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Die Grenzboten. Jg. 33, 1874, I. Semester. I. Band.

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werden -- es sind ihrer 180.000 -- die Erfüllung einer solchen Masse der
lästigsten Förmlichkeiten angesonnen, daß sicherlich nicht 100 von ihnen ihren
Eintrag in die Wählerlisten bewirken werden.

Die Nationalversammlung hat das alte Jahr mit der leidigen Steuer¬
debatte geschlossen. Auch der unverwüstlichste Optimismus wäre nicht im
Stande gewesen, bei dieser Gelegenheit ein tröstliches Bild von Frankreichs
Zukunft zu entwerfen. So flüchtig auch die Redner über den Gegenstand
hinweggingen, das Eine ergab sich doch unwiderleglich, daß für künftige Jahre
zur Vermeidung des Deficits die Steuerkraft des Landes noch in immer
höherem Grade wird angespannt werden müssen. Also noch immer neue
Steuern! Und schon jetzt müht man sich ja vergebens, die für den unmit¬
telbar nächsten Bedarf erforderlichen ausfindig zu machen! Denn diejenigen,
welche dem Finanzminister soeben bewilligt wurden, werden erst einen Ertrag
von 80 Millionen liefern, es bleiben also noch 63 Millionen zu decken. Es ist
das nicht die einzige Klippe, welche der Regierung für die nächste Zeit im
Wege steht. Das Abkommen, welches sie mit der Kaiserin Eugenie getroffen
und nach welchem derselben u. A. das chinesische Museum und die Samm¬
lungen vom Pierrefonds ausgeliefert werden sollen, hat auch in gemäßigten
Kreisen viel böses Blut gemacht. Am gefährlichsten aber kann dem Ministerium
die Vorlage werden, durch welche die bisher nur provisorischen Grade der
Herzöge von Alencon und von Penthievre zu definitiven erklärt werden sollen.
Käme bei dieser Gelegenheit wirklich eine Coalition der legitimistischen Rechten,
der Linken und der Bonapartisten zu Stande, so könnte sich leicht das Wort
^>. "Kleine Ursachen, große Wirkungen" aufs neue erwahren.




<Lin englisches Urtheil über die Kompetenz des deutschen
Kelchs gegenüber den Linzeljiaaten.

Sie gestatten mir, meine diesjährigen Londoner Correspondenzen zu be¬
ginnen durch Mittheilung eines Artikels aus den jüngsten Nummern derTimes,
der für Deutschland vom höchsten Interesse ist, außerdem aber so schneidig
und klar die in jüngster Zeit daheim so oft ventilirte Frage der Grenzen der
Reichs- und Particularstaatscompetenz erörtet, daß die wörtliche Mittheilung
der ganzen Abhandlung Ihren Lesern sicherlich willkommen ist. Der Artikel
lautet:


werden — es sind ihrer 180.000 — die Erfüllung einer solchen Masse der
lästigsten Förmlichkeiten angesonnen, daß sicherlich nicht 100 von ihnen ihren
Eintrag in die Wählerlisten bewirken werden.

Die Nationalversammlung hat das alte Jahr mit der leidigen Steuer¬
debatte geschlossen. Auch der unverwüstlichste Optimismus wäre nicht im
Stande gewesen, bei dieser Gelegenheit ein tröstliches Bild von Frankreichs
Zukunft zu entwerfen. So flüchtig auch die Redner über den Gegenstand
hinweggingen, das Eine ergab sich doch unwiderleglich, daß für künftige Jahre
zur Vermeidung des Deficits die Steuerkraft des Landes noch in immer
höherem Grade wird angespannt werden müssen. Also noch immer neue
Steuern! Und schon jetzt müht man sich ja vergebens, die für den unmit¬
telbar nächsten Bedarf erforderlichen ausfindig zu machen! Denn diejenigen,
welche dem Finanzminister soeben bewilligt wurden, werden erst einen Ertrag
von 80 Millionen liefern, es bleiben also noch 63 Millionen zu decken. Es ist
das nicht die einzige Klippe, welche der Regierung für die nächste Zeit im
Wege steht. Das Abkommen, welches sie mit der Kaiserin Eugenie getroffen
und nach welchem derselben u. A. das chinesische Museum und die Samm¬
lungen vom Pierrefonds ausgeliefert werden sollen, hat auch in gemäßigten
Kreisen viel böses Blut gemacht. Am gefährlichsten aber kann dem Ministerium
die Vorlage werden, durch welche die bisher nur provisorischen Grade der
Herzöge von Alencon und von Penthievre zu definitiven erklärt werden sollen.
Käme bei dieser Gelegenheit wirklich eine Coalition der legitimistischen Rechten,
der Linken und der Bonapartisten zu Stande, so könnte sich leicht das Wort
^>. „Kleine Ursachen, große Wirkungen" aufs neue erwahren.




<Lin englisches Urtheil über die Kompetenz des deutschen
Kelchs gegenüber den Linzeljiaaten.

Sie gestatten mir, meine diesjährigen Londoner Correspondenzen zu be¬
ginnen durch Mittheilung eines Artikels aus den jüngsten Nummern derTimes,
der für Deutschland vom höchsten Interesse ist, außerdem aber so schneidig
und klar die in jüngster Zeit daheim so oft ventilirte Frage der Grenzen der
Reichs- und Particularstaatscompetenz erörtet, daß die wörtliche Mittheilung
der ganzen Abhandlung Ihren Lesern sicherlich willkommen ist. Der Artikel
lautet:


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 33, 1874, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341819_130643/78>, abgerufen am 27.04.2024.