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Die Grenzboten. Jg. 33, 1874, I. Semester. II. Band.

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dessen illiberaler italienischer Politik gerathen, so wollten jetzt manche selbst
von Denen, die sonst warme Freunde Preußens waren, es nicht gutheißen,
daß Preußen die "deutsche Brudermacht" Oesterreich "im Stiche gelassen habe";
in den von Haus aus schon mehr österreichisch gesinnten Theilen Deutsch¬
lands aber trat nun wieder eine förmliche Abwendung von Preußen, zum
Theil in geradezu gehässiger Weise, hervor.

Die Spuren dieser theils vorläufigen, theils zick- und haltlos sich wieder
verzettelnden Bewegung sind in dem weiteren Briefwechsel unseres Gewährs¬
mannes sichtbar, dessen Mittheilung wir einem zweiten Artikel vorbehalten.




Italienische Ariefe.
i

Seit einigen Jahren beschäftigt sich Deutschland viel mit uns; die ita¬
lienische Revue, welche ein Wiener Verleger in Verbindung mit Herrn
C. Hillebrand deutsch herausgeben wird, wird allerdings viermal des Jahres
in eingehender und competenter Weise über die geistigen Bewegungen Italiens
berichten, aber dies ist nicht genug, um uns hoffen zu lassen, daß das deutsche
Publikum sich fortgesetzt mit Italien beschäftigen wird, und daß auf wissen¬
schaftlichem, künstlerischem und literarischem Gebiete sich ein möglichst inniges
Verständniß zwischen unsern beiden Ländern bildet. Was die Politik betrifft,
so wird es um so besser sein, je weniger Muße man ihr zuwendet. Die Po¬
litik erbittert und entzweit, während Kunst und Wissenschaft zu besänftigen
und Annäherungen anzubahnen vermögen. Ich kann demgemäß, wenn die
Herausgeber einer geschätzten deutschen Zeitschrift mir die Ehre erwiesen, mich
zur Mitarbeiterschaft an derselben heranzuziehen, dieser Aufforderung nur
unter der Bedingung Folge leisten, daß ich die Politik völlig außer Spiel
lassen und mich ausschließlich auf das beschränken darf, was außerhalb der
politischen Welt vor sich geht. Ich kenne bis jetzt kein einziges deutsches
Journal, welches regelmäßig und fortgesetzt aus die italienische Literatur Rück¬
sicht nähme; es erscheinen Uebersetzungen und einzelne Essays, und wir con-
statiren gern, daß die deutschen Journale stets mit Wohlwollen ihrem Publikum
die italienische Literatur zugänglich zu machen suchen. Zuweilen ist sogar dies
Wohlwollen übertrieben, denn oft ist es der Zufall, der bloße Zufall, welcher
deutsche Kritiker, Journalisten und Verleger auf sehr mittelmäßige italienische
Erzeugnisse verfallen läßt, die man doch herausstreichen zu müssen glaubt;


Grenjbotm it. IV74.

dessen illiberaler italienischer Politik gerathen, so wollten jetzt manche selbst
von Denen, die sonst warme Freunde Preußens waren, es nicht gutheißen,
daß Preußen die „deutsche Brudermacht" Oesterreich „im Stiche gelassen habe";
in den von Haus aus schon mehr österreichisch gesinnten Theilen Deutsch¬
lands aber trat nun wieder eine förmliche Abwendung von Preußen, zum
Theil in geradezu gehässiger Weise, hervor.

Die Spuren dieser theils vorläufigen, theils zick- und haltlos sich wieder
verzettelnden Bewegung sind in dem weiteren Briefwechsel unseres Gewährs¬
mannes sichtbar, dessen Mittheilung wir einem zweiten Artikel vorbehalten.




Italienische Ariefe.
i

Seit einigen Jahren beschäftigt sich Deutschland viel mit uns; die ita¬
lienische Revue, welche ein Wiener Verleger in Verbindung mit Herrn
C. Hillebrand deutsch herausgeben wird, wird allerdings viermal des Jahres
in eingehender und competenter Weise über die geistigen Bewegungen Italiens
berichten, aber dies ist nicht genug, um uns hoffen zu lassen, daß das deutsche
Publikum sich fortgesetzt mit Italien beschäftigen wird, und daß auf wissen¬
schaftlichem, künstlerischem und literarischem Gebiete sich ein möglichst inniges
Verständniß zwischen unsern beiden Ländern bildet. Was die Politik betrifft,
so wird es um so besser sein, je weniger Muße man ihr zuwendet. Die Po¬
litik erbittert und entzweit, während Kunst und Wissenschaft zu besänftigen
und Annäherungen anzubahnen vermögen. Ich kann demgemäß, wenn die
Herausgeber einer geschätzten deutschen Zeitschrift mir die Ehre erwiesen, mich
zur Mitarbeiterschaft an derselben heranzuziehen, dieser Aufforderung nur
unter der Bedingung Folge leisten, daß ich die Politik völlig außer Spiel
lassen und mich ausschließlich auf das beschränken darf, was außerhalb der
politischen Welt vor sich geht. Ich kenne bis jetzt kein einziges deutsches
Journal, welches regelmäßig und fortgesetzt aus die italienische Literatur Rück¬
sicht nähme; es erscheinen Uebersetzungen und einzelne Essays, und wir con-
statiren gern, daß die deutschen Journale stets mit Wohlwollen ihrem Publikum
die italienische Literatur zugänglich zu machen suchen. Zuweilen ist sogar dies
Wohlwollen übertrieben, denn oft ist es der Zufall, der bloße Zufall, welcher
deutsche Kritiker, Journalisten und Verleger auf sehr mittelmäßige italienische
Erzeugnisse verfallen läßt, die man doch herausstreichen zu müssen glaubt;


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 33, 1874, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341819_131175/185>, abgerufen am 07.05.2024.