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Die Grenzboten. Jg. 34, 1875, I. Semester. I. Band.

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endung bildet es eine sehr stattliche Lebensaufgabe. Die Darstellung ist na¬
türlich und lebendig, sie geht frisch fort und trägt kein Pathos in eine Zeit
hinein, die dessen entbehrt, sie verräth eine rüstige Kraft. Mit nicht geringem
Geschick sind die zahlreichen Fäden bloßgelegt, die scheinbar völlig verwirrend
in einander laufen, aber sie schießen auch zu einem Gewebe wieder zusammen.
Möge es dem Buche zum guten Omen gereichen, daß es in demselben Verlage
erscheint, aus dem Giesebrecht's Geschichte der deutschen Kaiserzeit hervorge¬
gangen ist. Aber wozu die lateinischen Lettern?


H. Markgraf.


Dom preußischen Landtag.

Die Abgeordneten haben sich in sämmtlichen Sitzungen der vergangenen
Woche mit der ersten Berathung der vier Gesetze zur Reform der Staatsver¬
waltung beschäftigt. Die Discussion zerfiel in drei Theile, sofern zuerst die
beiden Gesetze über die Provinzialordnung und über die Bildung der Verwal¬
tungsgerichte in eine Berathung zusammengefaßt, alsdann das Gesetz über
die Bildung der Provinz Berlin und drittens das sogenannte Dotationsgesetz
je in einer eigenen Berathung vorgenommen wurden. Am Schluß des ersten
Theiles der Berathung schob sich noch die Discussion und Beschlußfassung
über einen Antrag des Abgeordneten Virchow dazwischen, dahingehend, es solle
die Staatsregierung ersucht werden, noch in dieser Session ein Gesetz zur
Ausdehnung der Verwaltungsreform auf die Provinzen Rheinland und West¬
falen vorzulegen.

Der Gegenstand der Verhandlungen dieser Woche ist vielleicht der größte,
der eine preußische Landesvertretung jemals in normalen Zeiten, im Laufe ge¬
setzlicher Fortentwicklung beschäftigen kann. Wir können durchaus nicht sagen,
daß die Discussion auf der Höhe ihrer Aufgabe stand, ohne daraus übrigens
eine Anklage gegen irgend Jemand schöpfen zu wollen. Bergleicht man die
in Rede stehende Discussion mit der des Reichstages über das Bankgesetz, so
fällt der Vergleich durchweg zu Gunsten der letzteren aus, ovschon, oder viel¬
leicht grade weil der Gegenstand des Abgeordnetenhauses der weitaus bedeu¬
tendere war. Es wäre indeß ganz irrig, den Unterschied etwa aus der gerin¬
geren Befähigung des Abgeordnetenhauses herleiten zu wollen. Der Haupt¬
grund des Unterschiedes ist vielmehr der, daß bei dem Bankgesetz ein dringen-
des Bedürfniß mit zwingender Klarheit am Horizonte stand und das Durch-
'


Gnuzbvtm I. 187S. 40

endung bildet es eine sehr stattliche Lebensaufgabe. Die Darstellung ist na¬
türlich und lebendig, sie geht frisch fort und trägt kein Pathos in eine Zeit
hinein, die dessen entbehrt, sie verräth eine rüstige Kraft. Mit nicht geringem
Geschick sind die zahlreichen Fäden bloßgelegt, die scheinbar völlig verwirrend
in einander laufen, aber sie schießen auch zu einem Gewebe wieder zusammen.
Möge es dem Buche zum guten Omen gereichen, daß es in demselben Verlage
erscheint, aus dem Giesebrecht's Geschichte der deutschen Kaiserzeit hervorge¬
gangen ist. Aber wozu die lateinischen Lettern?


H. Markgraf.


Dom preußischen Landtag.

Die Abgeordneten haben sich in sämmtlichen Sitzungen der vergangenen
Woche mit der ersten Berathung der vier Gesetze zur Reform der Staatsver¬
waltung beschäftigt. Die Discussion zerfiel in drei Theile, sofern zuerst die
beiden Gesetze über die Provinzialordnung und über die Bildung der Verwal¬
tungsgerichte in eine Berathung zusammengefaßt, alsdann das Gesetz über
die Bildung der Provinz Berlin und drittens das sogenannte Dotationsgesetz
je in einer eigenen Berathung vorgenommen wurden. Am Schluß des ersten
Theiles der Berathung schob sich noch die Discussion und Beschlußfassung
über einen Antrag des Abgeordneten Virchow dazwischen, dahingehend, es solle
die Staatsregierung ersucht werden, noch in dieser Session ein Gesetz zur
Ausdehnung der Verwaltungsreform auf die Provinzen Rheinland und West¬
falen vorzulegen.

Der Gegenstand der Verhandlungen dieser Woche ist vielleicht der größte,
der eine preußische Landesvertretung jemals in normalen Zeiten, im Laufe ge¬
setzlicher Fortentwicklung beschäftigen kann. Wir können durchaus nicht sagen,
daß die Discussion auf der Höhe ihrer Aufgabe stand, ohne daraus übrigens
eine Anklage gegen irgend Jemand schöpfen zu wollen. Bergleicht man die
in Rede stehende Discussion mit der des Reichstages über das Bankgesetz, so
fällt der Vergleich durchweg zu Gunsten der letzteren aus, ovschon, oder viel¬
leicht grade weil der Gegenstand des Abgeordnetenhauses der weitaus bedeu¬
tendere war. Es wäre indeß ganz irrig, den Unterschied etwa aus der gerin¬
geren Befähigung des Abgeordnetenhauses herleiten zu wollen. Der Haupt¬
grund des Unterschiedes ist vielmehr der, daß bei dem Bankgesetz ein dringen-
des Bedürfniß mit zwingender Klarheit am Horizonte stand und das Durch-
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Gnuzbvtm I. 187S. 40
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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 34, 1875, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341821_134957/321>, abgerufen am 06.05.2024.