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Die Grenzboten. Jg. 34, 1875, I. Semester. I. Band.

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kommen, zu danken. Auch Ihr lieber Brief soll als solches Document zwar
alphabetisch, aber doch mit besonderer Neigung eingeschaltet werden.

Wenn von der eigenen Hand des vortrefflichen Mozart sich ihren emsigen
Bemühungen keine Zeile darbot, so wird mir das Uebrige desto lieber und
ich werde nur um desto eifriger sammeln, weil uns dieses Beyspiel zeigt, wie
gerade das Nächste und Eigenthümlichste des Menschen sobald nach seinem
Scheiden verschwindet, und von seinem Zustande, wie von seinen Verdiensten,
nur ein allgemeines, gleichsam Körperloses übrig bleibt.

Diese Betrachtungen führen uns dahin, daß wir uns desto mehr
an diejenigen verdienten Personen halten, mit denen uns das gute Glück
in irgend ein lebendiges Verhältniß hat bringen wollen. Seyn Sie ver¬
sichert, daß ich zu wiederholten Malen an ihren Productionen Theil genom¬
men; aber es fällt mir immer schwerer über einzelne Arbeiten mich zu äußern,
weil man, eigentlich zu weit ausholen muß, um mit Bedeutung zu loben
und mit Grund zu tadeln. Eben so wenig aber will ich verhehlen, daß die
Werke, die Sie und einige andere meiner Freundinnen hervorgebracht, mich
schon längst veranlaßten, über weibliche Autoren ihre Talente, ihre Richtung,
ihre Vorzüge, ihre Mängel und ihren Einfluß nachzudenken, was ich Ihnen
gern vertraulich überschicken würde, wenn es je zu Papier gekommen wäre.
Ich bin so eingebildet zu glauben, daß auf diese Weise talentvolle Frauen¬
zimmer immer über sich selbst und über das Publicum aufzuklären, für sie
von großem Vortheile seyn und ihnen auf einmal über mehr Hindernisse hin¬
über helfen würde, als durch einzelne Urtheile geschehen kann, die doch meistens
dem, Autor nur nachhinken. Leben Sie recht wohl und bleiben meiner Theil¬
nahme versichert."

Freundlicher war der zweite Brief Goethe's an die Baronin Eskeles,
die unterdeß verstorben, sich eingehender mit dem Agathokles der Caroline
Pichler beschäftigte. Aber auch über jenen verbreitet sich die Schriftstellerin
kurz und wir geben ihn daher, namentlich weil er ein eingehendes und inter¬
essantes Urtheil Goethe's enthält, seinem ganzen Inhalte nach wieder. Goethe
schrieb an die Eskeles:


"Karlsbad d. 30. Aug. 1812.

Es würde höchst undankbar von mir sein, wenn ich mich aus dem lieben
Böhmen entfernen wollte, wo es mir diesmal so wohl gegangen, ohne Ihnen
für das Vergnügen zu danken, das ich auch Ihnen bei meinem Aufenthalte
schuldig geworden. Die schöne Sendung handschriftlicher Blätter gab für
mich selbst, sowie zur Unterhaltung anderer den interessantesten Stoff. In
gleicher Zeit erhielt ich von einem Freunde ebenfalls einen bedeutenden Beitrag
und erregte durch Vorzeigung meiner Schätze bei gar manchen die freundliche
Gesinnung sie zu vermehren und so erfolgte ein Gutes aus dem andern, wo-


kommen, zu danken. Auch Ihr lieber Brief soll als solches Document zwar
alphabetisch, aber doch mit besonderer Neigung eingeschaltet werden.

Wenn von der eigenen Hand des vortrefflichen Mozart sich ihren emsigen
Bemühungen keine Zeile darbot, so wird mir das Uebrige desto lieber und
ich werde nur um desto eifriger sammeln, weil uns dieses Beyspiel zeigt, wie
gerade das Nächste und Eigenthümlichste des Menschen sobald nach seinem
Scheiden verschwindet, und von seinem Zustande, wie von seinen Verdiensten,
nur ein allgemeines, gleichsam Körperloses übrig bleibt.

Diese Betrachtungen führen uns dahin, daß wir uns desto mehr
an diejenigen verdienten Personen halten, mit denen uns das gute Glück
in irgend ein lebendiges Verhältniß hat bringen wollen. Seyn Sie ver¬
sichert, daß ich zu wiederholten Malen an ihren Productionen Theil genom¬
men; aber es fällt mir immer schwerer über einzelne Arbeiten mich zu äußern,
weil man, eigentlich zu weit ausholen muß, um mit Bedeutung zu loben
und mit Grund zu tadeln. Eben so wenig aber will ich verhehlen, daß die
Werke, die Sie und einige andere meiner Freundinnen hervorgebracht, mich
schon längst veranlaßten, über weibliche Autoren ihre Talente, ihre Richtung,
ihre Vorzüge, ihre Mängel und ihren Einfluß nachzudenken, was ich Ihnen
gern vertraulich überschicken würde, wenn es je zu Papier gekommen wäre.
Ich bin so eingebildet zu glauben, daß auf diese Weise talentvolle Frauen¬
zimmer immer über sich selbst und über das Publicum aufzuklären, für sie
von großem Vortheile seyn und ihnen auf einmal über mehr Hindernisse hin¬
über helfen würde, als durch einzelne Urtheile geschehen kann, die doch meistens
dem, Autor nur nachhinken. Leben Sie recht wohl und bleiben meiner Theil¬
nahme versichert."

