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Die Grenzboten. Jg. 34, 1875, I. Semester. I. Band.

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thätigkeit wieder allenthalben im vollen Zuge. Augenblicklich geht man rüstig
mit der Abtragung der innern Stadtumwallung ans Werk. Für die Er¬
weiterung der Stadt und die Hinausschiebung ist ein Terrain in Aussicht
genommen, welches ungefähr der Bodenfläche gleichkommt, welche die gegen¬
wärtige Stadt einnimmt, die bekanntlich ziemlich eng zusammengebaut ist und
eigentlich breite Straßen im modernen Styl ebensowenig kennt, wie ihre
Nachbarstadt, das alte krummwinkliche Colmar. Den sofort in die Augen
springenden Vortheil einer solchen Maßregel für Straßburg in commercieller
und industrieller Hinsicht kann nur derjenige verkennen, der eben absichtlich
gegen jede auf Hebung des materiellen Wohles hinzielende Anordnung der
Reichsregierung die Augen verschließen will. Dennoch giebt's solcher unver¬
nünftigen Leute sowohl in Straßburg, wie in dem übrigen Lande. Und sie
sorgen schon dafür, daß ihre Klagen und deren meist sophistische Motivirung
an den Mann kommen. Doch ist gottlob diese Partei der "Unversöhnlichen"
numerisch sehr beschränkt und moralisch ziemlich bedeutungslos. Das Gros
der Bevölkerung lernt sich allmälich in das Unvermeidliche schicken und ist
gerne bereit, das Gute, was ihm die neue Regierung bietet, mit Dank anzu¬
erkennen und auf deren Intentionen, die zu seinem Besten gereichen, um't
Freuden einzugehen.




Dom deutschen Aeichstag.

So ist denn das Bankgesetz glücklich in dein Hafen und die Session des
Reichstags erfolgreich beendigt. Die Regelung des Bankwesens hatte unzäh¬
lige Klippen zu umschiffen, wie man weiß, aber seitdem das Gesetz, welches
die Regelung enthielt, im Fahrwasser des Reichstags sich befand, ist die Fahrt
doch weit ruhiger von Statten gegangen als man erwartet hatte. In dem
Brief vom 22. November v. I. No. 48 d. Bl., welcher durch einen Irrthum
das Datum des 15. Nov. trägt, ist hier über die Vorstadien des Gesetzes und
über den Ausgang der ersten Berathung im Reichstag berichtet, worden. Die
erste Berathung hatte zur Verweisung an eine Commission geführt, und da
bei der Berathung die Einführung einer Neichsbank sich als der überwiegende
Wunsch des Reichstages kundgegeben, so entstand die Frage, ob die Commission
mit der Einfügung dieser wichtigen Institution in das Gesetz auf eigne Hand
vorgehen sollte. Dieser Weg war indeß thatsächlich ungangbar, obgleich er


thätigkeit wieder allenthalben im vollen Zuge. Augenblicklich geht man rüstig
mit der Abtragung der innern Stadtumwallung ans Werk. Für die Er¬
weiterung der Stadt und die Hinausschiebung ist ein Terrain in Aussicht
genommen, welches ungefähr der Bodenfläche gleichkommt, welche die gegen¬
wärtige Stadt einnimmt, die bekanntlich ziemlich eng zusammengebaut ist und
eigentlich breite Straßen im modernen Styl ebensowenig kennt, wie ihre
Nachbarstadt, das alte krummwinkliche Colmar. Den sofort in die Augen
springenden Vortheil einer solchen Maßregel für Straßburg in commercieller
und industrieller Hinsicht kann nur derjenige verkennen, der eben absichtlich
gegen jede auf Hebung des materiellen Wohles hinzielende Anordnung der
Reichsregierung die Augen verschließen will. Dennoch giebt's solcher unver¬
nünftigen Leute sowohl in Straßburg, wie in dem übrigen Lande. Und sie
sorgen schon dafür, daß ihre Klagen und deren meist sophistische Motivirung
an den Mann kommen. Doch ist gottlob diese Partei der „Unversöhnlichen"
numerisch sehr beschränkt und moralisch ziemlich bedeutungslos. Das Gros
der Bevölkerung lernt sich allmälich in das Unvermeidliche schicken und ist
gerne bereit, das Gute, was ihm die neue Regierung bietet, mit Dank anzu¬
erkennen und auf deren Intentionen, die zu seinem Besten gereichen, um't
Freuden einzugehen.




