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Die Grenzboten. Jg. 33, 1874, II. Semester, I. Band.

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Die finanzielle Lage der Universität Jena.
ii.

Die Universität Jena ist in Noth. An wen soll man sich wenden, da¬
mit dieser Noth abgeholfen werde?

Zunächst gewiß an die Staaten, deren Fürsten sich die Erhalter der
Universität nennen. Sie haben dieselbe als Erbschaft ihres großen Ahnherrn,
des Stifters, überkommen und tragen unstreitig die moralische und politische
Verpflichtung, nicht zu Grunde gehen zu lassen, was ihre Vorfahren mehr
als drei Jahrhunderte hindurch mit schweren Opfern gehegt und gepflegt
haben. Es ist nicht bloß ein Recht, die gemeinsame Universität zu halten,
sondern eine Pflicht; und nicht bloß eine Pflicht, die lediglich aus der Stam¬
mesverwandtschaft der Regenten hervorgeht, sondern eine Pflicht gegenüber
ganz Thüringen, ja gegenüber ganz Deutschland. Wenn eine Stätte wissen¬
schaftlicher Bildung drei Jahrhunderte bestanden und im echtesten Sinne als
Universität für ganz Deutschland und darüber hinaus erfolgreich, zur Ehre
des Vaterlandes gewirkt hat, dann darf man wohl davon reden, daß der
Nation ein Anspruch auf Erhaltung eines solchen Bildungsherdes zusteht.
Die kleinliche Anschauung, als ob es nur Belieben sei, die Universität zu
besitzen, als ob man jeden Tag, falls man keine Lust mehr dazu habe, dieselbe
Preisgeben und sich mit dem Gedanken trösten könne, daß es in Deutschland
ja noch genug Universitäten auch ohne Jena gebe, scheint leider hier und da
den Kreisen philisterhafter Bureaukratie nicht fremd zu sein. Weiter mit ihr
zu rechten, haben wir keine Ursache. Zum Glück denken die Meisten, auf
deren Stimme es hauptsächlich ankommt, anders und vor Allem wäre es
sicher den durchlauchtigsten Erhaltern selbst ein schwerer, höchst schmerzlicher
Entschluß, nicht sich von der Jenaischen Hochschule loszusagen -- diese Absicht
ist gar nicht zu unterstellen, -- aber auch nur mit dem Bewußtsein, daß
dadurch die Existenz gefährdet wird, eine Mehrbewilligung abzulehnen. Der
eine oder der andere der betheiligten Regenten, in erster Linie der lisetor
mgAvitieelltissimus würde kaum den Gedanken ertragen, daß eines Tages die
Hörsäle Jenas könnten geschlossen werden müssen.

Ein Appell an die vier Regierungen ist denn auch nicht unterlassen


Grenzboten til. 1874. 41
Die finanzielle Lage der Universität Jena.
ii.

Die Universität Jena ist in Noth. An wen soll man sich wenden, da¬
mit dieser Noth abgeholfen werde?

