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Die Grenzboten. Jg. 34, 1875, I. Semester. I. Band.

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lose Verehrung der Berliner gewonnen. Aber bei aller Pietät kann doch nicht
verschwiegen werden, daß Frau Artöt in ihrer heutigen Erscheinung mit der
Rolle einer jugendlichen Braut schlechterdings unvereinbar ist. Und was die
übrigen Mitglieder betrifft, so kann nur Herr de Padilla als ansprechende
Persönlichkeit genannt werden. Doch würde man gern aus das Aeußere ver¬
zichten , wenn nur eine vollendete musikalische Leistung geboten würde. Aber
die gänzlich abgesungene und noch dazu fortwährend mit Gaumentönen operi-
rende Stimme des Tenoristen konnte, im Verein mit der körperlichen Erschei¬
nung des Mannes nur Bedauern erwecken, und Signora Cristino, die mit
einem nicht üblen, wenn auch etwas harten Sopran begabt ist, sang zwar
recht herzhaft und mit angelernten Chic drauf los, leider aber entsprachen
Intonation und Ausführung der schwierigeren Passagen nicht immer der
Sicherheit des Auftretens. So liegt also die ganze Last des Unternehmens
auf den Schultern des Ehepaars Padilla. Herr"de Padilla besitzt einen treff¬
lich geschulten Baryton, kräftig und doch weich, von wunderbarem Wohllaut.
Und vor Frau Artüt ziehen wir auch heute noch ehrfurchtsvoll den Hut. Was
nützt es, daran zu erinnern, was sie ehedem gewesen; fragen wir, was sie
ist! Das Höchste der Gesangskunst bleibt doch immerdar jener geheimnißvolle
Zauber, der auch das härteste Herz erweicht. Und diesen Zauber übt die
gefeierte Sängerin nach wie vor. Sehr zu bedauern wäre es, wenn er durch
die mitwirkenden Elemente ernstlich beeinträchtigt würde. Einstweilen wollen
Wir uns der Hoffnung hingeben, daß die "italienische Gesellschaft" in ihrem
Verbände noch andere Kräfte birgt, welche es mit besserem Rechte wagen
dürfen, als Partner einer Artöt die Bühne zu betreten.


x X


Ile jüngste päpstliche Mulle und die Künftige Mpstwahl.

Am fünften December vorigen Jahres drohten die Ultramontanen im
deutschen Reichstage die wüsten Scenen des vorhergehenden Tages, die Herr
Jörg so unglücklich eingeleitet, zu erneuern. Es handelte sich damals um die
von dem Reichskanzler beschlossene Streichung der Budgetposttion für den
Posten eines deutschen Gesandten beim päpstlichen Stuhle. Herr Windthorst
sprach bei dieser Gelegenheit sein berufenes Wort von dem König von Rom
und der Vergeltung, welche den ersten Bonaparte wegen seiner Auflehnung


lose Verehrung der Berliner gewonnen. Aber bei aller Pietät kann doch nicht
verschwiegen werden, daß Frau Artöt in ihrer heutigen Erscheinung mit der
Rolle einer jugendlichen Braut schlechterdings unvereinbar ist. Und was die
übrigen Mitglieder betrifft, so kann nur Herr de Padilla als ansprechende
Persönlichkeit genannt werden. Doch würde man gern aus das Aeußere ver¬
zichten , wenn nur eine vollendete musikalische Leistung geboten würde. Aber
die gänzlich abgesungene und noch dazu fortwährend mit Gaumentönen operi-
rende Stimme des Tenoristen konnte, im Verein mit der körperlichen Erschei¬
nung des Mannes nur Bedauern erwecken, und Signora Cristino, die mit
einem nicht üblen, wenn auch etwas harten Sopran begabt ist, sang zwar
recht herzhaft und mit angelernten Chic drauf los, leider aber entsprachen
Intonation und Ausführung der schwierigeren Passagen nicht immer der
Sicherheit des Auftretens. So liegt also die ganze Last des Unternehmens
auf den Schultern des Ehepaars Padilla. Herr«de Padilla besitzt einen treff¬
lich geschulten Baryton, kräftig und doch weich, von wunderbarem Wohllaut.
Und vor Frau Artüt ziehen wir auch heute noch ehrfurchtsvoll den Hut. Was
nützt es, daran zu erinnern, was sie ehedem gewesen; fragen wir, was sie
ist! Das Höchste der Gesangskunst bleibt doch immerdar jener geheimnißvolle
Zauber, der auch das härteste Herz erweicht. Und diesen Zauber übt die
gefeierte Sängerin nach wie vor. Sehr zu bedauern wäre es, wenn er durch
die mitwirkenden Elemente ernstlich beeinträchtigt würde. Einstweilen wollen
Wir uns der Hoffnung hingeben, daß die „italienische Gesellschaft" in ihrem
Verbände noch andere Kräfte birgt, welche es mit besserem Rechte wagen
dürfen, als Partner einer Artöt die Bühne zu betreten.