Dom deutschen Aeichstag.

So ist denn das Bankgesetz glücklich in dein Hafen und die Session des
Reichstags erfolgreich beendigt. Die Regelung des Bankwesens hatte unzäh¬
lige Klippen zu umschiffen, wie man weiß, aber seitdem das Gesetz, welches
die Regelung enthielt, im Fahrwasser des Reichstags sich befand, ist die Fahrt
doch weit ruhiger von Statten gegangen als man erwartet hatte. In dem
Brief vom 22. November v. I. No. 48 d. Bl., welcher durch einen Irrthum
das Datum des 15. Nov. trägt, ist hier über die Vorstadien des Gesetzes und
über den Ausgang der ersten Berathung im Reichstag berichtet, worden. Die
erste Berathung hatte zur Verweisung an eine Commission geführt, und da
bei der Berathung die Einführung einer Neichsbank sich als der überwiegende
Wunsch des Reichstages kundgegeben, so entstand die Frage, ob die Commission
mit der Einfügung dieser wichtigen Institution in das Gesetz auf eigne Hand
vorgehen sollte. Dieser Weg war indeß thatsächlich ungangbar, obgleich er


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[0234] thätigkeit wieder allenthalben im vollen Zuge. Augenblicklich geht man rüstig mit der Abtragung der innern Stadtumwallung ans Werk. Für die Er¬ weiterung der Stadt und die Hinausschiebung ist ein Terrain in Aussicht genommen, welches ungefähr der Bodenfläche gleichkommt, welche die gegen¬ wärtige Stadt einnimmt, die bekanntlich ziemlich eng zusammengebaut ist und eigentlich breite Straßen im modernen Styl ebensowenig kennt, wie ihre Nachbarstadt, das alte krummwinkliche Colmar. Den sofort in die Augen springenden Vortheil einer solchen Maßregel für Straßburg in commercieller und industrieller Hinsicht kann nur derjenige verkennen, der eben absichtlich gegen jede auf Hebung des materiellen Wohles hinzielende Anordnung der Reichsregierung die Augen verschließen will. Dennoch giebt's solcher unver¬ nünftigen Leute sowohl in Straßburg, wie in dem übrigen Lande. Und sie sorgen schon dafür, daß ihre Klagen und deren meist sophistische Motivirung an den Mann kommen. Doch ist gottlob diese Partei der „Unversöhnlichen" numerisch sehr beschränkt und moralisch ziemlich bedeutungslos. Das Gros der Bevölkerung lernt sich allmälich in das Unvermeidliche schicken und ist gerne bereit, das Gute, was ihm die neue Regierung bietet, mit Dank anzu¬ erkennen und auf deren Intentionen, die zu seinem Besten gereichen, um't Freuden einzugehen. Dom deutschen Aeichstag. So ist denn das Bankgesetz glücklich in dein Hafen und die Session des Reichstags erfolgreich beendigt. Die Regelung des Bankwesens hatte unzäh¬ lige Klippen zu umschiffen, wie man weiß, aber seitdem das Gesetz, welches die Regelung enthielt, im Fahrwasser des Reichstags sich befand, ist die Fahrt doch weit ruhiger von Statten gegangen als man erwartet hatte. In dem Brief vom 22. November v. I. No. 48 d. Bl., welcher durch einen Irrthum das Datum des 15. Nov. trägt, ist hier über die Vorstadien des Gesetzes und über den Ausgang der ersten Berathung im Reichstag berichtet, worden. Die erste Berathung hatte zur Verweisung an eine Commission geführt, und da bei der Berathung die Einführung einer Neichsbank sich als der überwiegende Wunsch des Reichstages kundgegeben, so entstand die Frage, ob die Commission mit der Einfügung dieser wichtigen Institution in das Gesetz auf eigne Hand vorgehen sollte. Dieser Weg war indeß thatsächlich ungangbar, obgleich er

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 34, 1875, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341821_134957/234>, abgerufen am 07.05.2024.