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Die Grenzboten. Jg. 33, 1874, II. Semester, II. Band.

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seinem Herzen keine Mördergrube macht, hatte es gewagt in der Wiener
"Deutschen Zeitung" zwei Artikel über Stremayer zu bringen, welche die
ganze armselige Spiegelfechterei bei der Durchführung der konfessionellen Ge¬
setze an den Tag legten. So etwas verträgt man oben nicht. Dazu kam.
daß der Mann den Philistern zu liberal war und als er sich nun gar weigerte
seine Kinder in der alleinseligmachenden Religion unterrichten zu lassen, da er¬
schöpfte man sich in Anfeindungen gegen ihn ob seiner "Staats- und religions¬
feindlichen Gesinnungen". Ja. ein Baterlandsverräther sollte er sein -- weil
er ein preußisches Lehrbuch eingeführt. Hinc illas laer^mal. Da
kamen denn die Disciplinaruntersuchungen. die aber in Nichts zerfielen, denn
dem Direktor und seinem Lehrkörper, die die Schule meisterhaft im Stande
hatten, war nichts anzuhaben. Man mußte also, um den Mann los zu
werden, die Sache anders anfangen. Der Staat übernahm die Budweiser
Oberrealschule, doch mit Ausschluß der Lehrkräfte, trotzdem diese allen gesetz¬
lichen Anforderungen entsprachen und die Gemeinde wurde dem Lehrkörper
gegenüber geradezu kontraktbrüchig, erklärte vom Tage der Uebernahme an
keinen Gehalt mehr auszuzahlen und der Staat stellte die Lehrer zur Dispo-
nibilität. Für die übrigen werden sich wohl zur Zeit Stellen finden, aber
für Lippert ist natürlich kein Platz offen, trotz seiner brillanten Staatsexamina,
seiner eminenten zehnjährigen Verwendung, seiner außerordentlichen Verdienste
um das Deutschthum. Der " Preuße nseuchler" mußte fallen als ein
Opfer des Ministeriums und der Philister. In Oesterreich ist seines Bleibens
nicht mehr und seine vielen Freunde suchen dem hartgeprüften Mann den
Uebergang ins Deutsche Reich zu erleichtern. Möge er dort eine Stelle finden !

Am empfindlichsten aber wird Böhmens Deutschthum durch solche Vor¬
gänge geschädigt, wenn von der ohnehin geringen Zahl der tüchtigeren Leute
einer aus den Reihen genommen wird, von einem Posten, der geradezu in
". nationaler Beziehung gefährdet ist.




Italienische Iriefe.

Man hat viele Bücher über Italien geschrieben, in manchen hundert
Liedern hat man es besungen; aber fast durchgängig geben die Bücher, welche
es beschreiben, und die Lieder, welche es in den Himmel erheben, Italien nur.
oberflächlich und einseitig wieder. Wenige Schriftsteller haben Italien gründ¬
lich studirt; und vielleicht niemand, der über das moderne Italien gesprochen


seinem Herzen keine Mördergrube macht, hatte es gewagt in der Wiener
„Deutschen Zeitung" zwei Artikel über Stremayer zu bringen, welche die
ganze armselige Spiegelfechterei bei der Durchführung der konfessionellen Ge¬
setze an den Tag legten. So etwas verträgt man oben nicht. Dazu kam.
daß der Mann den Philistern zu liberal war und als er sich nun gar weigerte
seine Kinder in der alleinseligmachenden Religion unterrichten zu lassen, da er¬
schöpfte man sich in Anfeindungen gegen ihn ob seiner „Staats- und religions¬
feindlichen Gesinnungen". Ja. ein Baterlandsverräther sollte er sein — weil
er ein preußisches Lehrbuch eingeführt. Hinc illas laer^mal. Da
kamen denn die Disciplinaruntersuchungen. die aber in Nichts zerfielen, denn
dem Direktor und seinem Lehrkörper, die die Schule meisterhaft im Stande
hatten, war nichts anzuhaben. Man mußte also, um den Mann los zu
werden, die Sache anders anfangen. Der Staat übernahm die Budweiser
Oberrealschule, doch mit Ausschluß der Lehrkräfte, trotzdem diese allen gesetz¬
lichen Anforderungen entsprachen und die Gemeinde wurde dem Lehrkörper
gegenüber geradezu kontraktbrüchig, erklärte vom Tage der Uebernahme an
keinen Gehalt mehr auszuzahlen und der Staat stellte die Lehrer zur Dispo-
nibilität. Für die übrigen werden sich wohl zur Zeit Stellen finden, aber
für Lippert ist natürlich kein Platz offen, trotz seiner brillanten Staatsexamina,
seiner eminenten zehnjährigen Verwendung, seiner außerordentlichen Verdienste
um das Deutschthum. Der „ Preuße nseuchler" mußte fallen als ein
Opfer des Ministeriums und der Philister. In Oesterreich ist seines Bleibens
nicht mehr und seine vielen Freunde suchen dem hartgeprüften Mann den
Uebergang ins Deutsche Reich zu erleichtern. Möge er dort eine Stelle finden !

