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Die Grenzboten. Jg. 33, 1874, I. Semester. II. Band.

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entscheidendster Wichtigkeit, deren'hier unberührte Veranlassung -- das vatikani¬
sche Concil mit der Proclamirung der Unfehlbarkeit und der Unterwerfung
der deutschen Bischöfe unter das neue Dogma -- wir Alle in täglich frischem
Gedächtniß haben. Die Kriegserklärung des Vatikans gegen den deutschen
Staat, die der französischen nur um einen Tag später folgte, zog allmählig alle
Vasallen des römischen Stuhls in den Heerbann der Kirche, auch den sog.
Armeebischof Namszanowsky. Wie völlig anders als gegen Deutschland aber
die Stellung der Kurie von jeher gegen Frankreich gewesen, dafür soll an der
Hand des Friedberg'schen Werkes in einem der nächsten Hefte ein klassisches
Beispiel geboten werden.


Hans Blum.


Kleine Besprechungen.

Friedrich Kapp, Der Soldatenhandel deutscher Fürsten nach
Amerika. Ein Beitrag zur Kulturgeschichte des achtzehnten Jahrhunderts.
Zweite vermehrte und umgearbeitete Auflage, Berlin 1874, Julius Springer.
--- Das düstere Bild, welches der bekannte nationalgesinnte Publicist und
Reichstagsabgeordnete in dem vorliegenden Bändchen an der Hand offizieller
englischer und deutscher Quellen und zahlreicher Aufzeichnungen von Zeitgenossen
entwirft, ist leider noch heute so aufregend, daß die bloße Nennung des Titels
Viele von der Lectüre abschrecken wird. Und wir meinen, die Worte, welche der
Verfasser in seiner Widmung an Ludwig Bamberger richtet, sind am wenigsten
geeignet, dieses Mißbehagen zu vermindern und die fleißig umgearbeitete zweite
Auflage dieses Werkes, das er vor zehn Jahren zuerst von New-Uork aus herausgab,
bei dem deutschen Publikum von der richtigen "seite einzuführen. Denn, welche Con¬
flicte auch immer dem nationalen Staate in seiner Entwickelung mit der Territorial¬
hoheit und den unberechtigten Eigenthümlichkeiten des Particularismus be-
schieden sein mögen, über diese rohe fiscalische Eseomptirung des Blutes der
Landesrinder ist auch der despotischste Kletnfürst der Zukunft hocherhaben.
Es wäre weit klüger und richtiger gewesen, wenn Kapp die abermalige
Herausgabe seines Werkes motivirt hätte allein mit dem Interesse ver¬
gleichender Geschichtsforschung, welches ihm immer gesichert bleiben wird, und
mit der Anführung der sehr zahlreichen handschriftlichen und archivalischen
Quellen, welche ihm für diese Auflage zu Gebote standen, wenn auch die
Hoffnung, die kurhessischen Archive jemals zum Zeugniß aufzurufen über
diesen schmählichen Menschenhandel für immer aufgegeben werden muß, da
die biedern verflossenen Landesväter die Zeugnisse ihrer Schande offenbar
längst vernichtet haben. Aber der eine bisher ungedruckte Brief Friedrich's
des Großen an den Markgrafen von Bayreuth, der in edlem deutschen Zorne
überwallt über die Schmach deutscher Mitfürsten, macht das Kapp'sche Buch
allein schon begehrenswerth und rettet inmitten verkommenster Gemeinheit
das Bild wahrer Größe und deutscher Fürstenwürde.




Verantwortlicher Redakteur: or. Haus Blum.
Verlas, von F. L. Hervig. -- Druck von Hiithel". Legler in Leipzig.

entscheidendster Wichtigkeit, deren'hier unberührte Veranlassung — das vatikani¬
sche Concil mit der Proclamirung der Unfehlbarkeit und der Unterwerfung
der deutschen Bischöfe unter das neue Dogma — wir Alle in täglich frischem
Gedächtniß haben. Die Kriegserklärung des Vatikans gegen den deutschen
Staat, die der französischen nur um einen Tag später folgte, zog allmählig alle
Vasallen des römischen Stuhls in den Heerbann der Kirche, auch den sog.
Armeebischof Namszanowsky. Wie völlig anders als gegen Deutschland aber
die Stellung der Kurie von jeher gegen Frankreich gewesen, dafür soll an der
Hand des Friedberg'schen Werkes in einem der nächsten Hefte ein klassisches
Beispiel geboten werden.


Hans Blum.


Kleine Besprechungen.

Friedrich Kapp, Der Soldatenhandel deutscher Fürsten nach
Amerika. Ein Beitrag zur Kulturgeschichte des achtzehnten Jahrhunderts.
Zweite vermehrte und umgearbeitete Auflage, Berlin 1874, Julius Springer.
—- Das düstere Bild, welches der bekannte nationalgesinnte Publicist und
Reichstagsabgeordnete in dem vorliegenden Bändchen an der Hand offizieller
englischer und deutscher Quellen und zahlreicher Aufzeichnungen von Zeitgenossen
entwirft, ist leider noch heute so aufregend, daß die bloße Nennung des Titels
Viele von der Lectüre abschrecken wird. Und wir meinen, die Worte, welche der
Verfasser in seiner Widmung an Ludwig Bamberger richtet, sind am wenigsten
geeignet, dieses Mißbehagen zu vermindern und die fleißig umgearbeitete zweite
Auflage dieses Werkes, das er vor zehn Jahren zuerst von New-Uork aus herausgab,
bei dem deutschen Publikum von der richtigen «seite einzuführen. Denn, welche Con¬
flicte auch immer dem nationalen Staate in seiner Entwickelung mit der Territorial¬
hoheit und den unberechtigten Eigenthümlichkeiten des Particularismus be-
schieden sein mögen, über diese rohe fiscalische Eseomptirung des Blutes der
Landesrinder ist auch der despotischste Kletnfürst der Zukunft hocherhaben.
Es wäre weit klüger und richtiger gewesen, wenn Kapp die abermalige
Herausgabe seines Werkes motivirt hätte allein mit dem Interesse ver¬
gleichender Geschichtsforschung, welches ihm immer gesichert bleiben wird, und
mit der Anführung der sehr zahlreichen handschriftlichen und archivalischen
Quellen, welche ihm für diese Auflage zu Gebote standen, wenn auch die
Hoffnung, die kurhessischen Archive jemals zum Zeugniß aufzurufen über
diesen schmählichen Menschenhandel für immer aufgegeben werden muß, da
die biedern verflossenen Landesväter die Zeugnisse ihrer Schande offenbar
längst vernichtet haben. Aber der eine bisher ungedruckte Brief Friedrich's
des Großen an den Markgrafen von Bayreuth, der in edlem deutschen Zorne
überwallt über die Schmach deutscher Mitfürsten, macht das Kapp'sche Buch
allein schon begehrenswerth und rettet inmitten verkommenster Gemeinheit
das Bild wahrer Größe und deutscher Fürstenwürde.




Verantwortlicher Redakteur: or. Haus Blum.
Verlas, von F. L. Hervig. — Druck von Hiithel». Legler in Leipzig.
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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 33, 1874, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341819_131175/208>, abgerufen am 07.05.2024.