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Die Grenzboten. Jg. 33, 1874, I. Semester. I. Band.

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Ile Jetagerung von Metz unter dem Kaiser Karl V.
Von Max Jähns. (Schluß,)

Am 20. November erschien der Kaiser zum erstenmale persönlich vor
Metz und hielt eine große Parade über die Armee ab, welche mit Ausnahme
von 16 Fähnlein, die als Tranche'ervache zurückgeblieben, in Schlachtordnung
aufgestellt war, und den Kaiser mit dreimaliger Salve aus sämmtlichen Ge¬
schützen und Gewehren begrüßte.") Karl hatte, um an der Spitze des Heeres
erscheinen zu können, Schmerz und Krankheit besiegt und ritt ein herrliches
weißes arabisches Pferd. Wohl fühlte er, daß die Belagerung noch über
mehr entscheiden werde, als über die Zukunft dieser Reichsstadt, und er be¬
schloß, bei derselben auszuharren, während in Frankreich alle Welt wegen
der Nähe des Winters glaubte, der Kaiser werde die Belagerung nun be¬
enden und aufheben. Der florentinische Gesandte spricht in seinen Berichten
die Ueberzeugung aus, daß wenn es dem Kaiser gelinge, Metz zu nehmen,
so werde er alle seine Feinde überwunden haben und auf kein Hinderniß
mehr stoßen, wohin er sich auch wende.

Karl besichtigte die Belagerungsarbeiten genau und entschied sich endlich
für eine abermalige Verlegung des Hauptangriffspunktes. Dieser lag doch
bisher zwischen den Thoren Thiebault und Champenoise jetzt sollte der An¬
griff weiter westlich zwischen dem Thore Champenoise und der Tour d'Eilfer
geführt und bis auf den Raum zwischen der Mosel und der Festung aus¬
gedehnt werden, wo wegen der Beschaffenheit der Werke weniger Schwierig¬
keiten zu überwinden schienen. Außer durch die Laufgräben sollte versucht
werden, der Festung auch noch durch Minen beizukommen. Diese Anord¬
nungen bezeichnen einen zweiten, oder, wenn man die kurze Etablirung bei
Belleeroir hinzurechnet, einen dritten Abschnitt in der Belagerung, und die
Ausführung der kaiserlichen Befehle wurde sofort in Angriff genommen. --
Karl V. nahm in der Abtei Se. Element Wohnung und leitete von nun an
die Operationen selbst.

Sobald der Herzog von Guise über die neue Richtung der Attaque im
Klaren war, ließ er auf der Strecke zwischen dem Höllenthurm und dem



") Salignac berechnet die kaiserliche Armee wie folgt: 14 Regimenter Landsknechte zu
143 Fahnen (eingerechnet die Truppen des Markgrafen Albrecht), 27 Fahnen Spanier, 1" Fah¬
nen Italiener und 12,000 Pferde. Dazu der Hofstaat des Kaisers und das Gefolge vieler
großer Fürsten Deutschlands, Spaniens und Italiens: ferner 140 Artilleriestücke, 7000 Schanz-
baucrn und "sehr große Pulver- und Kugelvorräthe, sowie einen Ueberfluß von Lebensmit¬
teln, wie man ihn kaum je bet einer Winterarmee gesehn."
Ile Jetagerung von Metz unter dem Kaiser Karl V.
Von Max Jähns. (Schluß,)

Am 20. November erschien der Kaiser zum erstenmale persönlich vor
Metz und hielt eine große Parade über die Armee ab, welche mit Ausnahme
von 16 Fähnlein, die als Tranche'ervache zurückgeblieben, in Schlachtordnung
aufgestellt war, und den Kaiser mit dreimaliger Salve aus sämmtlichen Ge¬
schützen und Gewehren begrüßte.") Karl hatte, um an der Spitze des Heeres
erscheinen zu können, Schmerz und Krankheit besiegt und ritt ein herrliches
weißes arabisches Pferd. Wohl fühlte er, daß die Belagerung noch über
mehr entscheiden werde, als über die Zukunft dieser Reichsstadt, und er be¬
schloß, bei derselben auszuharren, während in Frankreich alle Welt wegen
der Nähe des Winters glaubte, der Kaiser werde die Belagerung nun be¬
enden und aufheben. Der florentinische Gesandte spricht in seinen Berichten
die Ueberzeugung aus, daß wenn es dem Kaiser gelinge, Metz zu nehmen,
so werde er alle seine Feinde überwunden haben und auf kein Hinderniß
mehr stoßen, wohin er sich auch wende.