Am empfindlichsten aber wird Böhmens Deutschthum durch solche Vor¬
gänge geschädigt, wenn von der ohnehin geringen Zahl der tüchtigeren Leute
einer aus den Reihen genommen wird, von einem Posten, der geradezu in
«. nationaler Beziehung gefährdet ist.




Italienische Iriefe.

Man hat viele Bücher über Italien geschrieben, in manchen hundert
Liedern hat man es besungen; aber fast durchgängig geben die Bücher, welche
es beschreiben, und die Lieder, welche es in den Himmel erheben, Italien nur.
oberflächlich und einseitig wieder. Wenige Schriftsteller haben Italien gründ¬
lich studirt; und vielleicht niemand, der über das moderne Italien gesprochen


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[0033] seinem Herzen keine Mördergrube macht, hatte es gewagt in der Wiener „Deutschen Zeitung" zwei Artikel über Stremayer zu bringen, welche die ganze armselige Spiegelfechterei bei der Durchführung der konfessionellen Ge¬ setze an den Tag legten. So etwas verträgt man oben nicht. Dazu kam. daß der Mann den Philistern zu liberal war und als er sich nun gar weigerte seine Kinder in der alleinseligmachenden Religion unterrichten zu lassen, da er¬ schöpfte man sich in Anfeindungen gegen ihn ob seiner „Staats- und religions¬ feindlichen Gesinnungen". Ja. ein Baterlandsverräther sollte er sein — weil er ein preußisches Lehrbuch eingeführt. Hinc illas laer^mal. Da kamen denn die Disciplinaruntersuchungen. die aber in Nichts zerfielen, denn dem Direktor und seinem Lehrkörper, die die Schule meisterhaft im Stande hatten, war nichts anzuhaben. Man mußte also, um den Mann los zu werden, die Sache anders anfangen. Der Staat übernahm die Budweiser Oberrealschule, doch mit Ausschluß der Lehrkräfte, trotzdem diese allen gesetz¬ lichen Anforderungen entsprachen und die Gemeinde wurde dem Lehrkörper gegenüber geradezu kontraktbrüchig, erklärte vom Tage der Uebernahme an keinen Gehalt mehr auszuzahlen und der Staat stellte die Lehrer zur Dispo- nibilität. Für die übrigen werden sich wohl zur Zeit Stellen finden, aber für Lippert ist natürlich kein Platz offen, trotz seiner brillanten Staatsexamina, seiner eminenten zehnjährigen Verwendung, seiner außerordentlichen Verdienste um das Deutschthum. Der „ Preuße nseuchler" mußte fallen als ein Opfer des Ministeriums und der Philister. In Oesterreich ist seines Bleibens nicht mehr und seine vielen Freunde suchen dem hartgeprüften Mann den Uebergang ins Deutsche Reich zu erleichtern. Möge er dort eine Stelle finden ! Am empfindlichsten aber wird Böhmens Deutschthum durch solche Vor¬ gänge geschädigt, wenn von der ohnehin geringen Zahl der tüchtigeren Leute einer aus den Reihen genommen wird, von einem Posten, der geradezu in «. nationaler Beziehung gefährdet ist. Italienische Iriefe. Man hat viele Bücher über Italien geschrieben, in manchen hundert Liedern hat man es besungen; aber fast durchgängig geben die Bücher, welche es beschreiben, und die Lieder, welche es in den Himmel erheben, Italien nur. oberflächlich und einseitig wieder. Wenige Schriftsteller haben Italien gründ¬ lich studirt; und vielleicht niemand, der über das moderne Italien gesprochen

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 33, 1874, II. Semester, II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341819_359154/33>, abgerufen am 19.05.2024.