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Die Grenzboten. Jg. 33, 1874, I. Semester. II. Band.

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Lthische Grundlagen der SocialpoütiK.*)
Von
Dr. Th. Frh. von der Goltz.

Je breitere Dimensionen die Arbeiterfrage annimmt, je wichtiger von
Tag zu Tage ihre Lösung für das sociale und politische Leben unseres Volkes
erscheint, desto mehr tritt an die Wissenschaft die Aufgabe heran, dieselbe von
allen Seiten zu erforschen und zu beleuchten. Wie Manches auch in dieser
Beziehung während der letzten Jahre geschehen sein mag, so bleibt doch noch
das Meiste zu thun übrig. Man hat sich bisher hauptsächlich damit be¬
schäftigt, praktische Vorschläge zu machen, in welcher Weise man der wirk¬
lichen oder angeblichen Noth unter den Arbeitern steuern, in welcher Art man
die berechtigten oder auch unberechtigten Forderungen der sogenannten arbei¬
tenden Klassen befriedigen könne; man hat aber noch fast gar nicht den Ver¬
such gemacht, festzustellen, ausweichen allgemeinen, in der Natur und
Bestimmung des Menschen liegenden Grundlagen das sociale
Leben des Volkes beruht. Dennoch sind diese Grundlagen von der aller¬
größten Wichtigkeit für die praktische Lösung der Arbeiterfrage. Wenn die
verschiedenen sozialpolitischen Parteien heutzutage zu ganz abweichenden oder
gar entgegengesetzten Resultaten hinsichtlich der zu befolgenden Socialpolitik
gelangen, so ist die Ursache hiervon wesentlich in der verschiedenen Auffassung
zu suchen, welche sie von der Begabung, sowie dem Beruf des Menschen
hegen und als stillschweigende Voraussetzung ihrer socialpolitischen Prinzipien
gelten lassen. Die Arbeiterfrage ist zwar zunächst eine volkswirtschaftliche
Frage und es muß als selbstverständlich gelten, daß ihre Lösung auch nur
auf der Basis derjenigen Gesetze erfolgen kann, welche überhaupt das wirth¬
schaftliche Leben des Volkes reguliren. Aber schon die allgemeinen national-
ökonomischen Gesetze werden in ihrer Wirksamkeit erheblich modifizirt durch




Vortrag gehalten am 12. März 1874 in der Aula des Fridericianum zu Königsberg
in Preußen.")
') Daß unser- Ansichten wesentlich von denen des Herrn Verfassers abweichen, dais bei unsern "ehern als be<
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w D. Red. der Grenzboten. orden.
Grenzl>öden II. 1874. 6
Lthische Grundlagen der SocialpoütiK.*)
Von
Dr. Th. Frh. von der Goltz.

Je breitere Dimensionen die Arbeiterfrage annimmt, je wichtiger von
Tag zu Tage ihre Lösung für das sociale und politische Leben unseres Volkes
erscheint, desto mehr tritt an die Wissenschaft die Aufgabe heran, dieselbe von
allen Seiten zu erforschen und zu beleuchten. Wie Manches auch in dieser
Beziehung während der letzten Jahre geschehen sein mag, so bleibt doch noch
das Meiste zu thun übrig. Man hat sich bisher hauptsächlich damit be¬
schäftigt, praktische Vorschläge zu machen, in welcher Weise man der wirk¬
lichen oder angeblichen Noth unter den Arbeitern steuern, in welcher Art man
die berechtigten oder auch unberechtigten Forderungen der sogenannten arbei¬
tenden Klassen befriedigen könne; man hat aber noch fast gar nicht den Ver¬
such gemacht, festzustellen, ausweichen allgemeinen, in der Natur und
Bestimmung des Menschen liegenden Grundlagen das sociale
Leben des Volkes beruht. Dennoch sind diese Grundlagen von der aller¬
größten Wichtigkeit für die praktische Lösung der Arbeiterfrage. Wenn die
verschiedenen sozialpolitischen Parteien heutzutage zu ganz abweichenden oder
gar entgegengesetzten Resultaten hinsichtlich der zu befolgenden Socialpolitik
gelangen, so ist die Ursache hiervon wesentlich in der verschiedenen Auffassung
zu suchen, welche sie von der Begabung, sowie dem Beruf des Menschen
hegen und als stillschweigende Voraussetzung ihrer socialpolitischen Prinzipien
gelten lassen. Die Arbeiterfrage ist zwar zunächst eine volkswirtschaftliche
Frage und es muß als selbstverständlich gelten, daß ihre Lösung auch nur
auf der Basis derjenigen Gesetze erfolgen kann, welche überhaupt das wirth¬
schaftliche Leben des Volkes reguliren. Aber schon die allgemeinen national-
ökonomischen Gesetze werden in ihrer Wirksamkeit erheblich modifizirt durch




