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Die Grenzboten. Jg. 34, 1875, I. Semester. I. Band.

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Me Succursal-Maneien auf der linken Kheinseite.

Durch die Zeitungen ging bekanntlich neuerlich die Notiz, daß der Erz-
bischof Paulus Melchers von Köln kurz nach seiner Entlassung aus dem Ge¬
fängnisse von dem Ober-Präsidenten der Rheinprovinz zur definitiven Besetzung
von 590 Succursal-Pfarrstellen auf dem linken Rheinufer aufgefordert worden
sei, sowie zur Anmeldung der betr. Geistlichen an die Regierung nach Maßgabe
der §§ 18. 19. des Gesetzes v, 11. Mai 1873. Nach Verlauf von vier Wo¬
chen wurde diese Aufforderung wiederholt und zugleich bei Nicht-Berücksich¬
tigung derselben dem Bischöfe eine Geldstrafe von SO Thlrn. für jede einzelne
Stelle d. i. in Summa von 29.500 Thlrn. angedroht. Eine ähnliche Weisung
wird wahrscheinlich binnen Kurzem auch an den Bischof Eberhard von Trier
bei seiner event. Entlassung aus der Haft seitens des Oberpräsidenten
ergehen. Da man schon jetzt von der Fruchtlosigkeit einer solchen Aufforde¬
rung überzeugt sein kann, und von ultramontaner Seite laut und leise da¬
rauf hingewiesen wird, daß in der Folgeleistung seitens der Bischöfe eine
prinzipielle Anerkennung der Maigesetze liege, was dieselben nun und nimmer
auf sich kommen lassen dürfen, -- so stehen wir wiederum an der Pforte eines
großartigen und folgenschweren Conflictes, der wahrscheinlich dazu führen
wird, daß auch diesen beiden Kirchenfürsten innerhalb Jahresfrist der Prozeß
auf Absetzung vom Amte gemacht wird. An uns ist es nun zu zeigen, daß
diese Succursal-Pfarreien, d. h. Stellen, deren Inhaber a<1 nutum des Bischofes
ihres Benefieiums verlustig erklärt und an einen andern Ort versetzt werden
können, weder, wie man behauptet, mit der gottgeordneten Verfassung der
Kirche, noch mit den Kirchengesetzen d. h. dem canonischen Recht und den
Beschlüssen des Concils von Trient, noch endlich selbstverständlich mit den
neuern weltlichen Kirchengesetzen in Preußen in Einklang zu bringen sind!

Diese Succursal-Pfarreien und deren Organisation sind auf das französische
Gesetz vom 18. Germinal X basirt, den bekannten "organischen Artikeln" der
französischen Republik, welche zur Zeit ihrer Entstehung von einem großen
Theile der französischen Geistlichkeit selbst energisch bekämpft und darum in der
Folge mehrfach, z. B. durch da< kaiserliche Decret vom 30. Dez. 1809 und
das vom 8. Nov. 1813 ergänzt und abgeändert worden sind. Jenes Gesetz
bestimmt im Art. 60, daß in jedem friedensgerichtlichen Bezirk wenigstens
eine Parochie (piu-oisLo) bestehen^müsse mit einem cur6 (Hauptpfarrer) an
der Spitze und mit so vielen Succursalen, deren Pfarrer clossvi-valltL heißen,
als das Bedürfniß und das Vermögen der kleinern Ortsgemeinden erheische.
Die Funktionen beider Art Pfarrer sind sich im Wesentlichen gleich. Der
Hauptunterschied zwischen dem Cure' und den Succursal-Pfarrern besteht, wie


Me Succursal-Maneien auf der linken Kheinseite.

Durch die Zeitungen ging bekanntlich neuerlich die Notiz, daß der Erz-
bischof Paulus Melchers von Köln kurz nach seiner Entlassung aus dem Ge¬
fängnisse von dem Ober-Präsidenten der Rheinprovinz zur definitiven Besetzung
von 590 Succursal-Pfarrstellen auf dem linken Rheinufer aufgefordert worden
sei, sowie zur Anmeldung der betr. Geistlichen an die Regierung nach Maßgabe
der §§ 18. 19. des Gesetzes v, 11. Mai 1873. Nach Verlauf von vier Wo¬
chen wurde diese Aufforderung wiederholt und zugleich bei Nicht-Berücksich¬
tigung derselben dem Bischöfe eine Geldstrafe von SO Thlrn. für jede einzelne
Stelle d. i. in Summa von 29.500 Thlrn. angedroht. Eine ähnliche Weisung
wird wahrscheinlich binnen Kurzem auch an den Bischof Eberhard von Trier
bei seiner event. Entlassung aus der Haft seitens des Oberpräsidenten
ergehen. Da man schon jetzt von der Fruchtlosigkeit einer solchen Aufforde¬
rung überzeugt sein kann, und von ultramontaner Seite laut und leise da¬
rauf hingewiesen wird, daß in der Folgeleistung seitens der Bischöfe eine
prinzipielle Anerkennung der Maigesetze liege, was dieselben nun und nimmer
auf sich kommen lassen dürfen, — so stehen wir wiederum an der Pforte eines
großartigen und folgenschweren Conflictes, der wahrscheinlich dazu führen
wird, daß auch diesen beiden Kirchenfürsten innerhalb Jahresfrist der Prozeß
auf Absetzung vom Amte gemacht wird. An uns ist es nun zu zeigen, daß
diese Succursal-Pfarreien, d. h. Stellen, deren Inhaber a<1 nutum des Bischofes
ihres Benefieiums verlustig erklärt und an einen andern Ort versetzt werden
können, weder, wie man behauptet, mit der gottgeordneten Verfassung der
Kirche, noch mit den Kirchengesetzen d. h. dem canonischen Recht und den
Beschlüssen des Concils von Trient, noch endlich selbstverständlich mit den
neuern weltlichen Kirchengesetzen in Preußen in Einklang zu bringen sind!