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Ile jüngste päpstliche Mulle und die Künftige Mpstwahl.

Am fünften December vorigen Jahres drohten die Ultramontanen im
deutschen Reichstage die wüsten Scenen des vorhergehenden Tages, die Herr
Jörg so unglücklich eingeleitet, zu erneuern. Es handelte sich damals um die
von dem Reichskanzler beschlossene Streichung der Budgetposttion für den
Posten eines deutschen Gesandten beim päpstlichen Stuhle. Herr Windthorst
sprach bei dieser Gelegenheit sein berufenes Wort von dem König von Rom
und der Vergeltung, welche den ersten Bonaparte wegen seiner Auflehnung


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[0405] lose Verehrung der Berliner gewonnen. Aber bei aller Pietät kann doch nicht verschwiegen werden, daß Frau Artöt in ihrer heutigen Erscheinung mit der Rolle einer jugendlichen Braut schlechterdings unvereinbar ist. Und was die übrigen Mitglieder betrifft, so kann nur Herr de Padilla als ansprechende Persönlichkeit genannt werden. Doch würde man gern aus das Aeußere ver¬ zichten , wenn nur eine vollendete musikalische Leistung geboten würde. Aber die gänzlich abgesungene und noch dazu fortwährend mit Gaumentönen operi- rende Stimme des Tenoristen konnte, im Verein mit der körperlichen Erschei¬ nung des Mannes nur Bedauern erwecken, und Signora Cristino, die mit einem nicht üblen, wenn auch etwas harten Sopran begabt ist, sang zwar recht herzhaft und mit angelernten Chic drauf los, leider aber entsprachen Intonation und Ausführung der schwierigeren Passagen nicht immer der Sicherheit des Auftretens. So liegt also die ganze Last des Unternehmens auf den Schultern des Ehepaars Padilla. Herr«de Padilla besitzt einen treff¬ lich geschulten Baryton, kräftig und doch weich, von wunderbarem Wohllaut. Und vor Frau Artüt ziehen wir auch heute noch ehrfurchtsvoll den Hut. Was nützt es, daran zu erinnern, was sie ehedem gewesen; fragen wir, was sie ist! Das Höchste der Gesangskunst bleibt doch immerdar jener geheimnißvolle Zauber, der auch das härteste Herz erweicht. Und diesen Zauber übt die gefeierte Sängerin nach wie vor. Sehr zu bedauern wäre es, wenn er durch die mitwirkenden Elemente ernstlich beeinträchtigt würde. Einstweilen wollen Wir uns der Hoffnung hingeben, daß die „italienische Gesellschaft" in ihrem Verbände noch andere Kräfte birgt, welche es mit besserem Rechte wagen dürfen, als Partner einer Artöt die Bühne zu betreten. x X Ile jüngste päpstliche Mulle und die Künftige Mpstwahl. Am fünften December vorigen Jahres drohten die Ultramontanen im deutschen Reichstage die wüsten Scenen des vorhergehenden Tages, die Herr Jörg so unglücklich eingeleitet, zu erneuern. Es handelte sich damals um die von dem Reichskanzler beschlossene Streichung der Budgetposttion für den Posten eines deutschen Gesandten beim päpstlichen Stuhle. Herr Windthorst sprach bei dieser Gelegenheit sein berufenes Wort von dem König von Rom und der Vergeltung, welche den ersten Bonaparte wegen seiner Auflehnung

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 34, 1875, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341821_134957/405>, abgerufen am 06.05.2024.