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Die Grenzboten. Jg. 33, 1874, II. Semester, II. Band.

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Reformen und die großen Leistungen der preußischen Gesetzgebung von
1807 -- 1811, so werden von diesen Lobrednern ebenso wie von den junker¬
lichen Tadlern derselben Dinge nur sehr wenige eine Ahnung davon haben,
daß unsere Kenntniß dieser Reformepoche unseres Staates eine äußerst lücken¬
hafte und zusammenhangslose und einseitige ist: so beschämend es klingt,
man muß diesen Sachverhalt eingestehen und daraus die Ermahnung schöpfen,
möglichst schnell und möglichst gut Abhülfe zu schaffen.

Mit vollem Rechte bezeichnen wir es als ein Ergebniß unserer historischen
Erkenntniß, daß wir jetzt wissen, wie gerade durch den Kampf mit den Land¬
ständen seiner verschiedenen Territorien der große Kurfürst unserm Staate
das Leben gegeben hat. Und doch wie gering ist unsere Kenntniß von dem
Detail dieser Kämpfe, von den ständischen Einrichtungen überhaupt! So¬
eben hat Ranke als eine vor allem erforderliche Arbeit eine auf das ein¬
zelne eingehende historische Darstellung der Landtagsverhandlungen bezeichnet,
die wir bisher weder für die Mark Brandenburg noch für das Herzogthum
Preußen besitzen; es wird nöthig sein, was von ständischen Papieren jener
Jahrhunderte noch vorhanden ist, dem wissenschaftlichen Publikum zugänglich
zu machen.*) Erst wenn auch dies Material vorliegt, wird man zu abschlie¬
ßenden Resultaten gelangen können.

Wir würden im Stande sein, ähnliche Bemerkungen zu wiederholen
über die Geschichte unseres Heeres, unseres Gerichtswesens, unserer Schulen;
überall ist unsere Kenntniß eine lückenhafte. Alle diese Lücken müssen ausge¬
füllt werden, ehe wir auf eine allen Anforderungen wissenschaftlicher Geschichts¬
schreibung entsprechende preußische Geschichte zählen dürfen. Bis dahin heißen
wir jeden Beitrag zur Lösung dieser schwierigen Aufgaben gern willkommen.


Wilhelm Maurenbrecher.


Z)le Heneraldirection der Sachs. Staatseijenöahnen, das
Aeichseisenbcchngesch**) und das MbliKum.

In einer am 30. April d. I. abgehaltenen Sitzung der zweiten Kammer
wendete sich der Abgeordnete Philipp in längerer Rede gegen die königliche




") Der in der Provinz Preußen 1872 entstandene historische Verein hat mit vollem Rechte
als seine erste und wichtigste Aufgabe die Herausgabe der Preußischen Ständeakte in Angriff
genommen (noch früher als die mahnenden Worte Ranke's vorlagen); durch ihn sind schon zwei
Lieferungen, von dem Gymnafialdirektor Topper in Marienwerder bearbeitet, zur Ausgabe
gebracht >bei Duncker Ä Humblot in Leipzig). Aus der Provinz Brandenburg wissen wir ähn¬
liches bis jetzt nicht zu vermelden.
") Der in der nachstehenden actcnmäßigen Darstellung enthaltene ungewöhnliche Vorfall

Reformen und die großen Leistungen der preußischen Gesetzgebung von
1807 — 1811, so werden von diesen Lobrednern ebenso wie von den junker¬
lichen Tadlern derselben Dinge nur sehr wenige eine Ahnung davon haben,
daß unsere Kenntniß dieser Reformepoche unseres Staates eine äußerst lücken¬
hafte und zusammenhangslose und einseitige ist: so beschämend es klingt,
man muß diesen Sachverhalt eingestehen und daraus die Ermahnung schöpfen,
möglichst schnell und möglichst gut Abhülfe zu schaffen.

Mit vollem Rechte bezeichnen wir es als ein Ergebniß unserer historischen
Erkenntniß, daß wir jetzt wissen, wie gerade durch den Kampf mit den Land¬
ständen seiner verschiedenen Territorien der große Kurfürst unserm Staate
das Leben gegeben hat. Und doch wie gering ist unsere Kenntniß von dem
Detail dieser Kämpfe, von den ständischen Einrichtungen überhaupt! So¬
eben hat Ranke als eine vor allem erforderliche Arbeit eine auf das ein¬
zelne eingehende historische Darstellung der Landtagsverhandlungen bezeichnet,
die wir bisher weder für die Mark Brandenburg noch für das Herzogthum
Preußen besitzen; es wird nöthig sein, was von ständischen Papieren jener
Jahrhunderte noch vorhanden ist, dem wissenschaftlichen Publikum zugänglich
zu machen.*) Erst wenn auch dies Material vorliegt, wird man zu abschlie¬
ßenden Resultaten gelangen können.

