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Die Grenzboten. Jg. 33, 1874, I. Semester. II. Band.

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Aus Aeethoven's späterem Leben.
Entstehung und Art der großen Messe.
Von
Ludwig Rost.

"Philosophie des Lebens, das besitzen Sie und das ist genug;" --
"Wenn Sie verzagen, wer sollte dann Muth haben; alle Welt würde sich
bemühen Ihr Leben Ihnen angenehm zu machen;" -- "Sie sind in Bremen
vergöttert;" -- "Im Conversationslexikon steht geschrieben, daß Sie ein
Seitenkind des großen Friedrich seien; solche Irrthümer müssen dennoch be¬
richtigt werden, Sie brauchen nichts von Friedrich zu borgen;" -- "Blumen¬
kränze und Orpheus Leyer werden einstens an Ihrem Grabe hängen -- Sie
aber--in dem Buche der Unsterblichkeit;" und endlich: "Der Mann an
der Thür spricht soviel Schönes von Ihnen, er erkennt ganz ihren Werth
als Künstler und als Mensch, er macht seinen Nachbarn begreiflich, daß Sie
der größte Mann in Europa sind, er hat Recht;" -- solchen Aeußerungen
vom "viel zusammenschwatzenden" Hofrath Peters und Andern in den Ber¬
liner Conversationsheften Beethoven's von 1819/20 entsprechen auch die stets
wachsenden Anzeichen des Ruhmes von außen. Aus Neugierde begehre man
die kurz vorher erschienene Sonate Op. 106 auch in Mcchland, obwohl dort
kein Mensch lebe, der so etwas spielen könne, heißt es. Doch war dorthin
bereits damals Beethoven's verehrte "Dorethea-Cäcilia," Frau von Erdmann,
der das schöne Op. 101 gewidmet ist, übergesiedelt. "Die Engländer sprechen
von nichts, als daß Sie nur nach England kommen," solche Conversation
stimmt zu Beethoven's Erzählung damals, daß Engländer bei ihm waren:
"Lachend sagte er: sie haben mir meine Feder weggenommen." Den Is. März
1819 zeigt sich auch die Laibacher Philharmonische Gesellschaft "allgemein von
dem Wunsche durchdrungen, die Zahl ihrer Ehrenmitglieder durch ihn geziert
zu wissen," welche "Anerkennung seiner geringen Verdienste in der Tonkunst"
er am 4. Mai mit geziemender Würde und Dienstbereitwilligkeit aufnimmt.
Am 1. October 1819 aber wird er in Wien, wo er "Bürger" schon seit 1815


Grenzboten II. 1874. 26
Aus Aeethoven's späterem Leben.
Entstehung und Art der großen Messe.
Von
Ludwig Rost.

„Philosophie des Lebens, das besitzen Sie und das ist genug;" —
„Wenn Sie verzagen, wer sollte dann Muth haben; alle Welt würde sich
bemühen Ihr Leben Ihnen angenehm zu machen;" — „Sie sind in Bremen
vergöttert;" — „Im Conversationslexikon steht geschrieben, daß Sie ein
Seitenkind des großen Friedrich seien; solche Irrthümer müssen dennoch be¬
richtigt werden, Sie brauchen nichts von Friedrich zu borgen;" — „Blumen¬
kränze und Orpheus Leyer werden einstens an Ihrem Grabe hängen — Sie
aber--in dem Buche der Unsterblichkeit;" und endlich: „Der Mann an
der Thür spricht soviel Schönes von Ihnen, er erkennt ganz ihren Werth
als Künstler und als Mensch, er macht seinen Nachbarn begreiflich, daß Sie
der größte Mann in Europa sind, er hat Recht;" — solchen Aeußerungen
vom „viel zusammenschwatzenden" Hofrath Peters und Andern in den Ber¬
liner Conversationsheften Beethoven's von 1819/20 entsprechen auch die stets
wachsenden Anzeichen des Ruhmes von außen. Aus Neugierde begehre man
die kurz vorher erschienene Sonate Op. 106 auch in Mcchland, obwohl dort
kein Mensch lebe, der so etwas spielen könne, heißt es. Doch war dorthin
bereits damals Beethoven's verehrte „Dorethea-Cäcilia," Frau von Erdmann,
der das schöne Op. 101 gewidmet ist, übergesiedelt. „Die Engländer sprechen
von nichts, als daß Sie nur nach England kommen," solche Conversation
stimmt zu Beethoven's Erzählung damals, daß Engländer bei ihm waren:
„Lachend sagte er: sie haben mir meine Feder weggenommen." Den Is. März
1819 zeigt sich auch die Laibacher Philharmonische Gesellschaft „allgemein von
dem Wunsche durchdrungen, die Zahl ihrer Ehrenmitglieder durch ihn geziert
zu wissen," welche „Anerkennung seiner geringen Verdienste in der Tonkunst"
er am 4. Mai mit geziemender Würde und Dienstbereitwilligkeit aufnimmt.
Am 1. October 1819 aber wird er in Wien, wo er „Bürger" schon seit 1815


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[0209] Aus Aeethoven's späterem Leben. Entstehung und Art der großen Messe. Von Ludwig Rost. „Philosophie des Lebens, das besitzen Sie und das ist genug;" — „Wenn Sie verzagen, wer sollte dann Muth haben; alle Welt würde sich bemühen Ihr Leben Ihnen angenehm zu machen;" — „Sie sind in Bremen vergöttert;" — „Im Conversationslexikon steht geschrieben, daß Sie ein Seitenkind des großen Friedrich seien; solche Irrthümer müssen dennoch be¬ richtigt werden, Sie brauchen nichts von Friedrich zu borgen;" — „Blumen¬ kränze und Orpheus Leyer werden einstens an Ihrem Grabe hängen — Sie aber--in dem Buche der Unsterblichkeit;" und endlich: „Der Mann an der Thür spricht soviel Schönes von Ihnen, er erkennt ganz ihren Werth als Künstler und als Mensch, er macht seinen Nachbarn begreiflich, daß Sie der größte Mann in Europa sind, er hat Recht;" — solchen Aeußerungen vom „viel zusammenschwatzenden" Hofrath Peters und Andern in den Ber¬ liner Conversationsheften Beethoven's von 1819/20 entsprechen auch die stets wachsenden Anzeichen des Ruhmes von außen. Aus Neugierde begehre man die kurz vorher erschienene Sonate Op. 106 auch in Mcchland, obwohl dort kein Mensch lebe, der so etwas spielen könne, heißt es. Doch war dorthin bereits damals Beethoven's verehrte „Dorethea-Cäcilia," Frau von Erdmann, der das schöne Op. 101 gewidmet ist, übergesiedelt. „Die Engländer sprechen von nichts, als daß Sie nur nach England kommen," solche Conversation stimmt zu Beethoven's Erzählung damals, daß Engländer bei ihm waren: „Lachend sagte er: sie haben mir meine Feder weggenommen." Den Is. März 1819 zeigt sich auch die Laibacher Philharmonische Gesellschaft „allgemein von dem Wunsche durchdrungen, die Zahl ihrer Ehrenmitglieder durch ihn geziert zu wissen," welche „Anerkennung seiner geringen Verdienste in der Tonkunst" er am 4. Mai mit geziemender Würde und Dienstbereitwilligkeit aufnimmt. Am 1. October 1819 aber wird er in Wien, wo er „Bürger" schon seit 1815 Grenzboten II. 1874. 26

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 33, 1874, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341819_131175/209>, abgerufen am 07.05.2024.