Vortrag gehalten am 12. März 1874 in der Aula des Fridericianum zu Königsberg
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[0049] Lthische Grundlagen der SocialpoütiK.*) Von Dr. Th. Frh. von der Goltz. Je breitere Dimensionen die Arbeiterfrage annimmt, je wichtiger von Tag zu Tage ihre Lösung für das sociale und politische Leben unseres Volkes erscheint, desto mehr tritt an die Wissenschaft die Aufgabe heran, dieselbe von allen Seiten zu erforschen und zu beleuchten. Wie Manches auch in dieser Beziehung während der letzten Jahre geschehen sein mag, so bleibt doch noch das Meiste zu thun übrig. Man hat sich bisher hauptsächlich damit be¬ schäftigt, praktische Vorschläge zu machen, in welcher Weise man der wirk¬ lichen oder angeblichen Noth unter den Arbeitern steuern, in welcher Art man die berechtigten oder auch unberechtigten Forderungen der sogenannten arbei¬ tenden Klassen befriedigen könne; man hat aber noch fast gar nicht den Ver¬ such gemacht, festzustellen, ausweichen allgemeinen, in der Natur und Bestimmung des Menschen liegenden Grundlagen das sociale Leben des Volkes beruht. Dennoch sind diese Grundlagen von der aller¬ größten Wichtigkeit für die praktische Lösung der Arbeiterfrage. Wenn die verschiedenen sozialpolitischen Parteien heutzutage zu ganz abweichenden oder gar entgegengesetzten Resultaten hinsichtlich der zu befolgenden Socialpolitik gelangen, so ist die Ursache hiervon wesentlich in der verschiedenen Auffassung zu suchen, welche sie von der Begabung, sowie dem Beruf des Menschen hegen und als stillschweigende Voraussetzung ihrer socialpolitischen Prinzipien gelten lassen. Die Arbeiterfrage ist zwar zunächst eine volkswirtschaftliche Frage und es muß als selbstverständlich gelten, daß ihre Lösung auch nur auf der Basis derjenigen Gesetze erfolgen kann, welche überhaupt das wirth¬ schaftliche Leben des Volkes reguliren. Aber schon die allgemeinen national- ökonomischen Gesetze werden in ihrer Wirksamkeit erheblich modifizirt durch Vortrag gehalten am 12. März 1874 in der Aula des Fridericianum zu Königsberg in Preußen.") ') Daß unser- Ansichten wesentlich von denen des Herrn Verfassers abweichen, dais bei unsern «ehern als be< r>'»ni voransgcsepl werden. Namentlich haben d. Bl. bereits lange vor Eindringling des ContraNbrnchgesiycs vie- !°S gefordert. Wir klirren dasselbe -»ich nicht, wie der Herr Verf. dies Seite öl fg. thut, als -in- Reaction gegen das FrcizügigieiiSgesetz ansehen, sondern nachweisbar ist das Princip d-r Contractbrnchstrase bereits bei Beratlinng der d. Gewerbeordnung in Frag- gekommen, damals jedoch v ers u es S w el s e von seimr Elnsichrung abgesehen w D. Red. der Grenzboten. orden. Grenzl>öden II. 1874. 6

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 33, 1874, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341819_131175/49>, abgerufen am 07.05.2024.