Karl besichtigte die Belagerungsarbeiten genau und entschied sich endlich
für eine abermalige Verlegung des Hauptangriffspunktes. Dieser lag doch
bisher zwischen den Thoren Thiebault und Champenoise jetzt sollte der An¬
griff weiter westlich zwischen dem Thore Champenoise und der Tour d'Eilfer
geführt und bis auf den Raum zwischen der Mosel und der Festung aus¬
gedehnt werden, wo wegen der Beschaffenheit der Werke weniger Schwierig¬
keiten zu überwinden schienen. Außer durch die Laufgräben sollte versucht
werden, der Festung auch noch durch Minen beizukommen. Diese Anord¬
nungen bezeichnen einen zweiten, oder, wenn man die kurze Etablirung bei
Belleeroir hinzurechnet, einen dritten Abschnitt in der Belagerung, und die
Ausführung der kaiserlichen Befehle wurde sofort in Angriff genommen. —
Karl V. nahm in der Abtei Se. Element Wohnung und leitete von nun an
die Operationen selbst.

Sobald der Herzog von Guise über die neue Richtung der Attaque im
Klaren war, ließ er auf der Strecke zwischen dem Höllenthurm und dem



") Salignac berechnet die kaiserliche Armee wie folgt: 14 Regimenter Landsknechte zu
143 Fahnen (eingerechnet die Truppen des Markgrafen Albrecht), 27 Fahnen Spanier, 1« Fah¬
nen Italiener und 12,000 Pferde. Dazu der Hofstaat des Kaisers und das Gefolge vieler
großer Fürsten Deutschlands, Spaniens und Italiens: ferner 140 Artilleriestücke, 7000 Schanz-
baucrn und „sehr große Pulver- und Kugelvorräthe, sowie einen Ueberfluß von Lebensmit¬
teln, wie man ihn kaum je bet einer Winterarmee gesehn."
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[0097] Ile Jetagerung von Metz unter dem Kaiser Karl V. Von Max Jähns. (Schluß,) Am 20. November erschien der Kaiser zum erstenmale persönlich vor Metz und hielt eine große Parade über die Armee ab, welche mit Ausnahme von 16 Fähnlein, die als Tranche'ervache zurückgeblieben, in Schlachtordnung aufgestellt war, und den Kaiser mit dreimaliger Salve aus sämmtlichen Ge¬ schützen und Gewehren begrüßte.") Karl hatte, um an der Spitze des Heeres erscheinen zu können, Schmerz und Krankheit besiegt und ritt ein herrliches weißes arabisches Pferd. Wohl fühlte er, daß die Belagerung noch über mehr entscheiden werde, als über die Zukunft dieser Reichsstadt, und er be¬ schloß, bei derselben auszuharren, während in Frankreich alle Welt wegen der Nähe des Winters glaubte, der Kaiser werde die Belagerung nun be¬ enden und aufheben. Der florentinische Gesandte spricht in seinen Berichten die Ueberzeugung aus, daß wenn es dem Kaiser gelinge, Metz zu nehmen, so werde er alle seine Feinde überwunden haben und auf kein Hinderniß mehr stoßen, wohin er sich auch wende. Karl besichtigte die Belagerungsarbeiten genau und entschied sich endlich für eine abermalige Verlegung des Hauptangriffspunktes. Dieser lag doch bisher zwischen den Thoren Thiebault und Champenoise jetzt sollte der An¬ griff weiter westlich zwischen dem Thore Champenoise und der Tour d'Eilfer geführt und bis auf den Raum zwischen der Mosel und der Festung aus¬ gedehnt werden, wo wegen der Beschaffenheit der Werke weniger Schwierig¬ keiten zu überwinden schienen. Außer durch die Laufgräben sollte versucht werden, der Festung auch noch durch Minen beizukommen. Diese Anord¬ nungen bezeichnen einen zweiten, oder, wenn man die kurze Etablirung bei Belleeroir hinzurechnet, einen dritten Abschnitt in der Belagerung, und die Ausführung der kaiserlichen Befehle wurde sofort in Angriff genommen. — Karl V. nahm in der Abtei Se. Element Wohnung und leitete von nun an die Operationen selbst. Sobald der Herzog von Guise über die neue Richtung der Attaque im Klaren war, ließ er auf der Strecke zwischen dem Höllenthurm und dem ") Salignac berechnet die kaiserliche Armee wie folgt: 14 Regimenter Landsknechte zu 143 Fahnen (eingerechnet die Truppen des Markgrafen Albrecht), 27 Fahnen Spanier, 1« Fah¬ nen Italiener und 12,000 Pferde. Dazu der Hofstaat des Kaisers und das Gefolge vieler großer Fürsten Deutschlands, Spaniens und Italiens: ferner 140 Artilleriestücke, 7000 Schanz- baucrn und „sehr große Pulver- und Kugelvorräthe, sowie einen Ueberfluß von Lebensmit¬ teln, wie man ihn kaum je bet einer Winterarmee gesehn."

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 33, 1874, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341819_130643/97>, abgerufen am 27.04.2024.