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Die Grenzboten. Jg. 33, 1874, I. Semester. II. Band.

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Kleine Besprechungen.

Von dem WerkeK. Klüpfel's "Geschichte der deutschen Eins eits-
bestrebungen bis zu i hrer Erfüllung 1848--1871" ist Ende v. I. im
Verlage von Julius Springer in Berlin der zweiteBand erschienen, und damit
ist dieses vom besten nationalen Geiste erfüllte Geschichtsbuch zum Abschluß
gediehen. Der zweite Band beginnt mit den Verhandlungen des 36er Aus¬
schusses und des deutschen Abgeordnetentages über die Gasteiner Convention
betreffs Schleswig-Holsteins und erinnert gleich im Anfange an die muthige
Lossage Tochter's von den Irrgänger,, in welche der deutsche Nationalverein
damals aus Abneigung gegen Bismarck sich hatte verlocken lassen. Hier wird
an die tapfere sehr arti-fortschrittliche That des großen Todten hauptsächlich
um deßwillen erinnert, weil Herr Eugen Richter jüngst nach dem ihm
eigenen Grundsatze rien n'ost Lg.ol'6 xour ur> La,x>Lur auch Tochter's Schatten
als Bundesgenossen seiner unpatriotischen Politik in der Militärgesetzfrage
heraufbeschworen hat. Im Allgemeinen genügt das Werk den Anforderungen
die der gebildete Deutsche an eine gedrängte synchronistische Schilderung der
letzten zehn Jahre der deutschen Geschichte stellen kann, gewiß vollkommen.
Wohl nicht eins der Ereignisse, die mittelbar oder unmittelbar in diesem Zeit¬
raume für die Entwickelung der nationalen Frage in Deutschland von Wich¬
tigkeit waren, ist darin übersehen.

Aber freilich, die Ereignisse der letzten zehn Jahre stellen, auch blos nach
der Quantität gemessen, einen so massenhaften Stoff dar, daß in einem Werke
von 27 Bogen kaum mehr als ein bloßer Abriß der drängenden Entwickelung
geboten werden kann. Und so dankenswert!) ferner das Streben des Ver¬
fassers ist, uns diese zehn Jahre unsrer jüngsten Vergangenheit schon jetzt,
zugleich mit möglichster historischer Objectivität und doch durchdrungen von
dem freudigen Stolze, zu welchem diese unvergleichliche Zeit ihren Schilderer
berechtigt, vorzutragen: so wird doch der Verfasser selbst am wenigsten ver¬
kennen, daß ein abschließendes und objectiv feststehendes Urtheil über die letzte
Spanne der deutschen Geschichte erst dann möglich ist, wenn die geheime,
namentlich diplomatische Geschichte dieser Jahre vollständiger, als dieß bis
jetzt der Fall, bekannt geworden ist. In dieser Hinsicht sind aber wieder seit
dem Erscheinen des vorliegendes Bandes Aerenstücke von eminenter Bedeutung
erschienen, die dem Verfasser nicht sowohl zu einer anderen Auffassung, wohl
aber zu einer eingehenderen Begründung seiner Ansicht bei der Darstellung
einzelner der in Rede stehenden Thatsachen Gelegenheit gegeben haben wür¬
den. Wir erinnern z. B. an die Enthüllungen Usedom's in Folge des La-
Marmora'schen Pamphlets, an den jüngst veröffentlichten Depeschenwechsel zwi¬
schen Arnim und Bismarck über die Stellung Preußens zum Vaticanischen


Kleine Besprechungen.

Von dem WerkeK. Klüpfel's „Geschichte der deutschen Eins eits-
bestrebungen bis zu i hrer Erfüllung 1848—1871" ist Ende v. I. im
Verlage von Julius Springer in Berlin der zweiteBand erschienen, und damit
ist dieses vom besten nationalen Geiste erfüllte Geschichtsbuch zum Abschluß
gediehen. Der zweite Band beginnt mit den Verhandlungen des 36er Aus¬
schusses und des deutschen Abgeordnetentages über die Gasteiner Convention
betreffs Schleswig-Holsteins und erinnert gleich im Anfange an die muthige
Lossage Tochter's von den Irrgänger,, in welche der deutsche Nationalverein
damals aus Abneigung gegen Bismarck sich hatte verlocken lassen. Hier wird
an die tapfere sehr arti-fortschrittliche That des großen Todten hauptsächlich
um deßwillen erinnert, weil Herr Eugen Richter jüngst nach dem ihm
eigenen Grundsatze rien n'ost Lg.ol'6 xour ur> La,x>Lur auch Tochter's Schatten
als Bundesgenossen seiner unpatriotischen Politik in der Militärgesetzfrage
heraufbeschworen hat. Im Allgemeinen genügt das Werk den Anforderungen
die der gebildete Deutsche an eine gedrängte synchronistische Schilderung der
letzten zehn Jahre der deutschen Geschichte stellen kann, gewiß vollkommen.
Wohl nicht eins der Ereignisse, die mittelbar oder unmittelbar in diesem Zeit¬
raume für die Entwickelung der nationalen Frage in Deutschland von Wich¬
tigkeit waren, ist darin übersehen.

Aber freilich, die Ereignisse der letzten zehn Jahre stellen, auch blos nach
der Quantität gemessen, einen so massenhaften Stoff dar, daß in einem Werke
von 27 Bogen kaum mehr als ein bloßer Abriß der drängenden Entwickelung
geboten werden kann. Und so dankenswert!) ferner das Streben des Ver¬
fassers ist, uns diese zehn Jahre unsrer jüngsten Vergangenheit schon jetzt,
zugleich mit möglichster historischer Objectivität und doch durchdrungen von
dem freudigen Stolze, zu welchem diese unvergleichliche Zeit ihren Schilderer
berechtigt, vorzutragen: so wird doch der Verfasser selbst am wenigsten ver¬
kennen, daß ein abschließendes und objectiv feststehendes Urtheil über die letzte
Spanne der deutschen Geschichte erst dann möglich ist, wenn die geheime,
namentlich diplomatische Geschichte dieser Jahre vollständiger, als dieß bis
jetzt der Fall, bekannt geworden ist. In dieser Hinsicht sind aber wieder seit
dem Erscheinen des vorliegendes Bandes Aerenstücke von eminenter Bedeutung
erschienen, die dem Verfasser nicht sowohl zu einer anderen Auffassung, wohl
aber zu einer eingehenderen Begründung seiner Ansicht bei der Darstellung
einzelner der in Rede stehenden Thatsachen Gelegenheit gegeben haben wür¬
den. Wir erinnern z. B. an die Enthüllungen Usedom's in Folge des La-
Marmora'schen Pamphlets, an den jüngst veröffentlichten Depeschenwechsel zwi¬
schen Arnim und Bismarck über die Stellung Preußens zum Vaticanischen


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 33, 1874, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341819_131175/167>, abgerufen am 08.05.2024.