Zunächst gewiß an die Staaten, deren Fürsten sich die Erhalter der
Universität nennen. Sie haben dieselbe als Erbschaft ihres großen Ahnherrn,
des Stifters, überkommen und tragen unstreitig die moralische und politische
Verpflichtung, nicht zu Grunde gehen zu lassen, was ihre Vorfahren mehr
als drei Jahrhunderte hindurch mit schweren Opfern gehegt und gepflegt
haben. Es ist nicht bloß ein Recht, die gemeinsame Universität zu halten,
sondern eine Pflicht; und nicht bloß eine Pflicht, die lediglich aus der Stam¬
mesverwandtschaft der Regenten hervorgeht, sondern eine Pflicht gegenüber
ganz Thüringen, ja gegenüber ganz Deutschland. Wenn eine Stätte wissen¬
schaftlicher Bildung drei Jahrhunderte bestanden und im echtesten Sinne als
Universität für ganz Deutschland und darüber hinaus erfolgreich, zur Ehre
des Vaterlandes gewirkt hat, dann darf man wohl davon reden, daß der
Nation ein Anspruch auf Erhaltung eines solchen Bildungsherdes zusteht.
Die kleinliche Anschauung, als ob es nur Belieben sei, die Universität zu
besitzen, als ob man jeden Tag, falls man keine Lust mehr dazu habe, dieselbe
Preisgeben und sich mit dem Gedanken trösten könne, daß es in Deutschland
ja noch genug Universitäten auch ohne Jena gebe, scheint leider hier und da
den Kreisen philisterhafter Bureaukratie nicht fremd zu sein. Weiter mit ihr
zu rechten, haben wir keine Ursache. Zum Glück denken die Meisten, auf
deren Stimme es hauptsächlich ankommt, anders und vor Allem wäre es
sicher den durchlauchtigsten Erhaltern selbst ein schwerer, höchst schmerzlicher
Entschluß, nicht sich von der Jenaischen Hochschule loszusagen — diese Absicht
ist gar nicht zu unterstellen, — aber auch nur mit dem Bewußtsein, daß
dadurch die Existenz gefährdet wird, eine Mehrbewilligung abzulehnen. Der
eine oder der andere der betheiligten Regenten, in erster Linie der lisetor
mgAvitieelltissimus würde kaum den Gedanken ertragen, daß eines Tages die
Hörsäle Jenas könnten geschlossen werden müssen.

Ein Appell an die vier Regierungen ist denn auch nicht unterlassen


Grenzboten til. 1874. 41
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[0329] Die finanzielle Lage der Universität Jena. ii. Die Universität Jena ist in Noth. An wen soll man sich wenden, da¬ mit dieser Noth abgeholfen werde? Zunächst gewiß an die Staaten, deren Fürsten sich die Erhalter der Universität nennen. Sie haben dieselbe als Erbschaft ihres großen Ahnherrn, des Stifters, überkommen und tragen unstreitig die moralische und politische Verpflichtung, nicht zu Grunde gehen zu lassen, was ihre Vorfahren mehr als drei Jahrhunderte hindurch mit schweren Opfern gehegt und gepflegt haben. Es ist nicht bloß ein Recht, die gemeinsame Universität zu halten, sondern eine Pflicht; und nicht bloß eine Pflicht, die lediglich aus der Stam¬ mesverwandtschaft der Regenten hervorgeht, sondern eine Pflicht gegenüber ganz Thüringen, ja gegenüber ganz Deutschland. Wenn eine Stätte wissen¬ schaftlicher Bildung drei Jahrhunderte bestanden und im echtesten Sinne als Universität für ganz Deutschland und darüber hinaus erfolgreich, zur Ehre des Vaterlandes gewirkt hat, dann darf man wohl davon reden, daß der Nation ein Anspruch auf Erhaltung eines solchen Bildungsherdes zusteht. Die kleinliche Anschauung, als ob es nur Belieben sei, die Universität zu besitzen, als ob man jeden Tag, falls man keine Lust mehr dazu habe, dieselbe Preisgeben und sich mit dem Gedanken trösten könne, daß es in Deutschland ja noch genug Universitäten auch ohne Jena gebe, scheint leider hier und da den Kreisen philisterhafter Bureaukratie nicht fremd zu sein. Weiter mit ihr zu rechten, haben wir keine Ursache. Zum Glück denken die Meisten, auf deren Stimme es hauptsächlich ankommt, anders und vor Allem wäre es sicher den durchlauchtigsten Erhaltern selbst ein schwerer, höchst schmerzlicher Entschluß, nicht sich von der Jenaischen Hochschule loszusagen — diese Absicht ist gar nicht zu unterstellen, — aber auch nur mit dem Bewußtsein, daß dadurch die Existenz gefährdet wird, eine Mehrbewilligung abzulehnen. Der eine oder der andere der betheiligten Regenten, in erster Linie der lisetor mgAvitieelltissimus würde kaum den Gedanken ertragen, daß eines Tages die Hörsäle Jenas könnten geschlossen werden müssen. Ein Appell an die vier Regierungen ist denn auch nicht unterlassen Grenzboten til. 1874. 41

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 33, 1874, II. Semester, I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341819_359152/329>, abgerufen am 06.05.2024.