Diese Succursal-Pfarreien und deren Organisation sind auf das französische
Gesetz vom 18. Germinal X basirt, den bekannten „organischen Artikeln" der
französischen Republik, welche zur Zeit ihrer Entstehung von einem großen
Theile der französischen Geistlichkeit selbst energisch bekämpft und darum in der
Folge mehrfach, z. B. durch da< kaiserliche Decret vom 30. Dez. 1809 und
das vom 8. Nov. 1813 ergänzt und abgeändert worden sind. Jenes Gesetz
bestimmt im Art. 60, daß in jedem friedensgerichtlichen Bezirk wenigstens
eine Parochie (piu-oisLo) bestehen^müsse mit einem cur6 (Hauptpfarrer) an
der Spitze und mit so vielen Succursalen, deren Pfarrer clossvi-valltL heißen,
als das Bedürfniß und das Vermögen der kleinern Ortsgemeinden erheische.
Die Funktionen beider Art Pfarrer sind sich im Wesentlichen gleich. Der
Hauptunterschied zwischen dem Cure' und den Succursal-Pfarrern besteht, wie


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[0156] Me Succursal-Maneien auf der linken Kheinseite. Durch die Zeitungen ging bekanntlich neuerlich die Notiz, daß der Erz- bischof Paulus Melchers von Köln kurz nach seiner Entlassung aus dem Ge¬ fängnisse von dem Ober-Präsidenten der Rheinprovinz zur definitiven Besetzung von 590 Succursal-Pfarrstellen auf dem linken Rheinufer aufgefordert worden sei, sowie zur Anmeldung der betr. Geistlichen an die Regierung nach Maßgabe der §§ 18. 19. des Gesetzes v, 11. Mai 1873. Nach Verlauf von vier Wo¬ chen wurde diese Aufforderung wiederholt und zugleich bei Nicht-Berücksich¬ tigung derselben dem Bischöfe eine Geldstrafe von SO Thlrn. für jede einzelne Stelle d. i. in Summa von 29.500 Thlrn. angedroht. Eine ähnliche Weisung wird wahrscheinlich binnen Kurzem auch an den Bischof Eberhard von Trier bei seiner event. Entlassung aus der Haft seitens des Oberpräsidenten ergehen. Da man schon jetzt von der Fruchtlosigkeit einer solchen Aufforde¬ rung überzeugt sein kann, und von ultramontaner Seite laut und leise da¬ rauf hingewiesen wird, daß in der Folgeleistung seitens der Bischöfe eine prinzipielle Anerkennung der Maigesetze liege, was dieselben nun und nimmer auf sich kommen lassen dürfen, — so stehen wir wiederum an der Pforte eines großartigen und folgenschweren Conflictes, der wahrscheinlich dazu führen wird, daß auch diesen beiden Kirchenfürsten innerhalb Jahresfrist der Prozeß auf Absetzung vom Amte gemacht wird. An uns ist es nun zu zeigen, daß diese Succursal-Pfarreien, d. h. Stellen, deren Inhaber a<1 nutum des Bischofes ihres Benefieiums verlustig erklärt und an einen andern Ort versetzt werden können, weder, wie man behauptet, mit der gottgeordneten Verfassung der Kirche, noch mit den Kirchengesetzen d. h. dem canonischen Recht und den Beschlüssen des Concils von Trient, noch endlich selbstverständlich mit den neuern weltlichen Kirchengesetzen in Preußen in Einklang zu bringen sind! Diese Succursal-Pfarreien und deren Organisation sind auf das französische Gesetz vom 18. Germinal X basirt, den bekannten „organischen Artikeln" der französischen Republik, welche zur Zeit ihrer Entstehung von einem großen Theile der französischen Geistlichkeit selbst energisch bekämpft und darum in der Folge mehrfach, z. B. durch da< kaiserliche Decret vom 30. Dez. 1809 und das vom 8. Nov. 1813 ergänzt und abgeändert worden sind. Jenes Gesetz bestimmt im Art. 60, daß in jedem friedensgerichtlichen Bezirk wenigstens eine Parochie (piu-oisLo) bestehen^müsse mit einem cur6 (Hauptpfarrer) an der Spitze und mit so vielen Succursalen, deren Pfarrer clossvi-valltL heißen, als das Bedürfniß und das Vermögen der kleinern Ortsgemeinden erheische. Die Funktionen beider Art Pfarrer sind sich im Wesentlichen gleich. Der Hauptunterschied zwischen dem Cure' und den Succursal-Pfarrern besteht, wie

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 34, 1875, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341821_134957/156>, abgerufen am 06.05.2024.