Freundlicher war der zweite Brief Goethe's an die Baronin Eskeles,
die unterdeß verstorben, sich eingehender mit dem Agathokles der Caroline
Pichler beschäftigte. Aber auch über jenen verbreitet sich die Schriftstellerin
kurz und wir geben ihn daher, namentlich weil er ein eingehendes und inter¬
essantes Urtheil Goethe's enthält, seinem ganzen Inhalte nach wieder. Goethe
schrieb an die Eskeles:


„Karlsbad d. 30. Aug. 1812.

Es würde höchst undankbar von mir sein, wenn ich mich aus dem lieben
Böhmen entfernen wollte, wo es mir diesmal so wohl gegangen, ohne Ihnen
für das Vergnügen zu danken, das ich auch Ihnen bei meinem Aufenthalte
schuldig geworden. Die schöne Sendung handschriftlicher Blätter gab für
mich selbst, sowie zur Unterhaltung anderer den interessantesten Stoff. In
gleicher Zeit erhielt ich von einem Freunde ebenfalls einen bedeutenden Beitrag
und erregte durch Vorzeigung meiner Schätze bei gar manchen die freundliche
Gesinnung sie zu vermehren und so erfolgte ein Gutes aus dem andern, wo-


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[0490] kommen, zu danken. Auch Ihr lieber Brief soll als solches Document zwar alphabetisch, aber doch mit besonderer Neigung eingeschaltet werden. Wenn von der eigenen Hand des vortrefflichen Mozart sich ihren emsigen Bemühungen keine Zeile darbot, so wird mir das Uebrige desto lieber und ich werde nur um desto eifriger sammeln, weil uns dieses Beyspiel zeigt, wie gerade das Nächste und Eigenthümlichste des Menschen sobald nach seinem Scheiden verschwindet, und von seinem Zustande, wie von seinen Verdiensten, nur ein allgemeines, gleichsam Körperloses übrig bleibt. Diese Betrachtungen führen uns dahin, daß wir uns desto mehr an diejenigen verdienten Personen halten, mit denen uns das gute Glück in irgend ein lebendiges Verhältniß hat bringen wollen. Seyn Sie ver¬ sichert, daß ich zu wiederholten Malen an ihren Productionen Theil genom¬ men; aber es fällt mir immer schwerer über einzelne Arbeiten mich zu äußern, weil man, eigentlich zu weit ausholen muß, um mit Bedeutung zu loben und mit Grund zu tadeln. Eben so wenig aber will ich verhehlen, daß die Werke, die Sie und einige andere meiner Freundinnen hervorgebracht, mich schon längst veranlaßten, über weibliche Autoren ihre Talente, ihre Richtung, ihre Vorzüge, ihre Mängel und ihren Einfluß nachzudenken, was ich Ihnen gern vertraulich überschicken würde, wenn es je zu Papier gekommen wäre. Ich bin so eingebildet zu glauben, daß auf diese Weise talentvolle Frauen¬ zimmer immer über sich selbst und über das Publicum aufzuklären, für sie von großem Vortheile seyn und ihnen auf einmal über mehr Hindernisse hin¬ über helfen würde, als durch einzelne Urtheile geschehen kann, die doch meistens dem, Autor nur nachhinken. Leben Sie recht wohl und bleiben meiner Theil¬ nahme versichert." Freundlicher war der zweite Brief Goethe's an die Baronin Eskeles, die unterdeß verstorben, sich eingehender mit dem Agathokles der Caroline Pichler beschäftigte. Aber auch über jenen verbreitet sich die Schriftstellerin kurz und wir geben ihn daher, namentlich weil er ein eingehendes und inter¬ essantes Urtheil Goethe's enthält, seinem ganzen Inhalte nach wieder. Goethe schrieb an die Eskeles: „Karlsbad d. 30. Aug. 1812. Es würde höchst undankbar von mir sein, wenn ich mich aus dem lieben Böhmen entfernen wollte, wo es mir diesmal so wohl gegangen, ohne Ihnen für das Vergnügen zu danken, das ich auch Ihnen bei meinem Aufenthalte schuldig geworden. Die schöne Sendung handschriftlicher Blätter gab für mich selbst, sowie zur Unterhaltung anderer den interessantesten Stoff. In gleicher Zeit erhielt ich von einem Freunde ebenfalls einen bedeutenden Beitrag und erregte durch Vorzeigung meiner Schätze bei gar manchen die freundliche Gesinnung sie zu vermehren und so erfolgte ein Gutes aus dem andern, wo-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 34, 1875, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341821_134957/490>, abgerufen am 06.05.2024.