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Die Grenzboten. Jg. 33, 1874, II. Semester, I. Band.

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[Beginn Spaltensatz]
Jungi ist eine gute Best,
Unter den fünfen die allerbest,
Sie schließt Savoyer Lande.
[Spaltenumbruch]
Die von Bern besetzten es gar wohl
Und nahmen's zu ihren Handen.
[Ende Spaltensatz]

Darauf der Schluß:


[Beginn Spaltensatz]
Der Bär war gelaufen aus der Hodl',
Es ist ihm gnügen also wohl,
Wieder heim ist er gesprungen.
[Spaltenumbruch]
Gott geb' ihm fürbaß Glück und Heil!
Veit Weber hat's gesungen. --
[Ende Spaltensatz]


Mlder aus Mecklenburg.
2. Wie ein Gericht verschwindet.
Von
Hugo Gaedcke.

Mein Freund, der Advokat, erzählt:

Als ich eines Tags ein Kündigungsschreiben an einen Mecklenburgischen
Ervpächter abgesendet hatte, erhielt ich meinen Brief am folgenden Tage als
unbestellbar von der Post zurück. Der Postbeamte an dem Ort des Adressaten
hatte auf meinem Schreiben bemerkt: "Adressat wohnt nicht mehr hier am
Ort; übrigens ist er bereits todt." Das erschien mir sehr natürlich. Als
ich aber am nächsten Tage nach Dingskirchen ein Executionsgesuch absendete
gegen einen Pächter zu D. und dieses Schreiben ordnungsmäßig an das
Patrimonialgericht über das Gut D. in Dingskirchen richtete, da dies eben¬
genannte Gericht seinen Sitz in Dingskirchen hatte: war ich nicht wenig
erstaunt; als ich auch dies Schreiben am nächsten Tage durch die Post als
unbestellbar zurückerhielt. Mein Brief trug den Vermerk der Post zu Dings¬
kirchen: "Das Patrimonialgericht über D. ist nicht mehr." --

Das Patrimonialgericht über D. ist nicht mehr?! Das klang doch
sicherlich höchst wunderbar. Man hat erschreckliche Beispiele, daß ganze Dorf<
schaften in den Boden sinken, daß ein Nineta oder Julin in die Wogen des
Meeres untertaucht, wo nur an stillen sonnigen Tagen hier und da noch ein
Verlornes Stück Mauerwerk -von der vergangenen Herrlichkeit Zeugniß giebt,
-- daß aber ein ganzes Gericht mir nichts dir nichts spurlos verschwindet,
dieses wollte mir nicht in den Sinn.

Ich schrieb an den Bürgermeister von Dingskirchen, welcher gleichzeitig
bisher das Richteramt für das Rittergut D. verwaltete; ich hatte ja seine
Namensunterschrift bis dahin noch unter den Decreten des Patrimonial-


[Beginn Spaltensatz]
Jungi ist eine gute Best,
Unter den fünfen die allerbest,
Sie schließt Savoyer Lande.
[Spaltenumbruch]
Die von Bern besetzten es gar wohl
Und nahmen's zu ihren Handen.
[Ende Spaltensatz]

Darauf der Schluß:


[Beginn Spaltensatz]
Der Bär war gelaufen aus der Hodl',
Es ist ihm gnügen also wohl,
Wieder heim ist er gesprungen.
[Spaltenumbruch]
Gott geb' ihm fürbaß Glück und Heil!
Veit Weber hat's gesungen. —
[Ende Spaltensatz]


Mlder aus Mecklenburg.
2. Wie ein Gericht verschwindet.
Von
Hugo Gaedcke.

Mein Freund, der Advokat, erzählt:

Als ich eines Tags ein Kündigungsschreiben an einen Mecklenburgischen
Ervpächter abgesendet hatte, erhielt ich meinen Brief am folgenden Tage als
unbestellbar von der Post zurück. Der Postbeamte an dem Ort des Adressaten
hatte auf meinem Schreiben bemerkt: „Adressat wohnt nicht mehr hier am
Ort; übrigens ist er bereits todt." Das erschien mir sehr natürlich. Als
ich aber am nächsten Tage nach Dingskirchen ein Executionsgesuch absendete
gegen einen Pächter zu D. und dieses Schreiben ordnungsmäßig an das
Patrimonialgericht über das Gut D. in Dingskirchen richtete, da dies eben¬
genannte Gericht seinen Sitz in Dingskirchen hatte: war ich nicht wenig
erstaunt; als ich auch dies Schreiben am nächsten Tage durch die Post als
unbestellbar zurückerhielt. Mein Brief trug den Vermerk der Post zu Dings¬
kirchen: „Das Patrimonialgericht über D. ist nicht mehr." —

Das Patrimonialgericht über D. ist nicht mehr?! Das klang doch
sicherlich höchst wunderbar. Man hat erschreckliche Beispiele, daß ganze Dorf<
schaften in den Boden sinken, daß ein Nineta oder Julin in die Wogen des
Meeres untertaucht, wo nur an stillen sonnigen Tagen hier und da noch ein
Verlornes Stück Mauerwerk -von der vergangenen Herrlichkeit Zeugniß giebt,
— daß aber ein ganzes Gericht mir nichts dir nichts spurlos verschwindet,
dieses wollte mir nicht in den Sinn.

Ich schrieb an den Bürgermeister von Dingskirchen, welcher gleichzeitig
bisher das Richteramt für das Rittergut D. verwaltete; ich hatte ja seine
Namensunterschrift bis dahin noch unter den Decreten des Patrimonial-


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 33, 1874, II. Semester, I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341819_359152/480>, abgerufen am 06.05.2024.