihrer Münchener Kunstgenossin überlegen.
Meisterhaft versteht sie es, in ihrem Mienenspiel den seelischen Kämpfen den
ergreifendsten Ausdruck zu geben. So in Grillparzer's Sappho, so in der
nicht minder schwierigen Titelrolle von Joseph Weilen's eigenthümlichem
Trauerspiel Dolores. - Was aber am wohlthuendsten berührt, ist ihr fein
durchdachtes Maßhalten. Nur selten reißt sie der Affect ein wenig über die
Grenze des künstlerisch Zulässigen hinaus; in solchen Augenblicken tritt auch
noch lautes Athemholen als störendes Element hinzu. Aber der Gesammt-
eindruck bleibt doch ein überwältigender, und wir können es dem kleinen
Stadttheater nur aufrichtig Dank wissen, daß es uns die Möglichkeit gewährt
h X> X- at, die Wiener Künstlerin zu bewundern.





In der letzten Correspondenz „Aus dem Reichslande" (Ur. 11) ist S. 469 statt „Bestäti¬
gung" der Vollmachten des Oberpräsidenten zu lesen: „Beseitigung", statt „Stimmcndruck"
„Steuerdruck", S. 47» statt „unverständlich" „unempfindlich", S. 471 statt „Reichs- und
Paßgesetzes" „Reichspreßgesetzes."




Mit Ur, 14 beginnt diese Zeitschrift ein neues Quartal, welches
durch alle Buchhandlungen und Postämter des In- und Auslandes
zu beziehen ist.
Privatpersonen, ftefellige Vereine, Lesegesellschaften,
Kaffeehäuser und Conditoreien werden um gefällige Berücksichtigung
derselben freundlichst gebeten.
Leipzig, im März 1874.Die Verlagshandlung»




Verantwortlicher Redakteur: or. Haus Blum.
Verlag von F. L. Hrrtig. — Druck von Hiithel ü, Legler in Leipzig.
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[0526] aber war es recht, mit dieser höchstpersönlichen Angelegenheit vor die Oeffent- lichkeit zu treten? Herrn Homberger's publicistische Bedeutung in Ehren, aber infolge seiner Veröffentlichung wurde, gewiß ohne seine eigene Absicht, ein Skandal angezettelt, der zwei als Parlamentsmitglieder und als Schriftsteller hochgeachtete Männer blosstellen konnte, der den politischen Gegnern will¬ kommensten Stoff zur Verhöhnung der nationalliberalen Partei überhaupt bieten mußte! — Nicht erquicklicher, als diese und andere dermalen in unserer Tagesliteratur auftretende persönliche Fehden ist die Weise, wie „Kreuzzeitung", „Spener'sche", und „Germania" ohne Unterlaß vor allem Volk schmutzige Wäsche waschen. Leider kann dabei nicht verhehlt werden, daß der alte Onkel Spener seit Neujahr durch eine Reihe der seltsamsten Ueberraschungen zu dieser Procedur allerdings gegründeten Anlaß gegeben hat. Suchen wir jedoch zum Schluß diese betrübenden Erscheinungen des hauptstädtischen Geisteslebens durch einen erfreulichen Eindruck zu verwischen. In Thalia's Reich erzielt zur Zeit ein Gast von der Donau, die bekannte Tragödin Friederike Bognar bedeutende Erfolge. Frl. Bognar ist unbestreit¬ bar einer der glänzendsten Sterne am heutigen dramatischen Himmel. Sie hat nicht die ragende Gestalt, nicht die männliche Kraft der Stimme, auch nicht mehr das jugendlichere Alter der Clara Ziegler, aber sie ist, wenn mich die Erinnerung nicht trügt, geistig ihrer Münchener Kunstgenossin überlegen. Meisterhaft versteht sie es, in ihrem Mienenspiel den seelischen Kämpfen den ergreifendsten Ausdruck zu geben. So in Grillparzer's Sappho, so in der nicht minder schwierigen Titelrolle von Joseph Weilen's eigenthümlichem Trauerspiel Dolores. - Was aber am wohlthuendsten berührt, ist ihr fein durchdachtes Maßhalten. Nur selten reißt sie der Affect ein wenig über die Grenze des künstlerisch Zulässigen hinaus; in solchen Augenblicken tritt auch noch lautes Athemholen als störendes Element hinzu. Aber der Gesammt- eindruck bleibt doch ein überwältigender, und wir können es dem kleinen Stadttheater nur aufrichtig Dank wissen, daß es uns die Möglichkeit gewährt h X> X- at, die Wiener Künstlerin zu bewundern. In der letzten Correspondenz „Aus dem Reichslande" (Ur. 11) ist S. 469 statt „Bestäti¬ gung" der Vollmachten des Oberpräsidenten zu lesen: „Beseitigung", statt „Stimmcndruck" „Steuerdruck", S. 47» statt „unverständlich" „unempfindlich", S. 471 statt „Reichs- und Paßgesetzes" „Reichspreßgesetzes." Mit Ur, 14 beginnt diese Zeitschrift ein neues Quartal, welches durch alle Buchhandlungen und Postämter des In- und Auslandes zu beziehen ist. Privatpersonen, ftefellige Vereine, Lesegesellschaften, Kaffeehäuser und Conditoreien werden um gefällige Berücksichtigung derselben freundlichst gebeten. Leipzig, im März 1874.Die Verlagshandlung» Verantwortlicher Redakteur: or. Haus Blum. Verlag von F. L. Hrrtig. — Druck von Hiithel ü, Legler in Leipzig.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 33, 1874, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341819_130643/526>, abgerufen am 28.04.2024.