Wir würden im Stande sein, ähnliche Bemerkungen zu wiederholen
über die Geschichte unseres Heeres, unseres Gerichtswesens, unserer Schulen;
überall ist unsere Kenntniß eine lückenhafte. Alle diese Lücken müssen ausge¬
füllt werden, ehe wir auf eine allen Anforderungen wissenschaftlicher Geschichts¬
schreibung entsprechende preußische Geschichte zählen dürfen. Bis dahin heißen
wir jeden Beitrag zur Lösung dieser schwierigen Aufgaben gern willkommen.


Wilhelm Maurenbrecher.


Z)le Heneraldirection der Sachs. Staatseijenöahnen, das
Aeichseisenbcchngesch**) und das MbliKum.

In einer am 30. April d. I. abgehaltenen Sitzung der zweiten Kammer
wendete sich der Abgeordnete Philipp in längerer Rede gegen die königliche




") Der in der Provinz Preußen 1872 entstandene historische Verein hat mit vollem Rechte
als seine erste und wichtigste Aufgabe die Herausgabe der Preußischen Ständeakte in Angriff
genommen (noch früher als die mahnenden Worte Ranke's vorlagen); durch ihn sind schon zwei
Lieferungen, von dem Gymnafialdirektor Topper in Marienwerder bearbeitet, zur Ausgabe
gebracht >bei Duncker Ä Humblot in Leipzig). Aus der Provinz Brandenburg wissen wir ähn¬
liches bis jetzt nicht zu vermelden.
") Der in der nachstehenden actcnmäßigen Darstellung enthaltene ungewöhnliche Vorfall
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[0458] Reformen und die großen Leistungen der preußischen Gesetzgebung von 1807 — 1811, so werden von diesen Lobrednern ebenso wie von den junker¬ lichen Tadlern derselben Dinge nur sehr wenige eine Ahnung davon haben, daß unsere Kenntniß dieser Reformepoche unseres Staates eine äußerst lücken¬ hafte und zusammenhangslose und einseitige ist: so beschämend es klingt, man muß diesen Sachverhalt eingestehen und daraus die Ermahnung schöpfen, möglichst schnell und möglichst gut Abhülfe zu schaffen. Mit vollem Rechte bezeichnen wir es als ein Ergebniß unserer historischen Erkenntniß, daß wir jetzt wissen, wie gerade durch den Kampf mit den Land¬ ständen seiner verschiedenen Territorien der große Kurfürst unserm Staate das Leben gegeben hat. Und doch wie gering ist unsere Kenntniß von dem Detail dieser Kämpfe, von den ständischen Einrichtungen überhaupt! So¬ eben hat Ranke als eine vor allem erforderliche Arbeit eine auf das ein¬ zelne eingehende historische Darstellung der Landtagsverhandlungen bezeichnet, die wir bisher weder für die Mark Brandenburg noch für das Herzogthum Preußen besitzen; es wird nöthig sein, was von ständischen Papieren jener Jahrhunderte noch vorhanden ist, dem wissenschaftlichen Publikum zugänglich zu machen.*) Erst wenn auch dies Material vorliegt, wird man zu abschlie¬ ßenden Resultaten gelangen können. Wir würden im Stande sein, ähnliche Bemerkungen zu wiederholen über die Geschichte unseres Heeres, unseres Gerichtswesens, unserer Schulen; überall ist unsere Kenntniß eine lückenhafte. Alle diese Lücken müssen ausge¬ füllt werden, ehe wir auf eine allen Anforderungen wissenschaftlicher Geschichts¬ schreibung entsprechende preußische Geschichte zählen dürfen. Bis dahin heißen wir jeden Beitrag zur Lösung dieser schwierigen Aufgaben gern willkommen. Wilhelm Maurenbrecher. Z)le Heneraldirection der Sachs. Staatseijenöahnen, das Aeichseisenbcchngesch**) und das MbliKum. In einer am 30. April d. I. abgehaltenen Sitzung der zweiten Kammer wendete sich der Abgeordnete Philipp in längerer Rede gegen die königliche ") Der in der Provinz Preußen 1872 entstandene historische Verein hat mit vollem Rechte als seine erste und wichtigste Aufgabe die Herausgabe der Preußischen Ständeakte in Angriff genommen (noch früher als die mahnenden Worte Ranke's vorlagen); durch ihn sind schon zwei Lieferungen, von dem Gymnafialdirektor Topper in Marienwerder bearbeitet, zur Ausgabe gebracht >bei Duncker Ä Humblot in Leipzig). Aus der Provinz Brandenburg wissen wir ähn¬ liches bis jetzt nicht zu vermelden. ") Der in der nachstehenden actcnmäßigen Darstellung enthaltene ungewöhnliche Vorfall

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 33, 1874, II. Semester, II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341819_359154/458>, abgerufen am 19.05.2024.